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Profis 21.10.2016 - 13:09 Uhr

Heidel: "Mainz wird meine Heimat bleiben"

Christian Heidel im Interview vor dem ersten Aufeinandertreffen mit seinem Herzensverein

Christian Heidel prägte bei den 05ern eine Ära. ©rspc

Nach mehr als 25 Jahren verließ unser Ex-Manager Christian Heidel Mainz 05, um auf Schalke noch einmal etwas Neues kennenzulernen. Was lange unvorstellbar schien, wird am Sonntagnachmittag in Gelsenkirchen Realität. Heidel trifft als Gegner auf „seinen“ FSV. Im Interview mit mainz05.de spricht er über seine Gefühle im Vorfeld der Begegnung, den Start in Gelsenkirchen und sein neues Verhältnis zu den 05er.

Hallo Christian, wir dürfen beim 'Du' bleiben, oder?

Heidel: Ich glaube es gibt in Mainz weiterhin kaum jemanden, der mich siezt. Das kann gerne so bleiben.

Offiziell bist du nun seit fast vier Monaten Manager bei Schalke 04. Seitdem hast du einen neuen Trainer und zahlreiche neue Spieler verpflichtet. Wie fällt das Fazit der ersten Saisonphase aus?

Heidel: Dass der Start holprig werden konnte, da wir eigentlich keine Vorbereitung mit der kompletten Mannschaft hatten, war mir schon bewusst. Allerdings habe ich mir nicht vorstellen können, dass wir mit fünf Niederlagen starten. Da gibt es nichts schönzureden. Das ist natürlich ein Fehlstart.

Schalke 04 steht nach sieben Spieltagen auf dem Relegationsplatz. Dieser Tabellenregion sind wir 05er seit dem Wiederaufstieg 2009 konsequent fern geblieben. Wie gehst du als Manager mit dieser Situation um?

Heidel: Als ich mich in Mainz verabschiedete, habe ich ja erklärt, dass ich mal was ganz Neues erleben möchte. Mit dem Tabellenplatz hat das ja schon mal gut geklappt, werden viele sagen. Aber wir müssen diese unangenehme Situation sehr ernst nehmen und punkten, um da unten rauszukommen. Leider kommt jetzt nach Coke mit dem Ausfall von Embolo weiteres Verletzungspech dazu.

Kannst du dabei Erfahrungen aus deiner früheren Mainzer Zeit einbringen, oder ist das jetzt auf Schalke eine ganz eigene Welt mit eigenen Gesetzen?

Heidel: Natürlich ist es gut, dass ich da Erfahrungen aus lange vergangenen Mainzer Zeiten habe. Oberste Priorität ist Ruhe bei den Verantwortlichen, in der Mannschaft und im Verein.

Im Umfeld von Schalke 04 scheint die erste sportliche Krise, entgegen der Vorjahre, besonnener aufgenommen worden zu sein. Wie gelingt es mit der dennoch hohen Erwartungshaltung umzugehen?

Heidel: Ich glaube gar nicht, dass die Erwartungshaltung so hoch ist, wie von den Medien dargestellt. Den Menschen auf Schalke ist schon bewusst geworden, dass man hier viel verändern muss, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Deshalb will natürlich jetzt niemand gegen den Abstieg kämpfen. Für viele Schalke-Kenner war es aber schon überraschend, wie die Fans mit der Situation bislang umgegangen sind.

Fußballbegeisterung auf Schalke mit Mainz vergleichbar

Wodurch unterscheiden sich die Mentalität und insbesondere die Einstellung der Menschen zum Fußball im Ruhrpott von der in DEINER Heimat?

Heidel: Die Mentalität der Menschen im Ruhrpott kommt der der Mainzer eigentlich sehr nahe. Man geht sehr offen und direkt miteinander um und ist von Natur aus immer etwas skeptisch. Der Fußball überstrahlt in Gelsenkirchen und in der Region einfach alles. Egal wo du hinkommst wird über Schalke gesprochen und diskutiert. Ins Trainingslager sind 1.500 Fans mitgekommen, zu einem Freundschaftsspiel gegen Bilbao kommen 45.000 in die Arena und zur Saisoneröffnung 120.000. Heute hat es hier geregnet und trotzdem waren über 1.000 Leute beim Training. ‚Wir leben Dich‘ ist ja der Slogan des Vereins und das kann man wirklich sehen und spüren. Dieses ganze Schalke-Gefühl ist schon außergewöhnlich.

In Mainz hast du jeden Winkel in der Stadt gekannt. Hast du dich in deiner neuen Heimat auch privat schon eingelebt?

Heidel: Ja, wirklich sehr gut! Wir wohnen in Essen, 20 Kilometer von der Arena entfernt. Dort fühlen wir uns sehr wohl. Der Baldeneysee ist nur einen Steinwurf entfernt und es gibt hier sehr viel Grün. Von der Stadt, das betrifft Essen wie Gelsenkirchen, habe ich noch nicht viel gesehen, da mir einfach die Zeit fehlte. Das werde ich sicherlich bald mal nachholen können. Hier gibt es so viele große Städte auf engem Raum. Langweilig wird es sicher nie werden.

In mehr als zwei Jahrzehnten am Bruchweg wurden naturgemäß viele enge Beziehungen aufgebaut. Welche Kontakte zu Mainz 05 pflegst du auch heute noch regelmäßig?

Heidel: Eigentlich habe ich gar keinen Kontakt verloren und das freut mich sehr. So viele Menschen bei und um Mainz 05 sind zu Freunden geworden und werden es auch bleiben. Meine Eltern und großen Kinder wohnen ja weiterhin in Mainz und natürlich komme ich oft zurück. Der Ruhrpott ist mein neues zu Hause, aber Mainz ist meine Heimat und wird es auch bleiben. Ich war wirklich sehr berührt davon, wie viele 05er mir nach unserem ersten Saisonsieg gegen Mönchengladbach telefonisch oder per SMS gratuliert haben.

Großes Kompliment an Rouven Schröder

Mit deinem Nachfolger Rouven Schröder verbindet dich eine gemeinsame Übergangszeit. Wie beurteilst du nun nach einigen Monaten seinen Einstieg bei Mainz 05?

Heidel: Ich habe immer gesagt, dass ich eine gute Lösung für Mainz 05 suchen und finden werde. Ich glaube, das ist mir zum Abschied auch gelungen, denn Rouven ist sogar eine sehr gute Lösung. Ich habe schon bei unseren ersten Gesprächen das Gefühl gehabt, dass er zu Mainz 05 passt. Die gemeinsame Übergangszeit war perfekt. Er konnte dann sofort starten und macht einen tollen Job. Großes Kompliment.

Und wie bewertest du den sportlichen Start der 05er in die Saison?

Heidel: Das ist überhaupt keine Überraschung für mich. Mit Baumi ging nur ein gesetzter Feldspieler und es wurden Top-Spieler dazu geholt. Mit Martin Schmidt hat man einen außergewöhnlichen Trainer, der diese Mannschaft immer weiterentwickelt. Mainz 05 wird eine gute Rolle spielen. Da ist Vieles möglich.

Wie verfolgst du die Spiele der 05er eigentlich? Aufgrund des Spielplans sind Schalke und Mainz ja häufig parallel am Start …

Heidel: Durch die vielen Sonntagsansetzungen konnte ich nicht alle Spiele verfolgen. Aber ich bin ehrlich, jedes Live-Spiel ist für mich noch irgendwie komisch. Das kannte ich ja gar nicht. Ich ertappe mich dann selbst dabei, auf wie viele Details ich noch immer achte.

Gespannt auf die Gefühlslage

Am Sonntag kommt es zum ersten offiziellen Wiedersehen mit den 05ern. Völlig ausblenden kannst du deine Emotionen dabei vermutlich nicht. Bist du froh, dass dieses erste Duell nun auf Schalke stattfindet und bis zur Rückkehr in die OPEL ARENA noch einige Monate Zeit bleiben?

Heidel: Da bin ich wirklich froh. Wenn man fast 25 Jahre bei einem Verein in der Verantwortung war und davor 20 Jahre im Fanblock gestanden hat, kann man das nicht von heute auf morgen abschütteln. Und das will ich auch nicht. Hier in der Arena wird mir das dann vielleicht am Sonntag nicht ganz so bewusst. Ich bin selbst gespannt. Natürlich ist das für uns ein sehr wichtiges, aber auch ein sehr schwieriges Spiel, das wir unbedingt gewinnen wollen. Danach wünsche ich Mainz 05 aus vollem Herzen Tore und Punkte ohne Ende. Nur nicht in einem einzigen Spiel der Rückrunde.

Eine Woche nach unserem gemeinsamen Spiel tritt Schalke 04 bei Borussia Dortmund an. Steht deine Mannschaft im Spiel gegen Mainz 05 daher besonders unter Erfolgsdruck?

Heidel:  Niemand denkt am Sonntag an die kommende Woche. Natürlich ist das Derby ein ganz besonderes Spiel hier im gesamten Ruhrgebiet. Aber das ändert nichts an unser Herangehensweise am Sonntag. Schon aus meiner Zeit in Mainz wissen die meisten, dass mich hypothetische Fragen noch nie interessiert haben.

Auf was freust du dich am Sonntag am meisten?

Heidel: Erst einmal auf den Besuch von vielen Freunden aus Mainz bei mir zu Hause in Essen. Auf meinen Freund Milan, der treusten Seele, der sich mit seinem silbernen Hasekastenbus auf die Reise zu mir macht. Dann auf Mainz 05, auf einen tollen Klub, auf viele langjährige Wegbegleiter im Vorstand, mit denen ich so viel erlebt habe. Auf die Spieler und auch die Fans. Und auf Martin, den ich als Mensch und Trainer so sehr schätze, gemeinsam mit seinem Trainerteam. Leider kann ich jetzt nicht alle aufzählen. Mir waren und sind so viele Menschen bei Mainz 05 wichtig und ich freue mich wirklich auf alle.

Dann freuen wir uns auf ein tolles Spiel und danken dir für das Gespräch!