Engagement 27.01.2025 - 13:30 Uhr
"Plötzlich war alles anders"
Zeitzeugin & Überlebende: Eva Szepesi erlebte in Ungarn eine glückliche Kindheit, bevor sie von den Nationalsozialisten verschleppt, im Januar 1945 aber doch noch gerettet wurde
Zum 80. Mal jährt sich zu Wochenbeginn die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Ein Ort, an dem während des 2. Weltkriegs über Jahre unmenschliche sowie unfassbare Gräueltaten an rund einer Millionen Menschen verübt wurden, die die Gefangenschaft unter den Nationalsozialisten nicht überlebten. Während der deutsche Fußball gemeinsam mit seinen Fans jedes Jahr rund um den 27. Januar der Verbrechen gedenkt, sind es die Berichte von Zeitzeugen, die wirklich unter die Haut gehen und die Kernbotschaft !Nie Wieder umso bedeutungsvoller wirken lassen.
Vor wenigen Wochen hatte 05ER.tv die Gelegenheit, mit Eva Szepesi eine der wenigen verbliebenen Überlebenden zuhause in Frankfurt zu besuchen. Die heute 92-Jährige, die im Alter von nicht einmal zwölf Jahren für immer von ihrer Familie getrennt wurde, berichtete dabei ebenso eindrucksvoll wie eindringlich von ihren Erlebnissen. Nach ihrer Rettung aus Auschwitz hatte sie ein halbes Jahrhundert nicht darüber reden können, wie sie erzählt.
Stimme der Verstummten als Sinn des Lebens
Die 1932 in Budapest geborene Szepesi erinnert sich an "glückliche Kindheit". Mit den sogenannten Rassengesetzen, die zu Beginn der 40er Jahren auch Ungarn erreichten, sei diese beendet gewesen: "Plötzlich war alles anders. Freunde wollten nicht mehr mit mir spielen, nicht mehr mit mir sprechen, haben mich nicht mehr anerkannt. Es tut weh, von den besten Freunden plötzlich ausgegrenzt zu werden", schildert sie das kaum Begreifbare, was ihr in jungen Jahren widerfahren war. Dass die Reise in die Slowakei, auf die sie ihre Mutter wenig später schicken sollte, eine Flucht - und tragischerweise auch einen Abschied für immer von Mutter und dem kleinen Bruder Tamás bedeuten sollte -, wurde ihr erst viel später bewusst, erklärt sie weiter. Wie geplant zu einem späteren Zeitpunkt nachzureisen, war ihnen nicht gelungen. Noch Jahrzehnte nach dem Ende des Kriegs hatte sie auf ein Wiedersehen gehofft. Beide waren aber, wie Szepesi erst 2016 im Rahmen einer Auschwitz-Reise bestätigt wurde, dort ermordet worden.
Sie selbst, die 1944 aus der Slowakei ins Konzentrationslager verbracht worden war, gehört zu den Wenigen, die die Gefangenschaft überlebten. "Krank und schwach" und inmitten von unzähligen Toten, war sie am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee gerettet worden. Aus dieser Tatsache leitet sie bis heute den Sinn ihres Lebens ab: "Meine Mutter, mein Vater, mein kleiner Bruder und viele andere Menschen wurden ermordet und stumm gemacht. Insofern ergibt es für mich einen Sinn, dass ich weiterleben durfte." Ihre eigene Geschichte sowie die ihrer ermordeten Familienangehörigen erzählt sie bis heute, stets verbunden mit ihrem eindringlichen Appell: "Niemand darf schweigen, wenn er Ungerechtigkeiten bemerkt. Man muss aufstehen und widersprechen!"