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Nachwuchs 18.11.2024 - 10:50 Uhr

Kersting: "Das schafft Identität im Verein und nach außen"

Der Direktor Nachwuchs im Interview über Durchlässigkeit, Individualisierung, Ausbau der Infrastruktur, Trainerentwicklung und den bisherigen Saisonverlauf im Leistungsbereich

Hallo Volker, das übergeordnete Ziel, das wir mit unserer Nachwuchsarbeit verfolgen, ist, Spieler für die Profimannschaft zu entwickeln. Das läuft auch in dieser Saison wieder sehr gut, oder?

Definitiv, damit können wir aktuell sehr zufrieden sein. Paul Nebel hat sich nach seiner Leih-Rückkehr aus Karlsruhe mittlerweile einen Stammplatz erobert und sein erstes Tor geschossen, wir haben mit Maxim Dal ein weiteres Eigengewächs, das fester Teil des Profikaders ist und auch Daniel Gleiber, der Kapitän unserer U23, steht regelmäßig im Kader und hat sein Profi-Debüt im Pokal gegen den FC Bayern gefeiert. Das Feedback aus dem Profibereich zu den Jungs, die, ob im Training oder im Spiel, oben mitmischen dürfen, ist positiv.

Wie schaffen wir es immer wieder, diese Durchlässigkeit bis nach ganz oben herzustellen? 

Elementar ist, dass der Verein vor sehr langer Zeit für sich definiert hat, dass das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eine der tragenden Säulen ist. Das muss man jeden Tag leben und das tut Mainz 05 vorbildlich. Damit bewirkt man, dass die Jungs dieses Vertrauen spüren, dass auf sie gesetzt wird, dass man Geduld hat mit ihnen, auch schon im Nachwuchs, um sie individuell zu entwickeln, dass sie bei den Profis mithalten können und das nötige Niveau erreichen. Das wird nicht jeder schaffen. Aber es ist uns wichtig, zu versuchen, so viele wie möglich dort hin und auch zum Spielen zu bringen.

Warum ist das so wichtig?

Es schafft Identität im Verein und nach außen. Das ist auch den Fans sehr wichtig. Es ist ein Ausdruck der Arbeit aller Beteiligten im Verein inklusive aller Mitarbeiter im NLZ, mit der wir das jedes Jahr aufs Neue schaffen können.

Manche unserer Eigengewächse entwachsen dem Verein. Brajan Gruda ist in die Premier League zu Brighton & Hove Albion gewechselt, Leo Barreiro zu Benfica Lissabon. Was ist das für ein Gefühl, wenn Jungs, die in jungen Jahren an den Bruchweg gekommen sind, zu solchen Vereinen und in solche Ligen wechseln?

Es ist auf der einen Seite ein schönes Gefühl, auf der anderen Seite würde man sie natürlich lieber weiterhin bei uns spielen sehen. Aber es ist auch Teil unserer Philosophie. Wir entwickeln die Jungs zu Bundesligaspielern, heben sie aufs nächste Level, um sie dann auch vielleicht wieder zu verkaufen. Von außen nimmt man wahr, dass hier gut ausgebildet wird. Hier kannst du zum Bundesligaspieler werden und den nächsten Schritt machen. Es ist auch ein finanzieller Aspekt dabei. Wir brauchen Transfererlöse, um diesen Verein permanent weiterentwickeln zu können. Davon haben wir als NLZ in den letzten Jahren immer wieder profitiert. Der Verein hat kontinuierlich, sowohl in Infrastruktur als auch in Personal, investiert. Damit konnten wir uns dahin entwickeln, wo wir heute sind. Und wir haben noch Potenzial für die Zukunft.

Premierentreffer für die FSV-Profis: Paul Nebel im Heimspiel gegen den BVB.

Individualisierung & Infrastruktur

Kannst du konkrete Beispiele nennen, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur?

Wir befinden uns gerade im Bau der neuen NLZ-Athletikhalle. Es stehen weitere Bauprojekte an, wie die Erweiterung der Trainingsrasenflächen und Schulungsräume sowie der Neubau von zusätzlichen Kabinen. Sicherlich stehen auch noch strukturelle Dinge an. Wir betrachten noch mal alle Bereiche, um zu sehen, wo wir uns inhaltlich weiterentwickeln und personell noch besser aufstellen können, um die Spieler besser und individueller betreuen zu können.

Individualisierung wird immer wichtiger. Wir haben mit Pascal Stolarczyk und Manuel Philippi zwei weitere Mitarbeiter, die sich vor allem in diesem Bereich bewegen. Welche Rolle spielen die beiden?

Eine elementare Rolle. Pascal betreut den Bereich Technik und Individualisierung. Manuel bearbeitet den Bereich Leistungsdiagnostik und Datenanalyse und stellt mit seiner Arbeit eine Vergleichbarkeit mit den Profis her. Damit können wir noch gezielter steuern, auf welchem Level wir die Jungs brauchen, wenn wir sie in den Seniorenbereich, also die U23 und die Profis, übergeben. Unabhängig davon ist es so, dass die Individualisierung eine immer wichtigere Rolle in der Gesamtentwicklung vom Nachwuchsspieler bis zu dieser Schnittstelle darstellt. In den nächsten Jahren wollen wir in diesen Bereich weiter investieren. Das zielt zum einen auf die Individualität der Jungs ab, aber auch darauf, wie sich das ganze Spiel weiterentwickelt.

In welchen Bereich siehst du noch Potenzial?

Wichtig ist, den Blick über den Tellerrand zu werfen. Was machen andere Nationen, was machen andere große Vereine in diesen Bereichen? Die Auseinandersetzung mit der internationalen Entwicklung, auch mit anderen Sportarten, lohnt sich.

Die Weiterentwicklung von U23-Kapitän Daniel Gleiber wurde mit dem Profi-Debüt im Pokal gegen die Bayern belohnt.

Trainerentwicklung hat hohen Stellenwert

Blicken wir nochmal auf die aktuelle Saison unserer Teams aus dem Leistungsbereich. Wie würdest du den bisherigen Saisonverlauf der U23 bewerten?

Als ordentlich, auch, wenn immer mal wieder schwächere Phasen dabei sind. Das ist nicht außergewöhnlich bei einer jungen Ausbildungsmannschaft. Aber die Jungs behaupten sich gegen erfahrene Teams in der Regionalliga Südwest, die eine hohe Leistungsdichte hat. Hier versprechen wir uns, dass die Jungs ihr hohes Entwicklungspotential ausreizen und sehen noch entsprechende Steigerungsmöglichkeiten im weiteren Saisonverlauf.

Benni Hoffmann und Chris Babatz sind wieder als Trainerteam zusammen in der U23 und haben damit auch den nächsten Schritt gemacht. Wie wichtig ist der Bereich der Trainerentwicklung für uns? 

Dieser Bereich nimmt bei uns schon seit jeher einen sehr hohen Stellenwert ein. Das sieht man auf Basis der ganzen Trainer, die bei Mainz 05 entwickelt wurden. Dafür stehen wir insgesamt als Verein und als NLZ. Deswegen ist das ein wichtiger elementarer Baustein unserer täglichen Arbeit.

Jan Kirchhoff ist ein weiteres Trainertalent, das bei unserer U19 an der Seitenlinie steht. Haben sich deine Erwartungen in ihn auch bestätigt?

Der Schritt, Jan Kirchhoff in der vergangenen Saison zu verpflichten, war ein sehr bewusster. Ein Junge aus dem eigenen Verein, der hier gespielt hat als Juniorenspieler und als Profi. Danach hat er national und international als Spieler sehr viele Erfahrungen gesammelt und hatte auch entsprechende Trainer, beispielsweise Pep Guardiola und Thomas Tuchel. Das spiegelte sich auch in unseren Beobachtungen wider, wie wir ihn als Trainer empfinden. Jetzt gehen wir gemeinsam mit ihm diesen Weg, damit er sich in Ruhe weiterentwickeln kann.

Die neue DFB-Nachwuchsliga

Jan betreut die U19 und Marc Heidmann die U17 in der neu gegründeten DFB-Nachwuchsliga. Wie bewertest du den Start des neuen Formats, das die Junioren-Bundesliga abgelöst hat?

Die Neugestaltung dieser Liga und wo uns das hinführt, wird sich erst nach der Saison genauer herauskristallisieren. Nach wie vor stehe ich zu dem Schritt. Es war richtig, diesen Weg zu beschreiten. Das Elementare wird sein, aus den Erfahrungen, die wir jetzt machen, gemeinschaftlich mit DFB und DFL, Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls wieder Anpassungen vorzunehmen, wenn sie notwendig erscheinen.

Bis jetzt hat man gesehen, dass die Spielzeit deutlich mehr verteilt wird. Man kann den kompletten Kader auf den Platz bringen. Ist das schon einer dieser Effekte?

Es gibt viele positive Effekte. Zum Beispiel war auch gewünscht, dass durch den nicht möglichen Abstieg der NLZ-Teams auch dort mutiger und nicht zu ergebnisorientiert gearbeitet wird. Trotzdem geht es auch weiterhin darum, Spiele gewinnen. Das wird man das aus einem Sportler nie herausbekommen und das wollen wir auch nicht.

Im Grundlagen- und Aufbaubereich sind wir bis zur U14 aus dem Ligensystem rausgegangen. Die U14, U13 und U12 spielen in einer NLZ-Sonderrunde, U15 und U16 gegen Jahrgangsältere in den Regionalligen. Ist auch da der Hintergedanke: Wir wollen alle Spiele gewinnen, aber wir wollen vor allem sehr gut ausbilden?

Zunächst steht die Ausbildung über das Training im Vordergrund. Das ist mit Abstand die meiste Zeit, die wir die Jungs bei uns haben. Im Spiel geht es darum, das umzusetzen, was die ganze Woche über erarbeitet wurde. Dazu gehört auch, Spiele gewinnen zu wollen. Das tragen die Jungs in sich, das sehen und fordern wir auch in jedem Trainingsspiel. Wichtig war es uns, einfach ein noch höheres Niveau für die Teams hinzubekommen. Gleichzeitig können wir in Sonderspielrunden oder Leistungsvergleichen auch andere Formate ausprobieren: Andere Spielfeldgrößen, Spieleranzahl, mit und ohne Abseits, Drittel statt Halbzeiten oder Mindesteinsatzzeiten für alle. Diese Flexibilität ist ein großer Vorteil.

"Wir investieren in die Zukunft"

Die Konkurrenz investiert, auch kleinere Vereine bauen ihre Nachwuchsleistungszentren aus, weil sie merken, welchen Mehrwert eine gute Ausbildung hat. Wie schaffen wir es weiterhin, eine der besten Akademien in Deutschland zu bleiben, unsere Nische weiterhin zu finden, um auch gegen finanzstärkere Konkurrenz zu bestehen?

Der wichtigste Punkt, den ich eingangs betont habe, ist, dass Mainz 05 der Überzeugung ist, dass das Nachwuchsleistungszentrum eine tragende Säule des Vereins ist. Damit gibt man dem Ganzen eine Wertigkeit. Daraus müssen wir in die Umsetzung kommen: schneller und innovativer zu sein, eine höhere Durchlässigkeit zu gewährleisten, ein sehr familiärer Verein zu sein, in dem sich alle Jungs wohlfühlen können, auch ihre Eltern. Das müssen wir beibehalten. Zusätzlich wollen wir die Möglichkeiten mit den Infrastrukturprojekten, die anstehen, ausbauen. Wir investieren in die Zukunft, auch im NLZ, und damit in die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen, finanzkräftigeren und größeren, Klubs.