U15 23.10.2017 - 09:31 Uhr
Freude in der Ernsthaftigkeit
Patrick Kaniuth hat als U15-Trainer seine erste hauptamtliche Trainerstation angetreten.
Ein Quereinsteiger auf geradlinigem Weg: Nur sechs Jahre nach seiner ersten Trainerstation ist Patrick Kaniuth seit Saisonbeginn hauptamtlicher Fußballtrainer. Am Bruchweg ist der 32-Jährige für den Jahrgang 2003 verantwortlich, mit dem er im Sommer von der U14 zur U15 aufrückte.
„Hätte mir vor fünf Jahren jemand gesagt, dass ich heute als Vollzeit-Trainer im Mainzer Nachwuchsleistungszentrum sitze, hätte ich ihn ganz sicher für verrückt erklärt“, so Kaniuth. Damals befand er sich nach einer kaufmännischen Ausbildung im Sportstudium an der Frankfurter Goethe-Universität und betreute nebenbei die U10 des FSV. „ich habe vorher nie daran gedacht, Trainer zu werden. Der Kontakt zum FSV kam über einen Dozenten zustande und plötzlich war ich U10-Trainer und hatte sofort richtig Freude daran.“ So sehr, dass Kaniuth den Jahrgang anschließend über vier Jahre begleitete, auf Lehramt studierte und die A-Lizenz machte.
Nach einem Jahr als Teilzeittrainer und -lehrer sitzt Kaniuth heute im Büro neben Bo Svensson und Sören Hartung - „das schien mir eigentlich immer unerreichbar, wenn ich mal mit meiner Mannschaft in Mainz zu Gast war“. Lange überlegen musste Kaniuth beim Job-Angebot in Mainz dementsprechend nicht, auch „wenn ich nie etwas gefordert hätte. Ich will hier in erster Linie gute Arbeit abliefern und mich genauso weiter verbessern, wie ich es von meiner Mannschaft erwarte.“
Die stellt den Trainer vor eine Vielzahl an Aufgaben, auch wenn „man oft gefragt wird, was man als U15-Trainer eigentlich den ganzen Tag macht“, lacht Kaniuth. Neben der Trainingsarbeit und den Spielen in der Liga oder bei Leistungsvergleichen mit anderen NLZ-Teams gehören dazu die Vor- und Nachbereitung, die Videoanalyse, das Vormittagstraining in den Kooperationsschulen, die Koordination von Individualisierungsmaßnahmen und Auswahllehrgängen und das Scouting – und bei alledem bleibt die Herausforderung, nicht nur Trainer, „sondern auch ein Freund zu sein und Vertrauen zu vermitteln. Ich finde es extrem wichtig, sich auch über die Interessen der Spieler immer im Klaren zu sein. Jugendliche können sich in diesem Alter sehr schnell verlieren. Die Jungs haben alle schon eine große Etappe im Fußball hinter sich gebracht, aber der Weg nach oben ist immer noch lang. Gerade jetzt ist es entscheidend, den Spaß am Fußball und die Leichtigkeit zu behalten und auch auf den Platz zu bringen.“
Rein sportlich ist die Umstellung aufs Großfeld ein ähnlich wichtiger Schritt wie die Umsetzung der körperlichen Entwicklung. „Das macht es natürlich total spannend in dem Altersbereich, weil in sehr kurzer Zeit sehr viel passieren kann und sich für jeden Spieler die Voraussetzungen und beispielsweise das Anforderungsprofil durch einen Wachstumsschub komplett verändern können.“
Bei aller Fokussierung auf den Leistungssport und der Kunst der Belastungssteuerung will Patrick Kaniuth aber vor allem für eine richtige Einordnung des „Hobbys Fußball sorgen. Niemand kann bei einem U15-Spieler sagen, ob er jemals vor 40000 Zuschauern spielen wird. Unser großer Auftrag ist es deshalb auch, die Jungs nicht zu überfrachten. Drucksituationen gibt es in diesem Alter schon genug und es kommen viele externe Faktoren dazu, bei denen man die Sinnhaftigkeit schon sehr kritisch hinterfragen muss.“
Sportartikelhersteller, die Kinder und Jugendliche mit Ausrüsterverträgen ausstatten oder Berater, die in diesem Alter mehr Verwirrung stiften als beraten. „Das sind Belastungen, die zunehmend Einzug nehmen und deren Auswirkungen man gar nicht wirklich einschätzen kann. Wie soll sich ein 14-Jähriger vor dem Spiel fühlen, wenn dann plötzlich sein Berater am Spielfeldrand steht? Das baut Druck auf, der angesichts der völlig unklaren Perspektive in diesem Alter überhaupt keinen Sinn hat. Ein Spieler mit einem Vertrag von Firma XY hat auf einmal etwas zu verlieren, wird vielleicht von anderen beneidet und erfährt nicht mehr, dass er selbst hart dafür arbeiten muss, die neuesten Schuhe zu bekommen oder am Ende Profi zu werden. Und das sind Erfahrungen, die sich in diesem Alter schnell auch auf alle anderen Bereiche übertragen können.“
Herausforderungen für die Vereine und in der täglichen Arbeit für den Trainer: „Klar, da müssen wir soweit es möglich ist, intervenieren, müssen die Jungs immer wieder abholen und ihnen die richtigen Beispiele zeigen. Mir ist es wichtig, ihnen bei diesen ganzen Nebengeräuschen das Gefühl zu geben, dass sie hier Spaß an ihrem Hobby haben können, dass sie alles, was wir gemeinsam erarbeiten und lernen auch anwenden dürfen - und dabei auch Fehler erlaubt sind.“