Profis 09.10.2012 - 16:08 Uhr
Erlebnis Teambuilding
Die Mannschaft hat den schwierigen Saisonstart gedreht
Was macht einen Kader von 26 Profifußballern zu einer Mannschaft? Sind es die gemeinsamen Trainingseinheiten? Ist es die gemeinsame emotionale Basis, symbolisiert durch die Farbe ihrer Trikots, wenn der Schiedsrichter ein Bundesligaspiel anpfeift? Hilft dabei gar ein Teambuilding, jene oft außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts installierte Maßnahme, die gruppendynamische Prozesse in Gang setzen oder verstärken soll?
Sicher von jedem etwas. Alles wird jeden Profi bei der Integration in sein Team unterstützen und die Gruppenprozesse fördern, die den Mannschaftssport von Individualsport unterscheiden und die so hoch komplex sein können, dass sich viele schlaue Köpfe mit diesem Thema beschäftigen. Und doch bleiben in einer Sportart, deren Funktionen und Abläufe auf Bundesliga-Niveau quer durch alle Klubs längst bis ins Detail zerlegt und wissenschaftlich durchleuchtet werden, jene Momente für das Herausbilden eines Mannschaftsgefüges von entscheidender Bedeutung, die in ihrer Wirkung zwar erklärbar, hingegen aber nicht direkt plan– oder steuerbar sind: die positiven Erlebnisse.
Das persönlich Erlebte, vielmehr das positive Durchlebte, impft nicht zur jedem einzelnen Spieler Selbstbewusstsein ein, es stärkt das Vertrauen in taktische Abläufe und den Zusammenhalt der Gruppe, es ist ein entscheidender Baustein im Prozess des Teambuildings und damit auf dem Weg zum Mannschaftserfolg. Die Coface Arena hat am vergangenen Samstag so etwas wie ein Teambuilding erlebt, auch wenn sie wirklich schon bessere Spiele gesehen hat als jenes 1:0 der Nullfünfer gegen Fortuna Düsseldorf. Spiele mit schnelleren Kombinationen, mit mehr Torraumszenen, mit mehr Glamour für die Hochglanzberichterstattung. Aber noch kein so intensives. Einen echten Abnutzungskampf, vollgepackt mit brachialen Zweikämpfen gegen einen sperrigen und sehr selbstbewusst auftretenden Gegner.
Den Nullfünfern ging am Samstagnachmittag nichts leicht vom Fuß. Die früh attackierenden Düsseldorfer provozierten einige Fehler im Mainzer Spielaufbau und wurden zunächst torgefährlicher als die Gastgeber. „Wir waren in fast allen Bereichen nicht gut, nicht richtig im Spiel“, erzählte Trainer Thomas Tuchel. Die Halbzeitpause tat der Mannschaft sichtlich gut. Sie nahm hernach das Herz in die Hand. Mit jeder Minute gewann sie an Sicherheit im Passspiel und an Dominanz auf dem Feld. Das äußerste sich nicht in einer Flut von Torchancen, aber in vielen kleinen Siegen in den persönlichen Duellen auf dem Platz. Das Kopfballtor von Nikolce Noveski war schließlich ein Ausdruck des beinahe greifbaren Willens der Mannschaft, diese Partie für sich zu entscheiden. Der Torjubel? Eine einzige emotionale Explosion.
Und ein ganz wichtiger Schritt für das Wachsen des Mannschaftsgefühls. Zehn Punkte aus vier Spielen: Die Nullfünfer haben den nicht optimalen Saisonstart gedreht, trotz aufkommender Selbstzweifel, öffentlicher Kritik und den Verletzungssorgen. Durch eine mannschaftliche Reaktion und wahre Kraftanstrengung. Erst der etwas zittrige Sieg gegen den FC Augsburg, die nicht belohnte starke Leistung auf Schalke, dann aber die erfolgreich bestandene Abwehrschlacht in Wolfsburg und nun der mit einem späten Heimsieg garnierte Fight gegen den starken Aufsteiger. „Diese Momente sind so wichtig für die Mannschaft und durch nichts zu ersetzen“, betonte Thomas Tuchel nach dem Spiel und trommelte sein Team nach der Ehrenrunde eilig in der Kabine zusammen, um sie alle, vor allem auch die direkt zu ihren Nationalmannschaften aufbrechenden Spieler, mit einer emotionalen Ansprache im soeben Erlebten zu bestärken.
Nun ist erst einmal spielfrei. Schon wieder. Bis zum kommenden Bundesligaspiel bei Bayer 04 Leverkusen werden die Nationalspieler Thomas Tuchel in fünf von acht Trainingswochen gefehlt haben. Der Trainer wirkte in der Vergangenheit allerdings in der Regel unglücklicher, als er seine Profis in Mannschaftsstärke an die Landesverbände verleihen musste. Denn diesmal steht die Gewissheit, dass die jüngste Symbiose aus Ergebnis und Erlebnis sich tief eingebrannt hat in die Erinnerung seiner Spieler. Und – das ist eine ebenfalls nicht zu verachtende Randnotiz – auch in das Gedächtnis der Fans. Diese demonstrierten beim zähen Ringen ihrer Mannschaft gegen Fortuna Düsseldorf ähnlich große Geduld und Leidenschaft wie die Profis auf dem Platz und entwickelten sich zu einem wichtigen Unterstützer dieses Teambuildings, sogar zu einem echten Bestandteil eines Teambuildings für 26 Profifußballer und viele Tausend Mainzer im Stadion.