• Home
  • News
  • Erleichterung gestattet, Leichtigkeit fehl am Platz

Profis 23.11.2020 - 14:10 Uhr

Erleichterung gestattet, Leichtigkeit fehl am Platz

Lichte: "Wie kommt eine solche Leistung zustande? Was müssen wir investieren? Das sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen"

Nur Manuel Prietl von Arminia Bielefeld spulte in der Bundesliga am Wochenende mehr Kilometer ab als 05-Eigengewächs Leandro Barreiro.

Das nächste Spiel ist stets das schwerste, so besagt es eine alte, wohl auf ewig gültige, Fußballerweisheit. Und so sprach ein durchaus zufriedener 05-Cheftrainer am Tag nach dem Auswärtssieg von Freiburg nicht zuletzt über die nun anstehende Herausforderung, den Auftritt aus dem Breisgau in die kommende Woche zu transportieren, die der Vorbereitung auf das Duell mit der TSG 1899 Hoffenheim am Sonntagabend (18 Uhr in der OPEL ARENA) gilt. "Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass der Knoten jetzt gelöst ist und es automatisch so weiter geht", betonte Jan-Moritz Lichte nach seinem ersten dreifachen Punktgewinn als Cheftrainer. Um an Freiburg anzuknüpfen, so der 40-Jährige, müssten mehrere Voraussetzungen erfüllt werden in den kommenden Tagen.

"Ein angenehmeres Grundgefühl, sagen wir mal so", fasste Lichte die Atmosphäre in der Kabine am Montagmorgen nüchtern zusammen. Erleichterung sei spürbar gewesen, Leichtigkeit aus seiner Sicht jedoch völlig fehl am Platz. Nachvollziehbar, schließlich wäre die Gefahr eines Spannungsabfalls bedenklich groß. Ein Luxus, den man sich keinesfalls erlauben darf. Nach sechs Auftaktniederlagen haben die 05ER nun zwar Anschluss gefunden ans untere Mittelfeld der Tabelle, nach vier Zählern aus den beiden Partien gegen Schalke und im Breisgau nun gar fürs Erste die Abstiegsränge verlassen. Eine Momentaufnahme, ein kleiner Brustlöser, aber natürlich noch längst keine den Ansprüchen rund um den Bruchweg entsprechende Bilanz nach einem knappen Viertel der Saison. Also wählte der Chefcoach zum Wochenbeginn neben lobenden Worten einen anderen Ansatz und bezog die Spieler in die Analyse mit ein. "Wie kommt eine solche Leistung zustande? Was müssen wir investieren? Das sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Es muss klar sein, dass ein paar Prozent weniger nicht reichen werden. Ob das allen Spielern klar ist, werden wir in der Trainingswoche sehen."

Einschwören auf den Matchplan: In Freiburg griffen die entscheidenden Mechanismen im 05-Spiel von Sekunde eins an.

Plan umgesetzt, Freiburg den Zahn gezogen

Auch Lichte weiß schließlich um eine Eigenart, gegen die der 05-Profikader seit Jahren anzukämpfen hat. Schwankende Leistungen, rätselhafte Achterbahnfahrten, regelmäßig nicht vollumfänglich abgerufenes Potenzial. Wie das Ausschöpfen der Qualität im Kader allerdings aussehen kann, stellte die rot-weiße Elf im Breisgau unter Beweis, führte nach einem blitzsauberen ersten Durchgang mit 3:0, was für die Gastgeber angesichts der Chancenflut fast als schmeichelhaft zu werten war. "Wir haben Freiburg in den Zonen, in denen wir es vorhatten, keinen Raum gegeben. Wir waren geduldig, haben uns nicht rauslocken lassen und sind in die Bereiche vorgestoßen, in denen wir glaubten, die Bälle gewinnen zu können." Und was nach ebenjenen Ballgewinnen zu sehen war, konnte sich mehr als sehen lassen. Überfallartige Umschaltaktionen, zielgerichtet und mit Dynamik vorgetragen, sauberes Passspiel und ein kaltschnäuziger Torjäger Jean-Philippe Mateta, der gut und gerne fünf Treffer hätte erzielen können, zogen Freiburg früh den Zahn. Die neu formierte Abwehrkette mit Alexander Hack als stabilisierendes zentrales Element komplettierte einen guten Gesamteindruck, der letztlich mit drei verdienten Punkten belohnt wurde und untermauert, woran am Bruchweg ohnehin niemand Zweifel hat: Diese Mannschaft hat nicht nur Potenzial, sondern präsentiert sich auch als Team, setzt Woche für Woche mehr von dem um, was der Cheftrainer von ihnen einfordert.

Die Erklärung liefert der ehemalige Co-Trainer gleich mit: "Es liegt daran, dass die Jungs hart arbeiten. Wir sind eine körperliche Mannschaft, da können wir Vorteile haben, wenn wir alles reinhauen, das müssen wir begreifen und unseren Spielstil dem auch anpassen", erläutert Lichte, und ergänzt um das Fernziel: "Diesen Stil möchten über einen langen Zeitraum erkennbar machen und in jedem Spiel solange wie möglich durchhalten." Der demütige Umgang mit dem ersten, so wohltuenden Sieg der Saison, soll Selbstzufriedenheit entgegenwirken, verhindern, dass auch nur ein Profi in Training oder Spiel weniger investiert als zuletzt. Dies ließ Lichte seine Profis vor dem trainingsfreien Dienstag wissen. "Ich habe das heute in der Kabine angesprochen, was bei uns passiert, wenn wir zufrieden sind, und die Jungs auch gefragt: Was passiert in euren Köpfen? Sie sollen sich Gedanken machen. Denn ohne 100 Prozent wird es für uns kaum möglich sein, ein Spiel zu gewinnen. Wenn wir die Mechanismen begreifen, die bei uns in den Köpfen ablaufen, wird uns das helfen."

Nach dem verdienten Sieg in Freiburg erwartet der Cheftrainer von seinem Team, die Leistung aus dem Breisgau zu bestätigen.

Helfen, möglichst konstant das abzurufen, was im Team steckt, was man sich in den Trainingseinheiten gemeinsam erarbeitet. Er werde sich in den kommenden Tage genauestens anschauen, "wer genau so hart arbeitet, wie die letzten Wochen". Immerhin lauerten stets andere Spieler auf ihre Einsatzchancen, unterstreicht der Cheftrainer die Qualität der Einheiten im großen Kader. "Das Spiel in Freiburg haben wir nicht einfach so gewonnen", weswegen eine Form von Leichtigkeit nun der falsche Ratgeber wäre. "Mit 'leicht' sind wir selten erfolgreich gewesen", wird der Cheftrainer nicht müde, den Ansatz für das Duell mit Hoffenheim wie auch für die weiteren kräftezehrenden Wochen bis zum Jahreswechsel zu betonen. Den Unterschied in Analysen zu veranschaulichen zwischen 100 Prozent und dem, womöglich entscheidenden, Tick weniger. Nicht zufällig waren am achten Spieltag mit Leandro Barreiro (13,17 Kilometer), Jean-Paul Boëtius (12,92 Kilometer) sowie Levin Öztunali (12,78 Kilometer) gleich drei 05ER ligaweit in den Top 5 der laufstärksten Akteure zu finden: "Es geht jetzt für jeden Einzelnen darum, zu zeigen: 'Ich habe verstanden.' Dann werden wir auch gegen Hoffenheim wieder ein gutes Spiel machen." Es ist die nächste schwere Prüfung, die die 05ER gemeinsam bestehen wollen.