Profis 03.09.2023 - 12:30 Uhr
In allen Bereichen unterlegen
Svensson: "Schwer zu sehen, dass dies die gleiche Mannschaft war, die letzte Woche gegen Frankfurt gespielt hat“
Nur ein Punkt in der Tabelle, zwei selbst erzielte Treffer und neun Gegentore. Der 1. FSV Mainz 05 ist in den ersten drei Bundesligaspielen der neuen Saison nicht richtig aus den Startlöchern gekommen. Die Mannschaft von Bo Svensson hat knapp eine Woche nach dem grundsätzlich guten Auftritt im Nachbarschaftsduell vor eigenem Publikum gegen Eintracht Frankfurt (1:1), als lediglich ein Gegentreffer in der Nachspielzeit den ersten Saisonsieg verhinderte, eine Auswärts-Vorstellung im Bremer Weserstadion gegeben, die die Protagonisten nachdenklich stimmte. Die Mainzer traten mit einer auch in dieser Höhe verdiente 0:4-Niederlage beim SV Werder die Heimreise an und kassierten damit nach dem Gastspiel bei Union Berlin (1:4) zum zweiten Mal hintereinander in einer Auswärtspartie vier Gegentore.
Zum zweiten Mal früh Geschenke verteilt
"Wir waren in allen Bereichen unterlegen, auch in der Mentalität. Das ist das Schlimmste und darf uns nicht passieren. Schon im letzten Auswärtsspiel haben wir einen auf den Sack bekommen und heute wieder. Das geht nicht“, sagte Robin Zentner mit entsetzter Miene nach dem Abpfiff vor den Fernsehkameras. Sein Cheftrainer zeigte sich regelrecht geschockt von den 90 Minuten, die sein Team an der Weser abgeliefert hatte, betonte mehrfach, dass dies in seiner Verantwortung liege und ihn zum Nachdenken bringe. "Es war schwer zu sehen, dass dies die gleiche Mannschaft war, die letzte Woche gegen Frankfurt gespielt hat.
"Das bringt uns zum Nachdenken“, wiederholte sich Svensson in der Pressekonferenz. "Ein erschreckender Auftritt von uns, das muss man echt sagen. Es hilft nicht, wenn wir im zweiten Auswärtsspiel hintereinander schon in den ersten Minuten Geschenke verteilen und ein Gegentor bekommen“, sprach der Däne über den frühen Rückstand seiner Mannschaft durch einen Elfmeter von Marvin Ducksch. "Auch danach war es taktisch, physisch und von der Mentalität her nicht annähernd gut genug. Alles, was wir uns auf die Fahnen schreiben, sind nur Worte, weil von Taten war sowohl hier als auch bei Union Berlin teilweise nichts zu sehen“, wurde der 44-Jährige deutlich.
"Keine Chance mit so einer Leistung“
Ob er eine solche Entwicklung habe kommen sehen in den vergangenen Wochen, lautete eine Frage an den Gästetrainer. Ob er im Training Tendenzen bemerkt habe, die ihm nicht gefallen hätten. "Es kommt schon etwas überraschend, denn ich fand, dass wir gegen Frankfurt ein super Spiel gemacht haben. Dann ist es erschreckend, dass wir uns fast mit den gleichen Spielern heute so präsentieren. Das muss uns zum Nachdenken bringen, denn mit so einer Leistung hast du keine Chance in der Liga. Nicht nur reduziert auf Mentalität, auch taktisch", betonte Svensson noch einmal, der in der nun anstehenden zweiwöchigen Länderspielpause, einige Themen wird aufarbeiten müssen. "Es ist schwer, weil viele Spieler wegfahren. Wir haben jetzt schon in der Kabine gesprochen, werden das auch am Sonntag weiter besprechen“, berichtete Svensson.
Um welche Inhalte sich der intensive Nachdenkprozess des 05-Trainers drehen wird, liegt im Groben auf der Hand. Wie ein solcher Auftritt in Bremen möglich war, welche taktischen oder personellen Probleme zur zweiten Niederlage mit vier Treffern führten, nachdem zu Hause gegen die Frankfurter noch vieles im Spiel der Rheinhessen stimmig gewirkt hatte. Warum das erklärte Saisonziel, weniger Gegentore zu kassieren, im Anfangsstadium dieser Spielzeit noch so sehr weit entfernt liegt. Warum es dem Team derzeit offenbar sehr schwer fällt, eigene, zielstrebige und durchschlagskräftige Angriffsaktionen zu gestalten. Dies dürften die Kernthemen sein, mit denen sich der Däne eingehend beschäftigen muss.
Teilweise kopflos und ohne Kontrolle
Und auch, warum die Mainzer in Bremen derart anfällig für Konter waren, sich von der auf giftige Balleroberungen und schnelles Umschalten ausgerichteten Werder-Spielweise so überraschen ließen, ohne im Verlauf der Begegnung praktikable Mittel dagegen zu finden. "Das ist das, was ich mit taktisch meine“, sagte Svensson. "Dazu kommt, dass ich das Gefühl hatte, dass wir immer reagiert haben, schläfrig waren. Werder war einfach wacher und spielerisch besser. Wir sind teilweise kopflos rumgelaufen, hatten gar keine Kontrolle im Spiel.“ Karim Onisiwo ergänzte: "Wenn die jeden zweiten Ball haben und die Zweikämpfe gewinnen, wird es schwer für uns, Torchancen zu kreieren. Sie waren das ganze Spiel über giftiger und galliger, wollten es mehr.“
Natürlich war es ärgerlich, schon in der dritten Minute in Rückstand zu geraten. Durch ein Foul von Andreas Hanche-Olsen an Ducksch, der den fälligen Elfmeter selbst verwandelte. Doch die 05ER erholten sich, abgesehen von zwei ansprechenden Offensivszenen von Jae-sung Lee, in der ersten Hälfte nicht so richtig von dem vermasselten Start. Die veränderte Bremer Spielweise, die nicht mehr auf den zu Borussia Dortmund abgewanderten Torjäger Niclas Füllkrug zugeschnitten ist, sondern, zumindest in dieser Partie, breit gefächert mit diversen Entfaltungsmomenten daherkam, mag zur von Svensson beschriebenen Kopflosigkeit beigetragen haben. Die Unterlegenheit in der Zweikampfführung erklärt das jedoch nicht. "Das darf uns nicht passieren“, sagte Zentner. Der 05-Torhüter selbst verhinderte mehrfach, dass seine Mannschaft schon vor der Pause höher zurücklag. In der achten Minute wehrte er einen Distanzschuss von Jens Stage mit einer Glanzparade ab, in der 39. Minute blieb er Sieger im direkten Duell mit Nick Woltemade.
Nach dem Seitenwechsel machten die 05ER mehr Druck, ohne dass daraus allerdings gefährliche Abschlüsse resultierten. Die Bremer ließen die Gäste gewähren und nutzten dann immer wieder Ballgewinne und die sich bietenden Räume zu erfolgreichen Angriffen, wie jenen zum 2:0. Das 3:0 entsprang einem Konter über den eingewechselten Justin Njinmah, der den links freistehenden, ebenfalls neu gekommenen Leonardo Bittencourt bediente (82.). Nur eine Minute später erreichte Njinmah ein Pass von Romano Schmid und es hieß 4:0.
Viel Arbeit in der Pause
"Der Start in die Saison ist nicht das, was wir uns vorgenommen haben“, räumte Dominik Kohr nach seinem 250. Bundesligaspiel ein. "Die Länderspielpause kommt jetzt ganz recht, da können wir nochmal alles analysieren, uns neu aufstellen und dann ein anderes Gesicht zeigen.“
Bo Svensson und sein Trainerteam müssen die Zeit bis zum Heimspiel in der MEWA ARENA am Samstag, 16. September (15:30 Uhr) gegen den VfB Stuttgart intensiv nutzen, in den Trainingseinheiten sowie im Testspiel gegen den Drittligisten MSV Duisburg am kommenden Samstag im Bruchwegstadion einen Weg zu erarbeiten, der zurück in die Spur und zur Mainzer Spielweise führt, deren Erfolgsaussichten in erster Linie auf leidenschaftlichem, aggressivem Fußball in einem kompakten, disziplinierten Mannschaftsverbund beruht. Mit schnellen und zielstrebigen Umschaltaktionen nach Balleroberung.