Profis 04.10.2023 - 16:00 Uhr
Heidel: "Optimistisch, dass wir uns da rausarbeiten“
Ein Interview mit dem Sportvorstand der 05ER über Erwartungshaltungen, seinen Optimismus und positive Unterstützung für Trainer und Mannschaft.
Christian Heidel hat längst in den Kampfmodus geschaltet. Der missglückte Saisonstart mit einem Punkt aus sechs Partien und saisonübergreifend elf Partien ohne Sieg in der Bundesliga hat den Vorstand Sport & Kommunikation in einen anderen Aggregatzustand versetzt. Der 60-Jährige ist wachsam, präsent, mahnt zu Ruhe und Geschlossenheit - und beschwört damit jene Mainzer Tugenden, die sich in der Vergangenheit immer bewährt haben. Ein Interview mit dem dienstältesten Bundesliga-Manager über Erwartungshaltungen, seinen Optimismus und positive Unterstützung für Trainer und Mannschaft.
Hallo Christian, Mainz 05 steht nach sechs Spieltagen am Ende der Tabelle. Was löst dieser Anblick bei dir aus?
Christian Heidel: Das ist natürlich keine schöne Situation und wir hätten uns alle einen erfolgreicheren Saisonstart gewünscht und nach der guten Sommervorbereitung auch erhofft. Aber wir dürfen deswegen nicht in Selbstmitleid zerfließen, wir müssen diese Situation annehmen und gemeinsam dagegen ankämpfen. Genau in diesem Modus bin ich.
Wo hat deine Ursachenforschung angesetzt?
Christian Heidel: Vielleicht blicken wir noch mal zurück in die vergangene Saison. Da haben wir zehn Spiele in Folge nicht verloren und im zehnten Spiel dieser Serie sogar den FC Bayern wieder mal daheim geschlagen. Ich habe mich damals von der aufkommenden Euphorie nicht mitreißen lassen und gemahnt, dass wir immer realistisch bleiben müssen. Unsere Leistungen waren zwar gut, aber wir waren keine Überflieger, wurden dafür überdurchschnittlich mit Punkten belohnt. Als hätte ich eine Vorahnung gehabt. Die Erfahrung lehrt leider, dass Durststrecken immer wieder vorkommen können, dass dies insbesondere für Mainz 05 eine Situation ist, die einfach passieren kann. Und meistens kommt diese dann oft gefühlt aus dem Nichts, erwischt dich ein wenig auf dem falschen Fuß. Das ist im Fußball manchmal schon speziell, damit muss man umgehen können.
Hat die vergangene Saison noch auf diese nachgewirkt?
Christian Heidel: Das würde ich so nicht sagen. Die Mannschaft war im Saisonfinale ein wenig müde und hat bei den Niederlagen, die unserer Ungeschlagen-Serie gefolgt sind, vielleicht auch etwas die Köpfe hängen lassen. Mit dem tollen Spiel in Dortmund hat sie aber einen guten Abschluss hinbekommen. Die Saisonvorbereitung war gut, die Kaderplanung ist in unserem Sinne verlaufen. Aber dann spielen plötzlich mehrere Faktoren mit rein. Wir haben unglückliche Spielverläufe, starten mit einem Gegentor in der ersten Saisonminute bei Union Berlin und liegen mit der zweiten Torchance nach neun Minuten 0:2 hinten, verschießen dort noch zwei Elfmeter. Gegen die Eintracht fangen wir nach gutem Spiel in der Nachspielzeit den Ausgleich, in Bremen bekommen wir mit dem ersten Angriff den Elfmeter gegen uns, in Augsburg verhindert eine kaum wahrnehmbare Abseitsentscheidung unser 2:0, stattdessen fangen wir uns postwendend den Ausgleich, gegen Leverkusen geraten wir durch ein Eigentor in Rückstand. Da ist das Verletzungspech mit bis zu sechs Verteidigern und wichtigen Stammkräften, die nicht einsatzfähig waren. Aber da sind auch zu viele individuelle Fehler und verlorenes Selbstbewusstsein, was im Profisport leider ein elementarer Faktor ist, und dich einfach zusätzlich noch falsche Entscheidungen auf dem Platz treffen lässt.
Was gibt dir dennoch Hoffnung, dass Trainer und Mannschaft die Kurve bekommen?
Christian Heidel: Am wichtigsten ist, diese Situation anzunehmen. Dazu gehört für uns im sportlichen Bereich, dass wir intern offen und kritisch analysieren und gemeinsam Wege aus dieser Krise erarbeiten. Dass wir uns durch Rückschläge nicht von diesem Weg abbringen lassen und unsere Reihen geschlossen halten. Genau so erlebe ich Trainer und Mannschaft, sehr selbstkritisch, fokussiert und voller Energie. Das Team macht auch einen guten, positiven Eindruck, zieht an einem Strang. Wir strecken uns in allen Bereichen, dass es wieder besser läuft, drehen an allen Schrauben. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir uns gemeinsam da auch wieder herausarbeiten, auch wenn wir in keinem Spiel eine Ergebnisgarantie haben werden.
Wie empfindest du die Stimmung bei den Fans?
Christian Heidel: Da ist natürlich Enttäuschung, das ist doch ganz klar. Aber es ist keine destruktive Stimmung, eher einen aufbauende, wohlwollende. Und das ist der andere sehr wichtige Faktor, wie wir wieder aus dem Schlamassel kommen können. Niemand muss uns für diesen Saisonstart feiern, darum geht es nicht. Aber mit einer geschlossenen Unterstützung durch unsere Fans steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Umschwung wieder schaffen. Das ist das Rezept, das wir in Mainz in der Vergangenheit erfolgreich angewendet haben. Aus meiner Sicht ist es das einzig richtige. Trainer und Mannschaft haben zweieinhalb Jahre sehr erfolgreich gearbeitet, sie haben sich diesen Rückhalt wirklich verdient. Und man muss für manche Kritiker an dieser Stelle wahrscheinlich auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir einer der wirtschaftlich kleinsten Bundesliga-Standorte sind, seit unserem Wiederaufstieg 2009 neben uns überhaupt nur sechs andere Klubs ununterbrochen in der Bundesliga gespielt haben und wir Jahr für Jahr einfach mit allen Mitteln und aller Leidenschaft dafür kämpfen müssen, auch im nächsten Jahr wieder zu dieser Elite gehören zu dürfen.
Nach dem Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen hast du die Fans bereits auf den Abstiegskampf eingeschworen …
Christian Heidel: Mir ging es darum, bei allen dieses Bewusstsein für unsere Situation zu schaffen. In der Branche nennt man das eben Abstiegskampf, dann weiß jeder, woran er ist. Natürlich ist am sechsten Spieltag nichts besiegelt, aber wir sollten davon ausgehen, dass wir auf dem Weg heraus aus dem Tabellenkeller auch weiterhin Geduld und einen langen Atem benötigen. Das ist auch gar nicht schlimm, wir waren nur zwei Jahre lang davon befreit. Und am Ende liegt darin auch die Chance, dass wir aus der Überwindung dieses Tiefs wieder Stärke ziehen können.
Danke für das Gespräch!