Nachwuchs 01.07.2021 - 17:00 Uhr
Der "absolut" richtige Schritt
Jan Siewert blickt auf sein erstes Jahr als Junioren-Cheftrainer bei Mainz 05 zurück
Vor genau einem Jahr, am 01. Juli 2020, trat Jan Siewert seinen Job als Junioren-Cheftrainer im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FSV Mainz 05 an. In seinen ersten zwölf Monaten, die für Siewert "unfassbar schnell" vorbeigingen, musste der 38-Jährige die Herausforderungen der Corona-Pandemie meistern, saß als Interimstrainer für ein Spiel bei den Profis auf der Bank und arbeitet gemeinsam mit seinen Kollegen im NLZ an der zukünftigen Ausrichtung.
Im Interview spricht Siewert darüber, warum er das Jahr trotz aller Herausforderungen dennoch als erfolgreich betrachtet, ob der Schritt zum Junioren-Cheftrainer für ihn der richtige war und über die "fantastische" Zusammenarbeit mit dem Profibereich.
Hallo Jan, herzlichen Glückwunsch zum Einjährigen! Gefühlt ging dein erstes Jahr als Junioren-Cheftrainer schnell vorbei.
Jan Siewert: "Unfassbar schnell! Man hätte denken können, dass es sich mit der Corona-Pandemie und den fehlenden Spielen etwas zieht, aber ganz im Gegenteil: Es gab viele neue Herausforderungen und deswegen verging die Zeit sehr schnell."
Was waren die konkreten Herausforderungen?
Siewert: "Anfangs konnten wir noch die Trainingslager absolvieren, hatten die ersten Spieltage mit der U23, U19 und U17 und sind auch mit allen drei Mannschaften gut gestartet. Nachdem die Entscheidung der Regionalliga getroffen wurde, weiterzuspielen und wir, als es wieder erlaubt war, bei U19 und U17 die Trainingseinheiten abhalten konnten, hat sich meine Arbeit ein wenig verlagert. Wir haben die U23 intensiv betreut und geschaut, wo wir bei U19 und U17 vor allem für die Top-Talente Spitzen setzen können und wie man die Spieler in Individualgruppen bestmöglich entwickeln kann."
Was hat das für deine Arbeit als Junioren-Cheftrainer bedeutet?
Siewert: "Ich konnte bei manchen Trainingseinheiten dabei sein. Punktuell habe ich im Individualtraining mitgewirkt. Bewusst habe ich mir aber auch in dieser Phase das Training von außen angeschaut. Das Ganze von außen zu beobachten hat mir noch mal einen anderen Blickwinkel verschafft, der dann in die Beurteilung der Spieler eingeflossen ist."
Sieben Spieler aus der U19 rücken hoch zur U23: Würdest du das Jahr trotz der Herausforderungen dennoch als erfolgreich bezeichnen?
Siewert: "So ist es. Am Ende der U23-Saison hat man dann gesehen, wofür es sich gelohnt hat, dass U19 und U17 weiter Gas gegeben haben in den Trainingseinheiten und dann auch in den Testspielen, die wir noch absolvieren durften. Alles, um die Spieler optimal auf die höchste Ausbildungsmannschaft vorzubereiten. Damit haben wir die Phase intensiv genutzt und den Jungs in einer schwierigen Zeit ein weiteres Ziel gegeben. Und die Spieler haben gezeigt, dass es möglich ist, dass Niveau hochzuhalten – auch, wenn die Pflichtspiele gefehlt haben und es notwendig war, vielleicht noch mehr als sonst, im Training an die Grenzen zu gehen."
"Das hat mich weitergebracht"
Blicken wir ein Jahr zurück: Du kamst aus einer längeren Pause nach vielen Stationen als Trainer in eine neue Rolle. War es für dich auch in der Retroperspektive der richtige Schritt?
Siewert: "Absolut, gerade die Rolle des Beobachters und dem ganz anderen Fokus auf der Entwicklung eines Spielers, hat mich nochmal weitergebracht. Auch der Austausch mit den Trainerkollegen, der ganz entscheidend ist in der täglichen Arbeit, hat mir sehr geholfen."
Ganz auf den Trainerjob verzichten musstest du dennoch nicht. Als Interimstrainer hast du die Profis im Auswärtsspiel beim FC Bayern betreut. Wie war diese Erfahrung für dich?
Siewert: "Ich habe mich sehr geehrt gefühlt. Als ich bei Mainz 05 angefangen habe, bin ich so herzlich aufgenommen worden und brauchte keine große Eingewöhnungszeit. Aber dann nach nicht mal einem halben Jahr um Hilfe gebeten zu werden für diese eine Woche, um quasi den Turnaround einzuleiten: Das war ein schöner Moment, trotz der Niederlage, weil man gespürt hat, dass etwas möglich ist und die Mannschaft positiv darauf reagiert hat. Das hat mich sehr gefreut."
Und es war sicherlich auch ein guter Auftakt für die Zusammenarbeit mit Bo und seinem Trainerteam
Siewert: "Auf jeden Fall. Es war schön zu sehen, dass Bo sich die Zeit genommen hat, mit uns im NLZ viele Dinge zu besprechen, auch in der Ausrichtung der Nachwuchsarbeit. Das Bo und sein Trainerteam auch schon im Nachwuchs gearbeitet haben, vereinfacht vieles. Weil sie den Verein verstehen, ihn von innen heraus kennen. Die Zusammenarbeit ist fantastisch, man hat Verständnis für die jeweiligen Belange und das bringt beide Seiten zusammen."
Elf Spieler aus der U19 konnten in der vergangenen Saison erste Erfahrungen in der U23 sammeln. Ist das schon ein erster Hinweis für die zukünftige Entwicklung der Talente für die Profis?
Siewert: "Nach den ersten Gesprächen mit Bo, der die U23 als die Mannschaft sieht, die den Weg zu den Profis ebnen soll, war das gegen Ende der letzten Saison schon ein Zeichen, dass wir auch von unserer Seite bereit sind, diesen Weg zu gehen. Das heißt, wir können einen Spieler auch schon mal frühzeitiger hochziehen, wenn er das Niveau bereits spielen kann. Es geht punktuell um den einzelnen Spieler. Natürlich wollen wir mit der U23 auch möglichst erfolgreich sein, aber unser größtes Pfund ist, dass wir die Spieler individuell entwickeln und begleiten. Alles, damit wir am Ende sagen können, das ist unser Weg, um die Jungs nachhaltig und dauerhaft in den Profikader zu bringen."
Wir geben den Top-Talenten also die Zeit, die sie brauchen.
Siewert: "Genau, wir haben alles im Blick und können die Belastung steuern. Da haben wir in diesem Jahr schon eine Angleichung vorgenommen, so dass die Jungs in der U19 und U23 in den gleichen Umfängen trainieren. Damit wollen wir ihnen den Sprung zu den Profis, beispielsweise bei der Intensität und Laufleistung, erleichtern und eine Tempohärte gegen den Ball entwickeln. Das zeichnet unser Spiel in Mainz aus.
Welche Projekte stehen sonst noch für die nächste Saison an?
Siewert: "Wir wollen die Top-Talente über meine Funktion noch enger, individueller und intensiver begleiten. Auch, um mal eine weitere individuelle Einheit einzustreuen und ihnen zu sagen, wo sie stehen, wo ihre Potenziale liegen, wo wir sie aufstellen wollen, was sie beachten müssen, auch wenn sie bei der Nationalmannschaft sind."
Was wünschst du dir für die kommende Saison?
Siewert: "Der größte Wunsch ist, dass wir die Saison in allen Mannschaften komplett durchspielen können. Ich hoffe, dass Corona uns nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht, sondern dass die Kinder und Jugendlichen ihren Bewegungsdrang ausleben können, um ihr großes Ziel zu verfolgen. Und, dass wir am Ende der Saison wieder sagen, dass wir es gemeinsam geschafft haben, Spieler in den Profibereich zu überführen."