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U23 17.05.2016 - 16:37 Uhr

"Eine ganz besondere Mannschaft"

U23 beendet eine Saison der Superlative mit dem erneuten Klassenerhalt in der 3. Liga.

Emotionale Szenen zum Saisonende: Hier Sandro Schwarz mit Julian Derstroff, den es in die 2. Bundesliga zieht.

Ein zweites Jahr 3. Liga fand für die Mainzer U23 am Samstagmittag seinen sportlichen Abschluss mit einem 3:2-Auswärtssieg im Stadion der Freundschaft in Cottbus. Als beste deutsche U23 und zugleich als jüngste Mannschaft im Profifußball geizten die Nullfünfer in der zurückliegenden Spielzeit nicht mit Superlativen. Mit acht Jungs aus der eigenen U19 und mit den im bezahlten Fußball fast unglaublichen Vereinszugehörigkeiten wie Malte Moos´13, Aaron Seydels elf, Jannik Huths oder Marc Wachs´ neun Jahren ist es mehr als verklärte Emotionalität, wenn Trainer Sandro Schwarz von einer „ganz besonderen Mannschaft“ spricht.

Zugegeben, die knapp 1500 Tribünengäste im Mainzer Durchschnitt implizieren im überinszenierten Profifußball auf den ersten Blick keinen Schauplatz sportlicher Sensationen. Doch die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Rasen. Und da klang diese Wahrheit schon zu Saisonbeginn so simpel wie beeindruckend: Zehn Heimspiele. Ungeschlagen. Oder 16 Heimspiele, saisonübergreifend. Die Gegner hießen 1. FC Magdeburg, Dynamo Dresden, Erzgebirge Aue, Chemnitzer FC, VfR Aalen oder VfL Osnabrück. Mehr als große Namen der Vergangenheit, deren Glanz in der Fußballromantik verhallt. Auch große Namen im sportlichen Geschehen der 3. Liga. Beide Absteiger der 2. Bundeliga. Der enteilte Tabellenführer aus Dresden. Und zum Auftakt der neuen Runde ein 4:0-Auswärtssieg bei Holstein Kiel, die im Vorjahr nur um Haaresbreite die Aufstiegsrelegation verpassten. Den Klassenerhalt machten die Nullfünfer mit demselben Ergebnis gegen Hansa Rostock perfekt und krönten so eine Saison, die an Emotionen so ziemlich alles zu bieten hatte. In einer Liga, in der sich bis zum Ende fast die Hälfte aller Teams noch rechnerisch im Abstiegskampf befanden, behielten Sandro Schwarz und seine Mannschaft die Ruhe und besannen sich auf ihre Kernkompetenz: Das Fußballspielen.

Schon im letzten Jahr das Erfolgsrezept. Nach seiner Amtsübernahme am Fastnachtsdienstag musste Schwarz drei Niederlagen in Folge einstecken, dann aber begann ein furioser Saisonendspurt mit dem Höhepunkt des Klassenerhalts auf dem 16. Tabellenplatz. Da hatte Sandro Schwarz, der bis zum 17. Februar mit der U19 im Kampf um die Meisterschaftsendrunde steckte, die Mannschaft ja auch übernommen, mag man mit Blick auf die nackten Zahlen einwenden. Welch großer Kraftakt ab dem 26. Spieltag wirklich dahinter steckte, wird erst bei näherer Betrachtung deutlich: Im Durchschnitt 1,43 Punkte holte der gebürtige Mainzer mit der U23 pro Spiel, zuvor genügten mit 0,88 noch deutlich weniger. „Wenn wir so weiterspielen, können wir unseren ersten gemeinsamen Sieg gar nicht dauerhaft verhindern“, gab der Fußballlehrer seine „tiefe Überzeugung“ nach der dritten Niederlage in Folge zu Protokoll. Die Situation damals: Auch für den Trainer Neuland. Samstagmittag in Cottbus, Dienstagabend in Unterhaching. Dazwischen: Viele Stunden im Bus, nur eine Trainingseinheit in Mainz. Eine englische Woche der Nachholspiele, die mit dem zweiten Duell um den Strich zwischen Dortmund und Großaspach gar nicht mehr Brisanz hätte bieten können. Der Einstand für den zum damaligen Zeitpunkt jüngsten Trainer im Profifußball hätte sicher einfacher laufen können.

Doch was seine Truppe seither folgen ließ, rechtfertigte alle Strapazen: Das volle Paket im Spagat zwischen Aktiventeam im Profifußball und Ausbildungsmannschaft. Belegt nicht nur durch den erneuten Klassenerhalt, durch Alexander Hack, Philipp Klement und durch Suat Serdar, die in der laufenden Saison an den Profikader herangeführt wurden oder die schon jetzt feststehenden drei Abgänger in die 2. Bundesliga. Auch oder vor allem auf dem Platz erfüllte die U23 ihre eigenen, höchsten Ansprüche. Der ureigenen Rolle einer Nachwuchsmannschaft waren die Nullfünfer dank enormer mannschaftlicher Qualität schnell entwachsen. Sinnbildlich für diesen Paradigmenwechsel: Das 1:1 gegen den späteren Aufsteiger Erzgebirge Aue. Ein hochintensives Kampfspiel der damaligen Tabellennachbarn, das nicht nur den Auer Coach Pavel Dotchev wiederholt Lobeshymnen auf den Mainzer Fußball formulieren ließ. Vom typischen Außenseiter, der sich damit begnügt, die Großen zu ärgern, war schnell auch in der Wahrnehmung durch die Kontrahenten wenig geblieben. Statt selbst nur auf schnelle Umschaltaktionen und Kontergelegenheiten zu lauern, waren tiefstehende Gegner, die der Mainzer Qualität im Ballbesitz mit ebendiesen Mitteln und mit großem Respekt begegneten, keine Seltenheit. Der frühere 05-Trainer und langjährige Jugendkoordinator des FC Bayern, Hermann Hummels äußerte sich nach der Partie bei Preußen Münster tief beeindruckt von der Mainzer Spielweise: „Das sieht man sonst nur beim Pep“. Auch Pavel Dotchev zeigte sich nach dem Rückspiel in Aue noch immer als Fan der Nullfünfer: „Für mich eine der spielstärksten Mannschaften der Liga. Sie spielen wie eine Bundesligamannschaft.“

Und vereinten darüber hinaus – genau wie Trainer Schwarz - die richtige Mischung aus inhaltlicher Qualität und Mentalität. Der außergewöhnliche Teamspirit wurde unisono als Begründung für die fußballerische Entwicklung der Mannschaft angeführt und zeigte sich auch in den letzten Wochen der Saison, als das Matchglück den Mainzern trotz guter Leistungen nicht mehr ganz so hold schien. Lange Verletztenlisten, die positiven Ausfälle in Richtung Bundesligakader, fragwürdige Elfmeter, nahende persönliche Entscheidungen über die sportliche Zukunft – auch neben dem Platz hatten die Mainzer ihre Prüfungen zu meistern. Und setzten mit dem 4:0 gegen Rostock dennoch ein letztes großes Ausrufezeichen auf dem Rasen des Bruchwegstadions. Und gleich noch ein zweites im Stadion der Freundschaft. „Wir sind brutal stolz auf das, was die Jungs dieses Jahr abgerissen haben“, sagte Sandro Schwarz vor dem letzten Spieltag und vor vielen emotionalen Abschiedsmomenten, die noch einmal das Selbstverständnis dieser „ganz besonderen Mannschaft“ zeigten. Einer Mannschaft, die neben vielen Erinnerungen vor allem eines hinterlässt: Die riesige Herausforderung einer weiteren Saison in der 3. Liga.