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Verein 29.12.2020 - 16:30 Uhr

"Zeigen, dass wir wirklich Mainzer sind"

Energie, Leidenschaft, Kampfbereitschaft: Christian Heidel und Martin Schmidt versprühen nach ihrer Rückkehr Zuversicht, benennen aber gleichzeitig wichtige Voraussetzungen für eine Wende zum Guten

Heidel & Schmidt am Dienstag auf dem Rasen der OPEL ARENA.

Es war ein Auftritt, der vielen Fans aus dem Herzen sprach. Die offizielle Vorstellung von Christian Heidel, seit Montag Vorstand Strategie, Sport und Kommunikation, und Martin Schmidt, dem neuen Sportdirektor (beide ausgestattet mit Verträgen bis 2022), zeugte von Aufbruchsstimmung, Kampfeslust und dem authentisch vermittelten Glauben daran, die prekäre Situation gemeinsam zum Guten wenden zu können. Allerdings, so betonte Rückkehrer Heidel, sei er mitnichten zurück, um als alleiniger Heilsbringer zu agieren. Durch Handauflegen seiner Person werde die Mission Ligaverbleib nicht erfolgreich enden, dafür, so der 57-Jährige, brauche es vielmehr alle Mainzer, und eine Mannschaft, die sich wehren müsse und werde.

"Es ist schon das Gefühl, nach Hause zu kommen", sagte der gebürtige Mainzer rund viereinhalb Jahre nach seinem Abschied vom Bruchweg. "Ich bin seit gestern zurück und es hat sich viel verändert. Dennoch ist Mainz 05 immer mein Klub geblieben. Ich fühle mich gut", erläuterte er zunächst nüchtern, bevor er, in altbekannter, offen-authentischer Manier sowie ein Stück weit emotional, tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt erlaubte: "Schockiert" sei er zuletzt häufig gewesen, insbesondere beim Blick in die Kommentarspalten der sozialen Medien. Ihm gehe es darum, "wie man miteinander umgeht. Ich möchte den Mainzern sagen: Es geht nur gemeinsam! Wenn man oben steht, ist es einfach, und wir sind jetzt in der Bringschuld als Verein. Aber diese Stimmung kenne ich nicht, es darf nichts mit persönlichen Beleidigungen zu tun haben. Es geht nur in eine Richtung. Es sind Fehler passiert, die uns früher auch passiert sind. Doch entweder wir sind Mainzer und stehen zusammen, oder wir sind es eben nicht. Man kann Kritik äußern, muss aber das Gefühl haben, dass das immer noch mein Verein ist." Dieses Gefühl, es dürfe nie verloren gehen, dessen solle sich jeder und jede bewusst sein. "Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Wir müssen alle zeigen, dass wir wirklich Mainzer sind. Dann haben wir eine Chance. Alle sagen, wir sind schon abgestiegen. Aber wir werden uns wehren und das muss heute anfangen. Das ist der Appell an alle, denen Mainz wichtig ist", so Heidel energisch.

Angesichts der Worte der Manager-Legende, der die 05ER in 25 Jahren Amtszeit einst aus den unteren Gefilden von Liga zwei bis in die Bundesliga und die Europa League geführt hatte, war das Feedback der Fans auf 05ER.tv während der live übertragenen Pressekonferenz nahezu einhellig, und angesichts der vorangegangen Ausführungen gleichzeitig Balsam auf die Seele. Warme Worte und Herz-Emojis hoffnungsvoller Fans und Sympathisanten dominierten den Live-Chat. Ein geglückter Impuls, ein Neubeginn mit neuen, alten Gesichtern, für die der FSV Herzensangelegenheit ist, wie auch der ehemalige Cheftrainer Schmidt betonte: Was er empfinde nach seiner Rückkehr an alte Wirkungsstätte? "Große Dankbarkeit und Herzensmotivation. Ich habe Mainz 05 sehr viel zu verdanken und sitze jetzt mit vielen wertvollen Erfahrungen hier, um dem Verein, der Stadt und auch den Fans etwas zurück zu geben."

Wer folgt auf Lichte?

Die erste große Herausforderung wartet auf das Duo dabei bereits vor dem anstehenden Spiel beim FC Bayern München am Sonntagabend. Zwar schloss Schmidt nicht aus, dass Jan Siewert das 05-Team beim Rekordmeister als Interimslösung betreuen werde. Dennoch solle kurzfristig, spätestens zu Beginn der neuen Woche, auch auf der Position des Cheftrainers eine langfristige Lösung als Nachfolger des am Montag freigestellten Jan-Moritz Lichte präsentiert werden. Dass der Name Bo Svensson, langjähriger Profi und Trainer im Nachwuchsleistungszentrum des FSV, nicht völlig abwegig sei, bestätigte der Schweizer, ohne sich in Sachen Gedankenspiele weiter in die Karten schauen zu lassen. Es gebe ein klares Profil mit Anforderungen: "Vorwärts zu den Wurzeln", solle es heißen. "Wir wollen den Fußball spielen, der Mainz 05 immer ausgemacht hat. Balljagen, Pressing, Umschaltfußball. Der Trainer muss das Profil mitbringen, wir wollen dahinterstehen und ihn stützen." Der "Chef im Verein", die prägende Figur des 05-Fußballs solle der neu Coach werden. "Und dann wollen wir uns wehren gegen Widerstände, gegen den 17. Platz. Den Wind können wir nicht drehen, aber wir können die Segel anders setzen und uns gegen alle Widrigkeiten wehren."

29.12.2020

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Weder Heiland noch Messias

Das Versprechen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die 05ER vor dem zweiten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte zu bewahren, es steht. Eine anspruchsvolle Mission, die sowohl Schmidt als auch Heidel dem Team, das sie nun zunächst kennenlernen möchten, zutrauen, gleichzeitig aber warnen vor überhöhten Erwartungen. "Die Annahme, Mainz 05 gewinnt jetzt alle Spiele, ist vermessen. Ich kann nur versprechen, dass wir alles dafür tun, wieder in die Spur zu kommen. Ich bin weder Heiland noch Messias. Auch in der Vergangenheit war nicht alles optimal, wir hatten nicht immer ein ausverkauftes Stadion, nicht nur rauschende Fußballfeste. Wir hatten schwierige Situationen, haben sie aber wieder in den Griff bekommen. Das ist auch jetzt unsere Aufgabe. Es geht nur gemeinsam", wiederholte Heidel die aus seiner Sicht alles entscheidende Grundvoraussetzung bei diesem Unterfangen.

"Wir müssen zu diesem Zusammenhalt zurück, wie wir ihn in alten Zeiten erlebt haben", forderte er, ohne allzu nostalgisch werden zu wollen, aber mit der Bitte um Rückbesinnung. "Wir müssen positiv hinter den Jungs auf dem Rasen stehen, das ist der Weg, der funktionieren kann. Und ich traue mich zu versprechen, dass die Mannschaft den Rasen umpflügen wird." Gelingt es Heidel, der sich zuletzt gut anderthalb Jahre Abstand vom Fußball genehmigt hatte, die am Dienstag versprühte Energie und Leidenschaft gemeinsam mit Schmidt und dem neuen Cheftrainer aufs Team zu übertragen, dürfte daran kein Zweifel bestehen. "Der Abstand ist vorbei, jetzt geht’s los und wir stürzen uns alle auf diese nicht leichte Aufgabe." Und zwar mit bedingungsloser Leidenschaft auf und abseits des Platzes.