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Profis 15.05.2017 - 13:00 Uhr

Klassenerhalt in der Verlängerung

05er müssen nach dem Sieg gegen Frankfurt lange um den Klassenerhalt zittern an einem Tag für die Geschichtsbücher

Yoshinori Muto war nach seinem Kopfballtreffer zum 3:2 nicht mehr zu halten.

Ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben, könnte er sein, dieser 13. Mai 2017 - soviel stand bereits vor dem Anpfiff der Partie der 05er gegen den Rhein-Main-Rivalen Eintracht Frankfurt fest. Der Klassenerhalt im Falle eines Heimsieges war schließlich greifbar nah, die OPEL ARENA ausverkauft. Passend dazu spielte auch noch das Wetter mit am Rhein. Mit dem Drehbuch dieser 90 Minuten und der anschließenden "Verlängerung" im fernen Wolfsburg, wo der Wettergott eben nicht mitspielen sollte, hatte jedoch niemand rechnen können. Um 17:20 Uhr hatten die Mainzer ihre Hausaufgaben erledigt, die Eintracht dank einer furiosen Aufholjagd in der letzten halben Stunde mit 4:2 bezwungen. HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga sowie ein Starkregen in Niedersachsen sorgten dann aber zunächst für verhaltene Euphorie am Rhein und ließen einen der fulminantesten Heimauftritte der 05er der vergangenen Jahre in den Hintergrund rücken.

Doch der Reihe nach: Mutig agierten die Gastgeber gegen den DFB-Pokalfinalisten von der ersten Minute an, ließen Ball und Gegner laufen, verpassten es aber, frühzeitig für klare Verhältnisse im Kampf um den Klassnerhalt zu sorgen. So scheiterten unter anderem Daniel Brosinski (15.), Fabian Frei (20.) oder aber auch Jhon Córdoba an Eintracht Schlussmann Lukas Hradecky oder einem Frankfurter-Abwehrbein. Die Konsequenz zur Halbzeit waren zehn zu drei Torschüsse aus 05-Sicht und ein bitterer 0:1-Rückstand, da die Gäste bei einem ihrer wenigen Angriffe einen Moment des Tiefschlafs in der Mainzer Defensive zu nutzen wussten und durch Branimir Hrgota (42.) in Führung gingen. Wenige Minuten nach Wiederbeginn, viele Zuschauer hatten ihre Plätze auf den Rängen noch nicht wiedereingenommen, fühlte man sich erinnert an die Heimniederlage gegen Mönchengladbach, weil auch Frankfurt in der Anfangsphase der zweiten 45 Minuten das 2:0 gelang und Haris Seferovic den Traum vom frühzeitigen Klassenerhalt in weite Ferne rücken ließ (50.).

Das große Zittern begann, der bange Blick richtete sich umso mehr auf die anderen Plätze, wo zu diesem Zeitpunkt sowohl der Hamburger SV als auch der VfL Wolfsburg mit 0:1 in Rückstand geraten waren. Ein Herzschlagfinale in Köln am 34. Spieltag wäre aber dennoch nicht abzuwenden gewesen im Falle einer Heimniederlage. Wäre da nicht der von 05-Trainer Martin Schmidt später als "Dosenöffner" bezeichnete schnelle Anschluss von Córdoba (60.) gewesen, der den Glauben zurück brachte und spätestens nach dem 2:2-Ausgleich durch Stefan Bell (62.) auch die Zuschauer in der Arena in "Ekstase" versetzte, wie auch Sportdirektor Rouven Schröder die Gefühlslage nach dem Comeback später umschreiben sollte. Nehmer-Qualitäten in dieser so ungemein brenzligen Drucksituation hatten die Rot-Weißen bewiesen und gleichfalls noch lange nicht genug. Dem folgenden Sturmlauf der Mainzer jedenfalls hatte die Frankfurter Eintracht in der Schlussphase wenig bis nichts mehr entgegenzusetzen. Joker Yoshinori Muto verwandelte die OPEL ARENA mit seinem 3:2 (76.) nach perfektem Flankenball des starken Bojan in ein Tollhaus. Das 4:2 durch den von Publikumsliebling Pablo De Blasis verwandelten Foulelfmeter war schließlich das i-Tüpfelchen auf einen, so schien es zum Zeitpunkt des kurz darauf folgenden Schlusspfiffs, perfekten Nachmittag aus Mainzer-Sicht.

Wetterkapriolen & ein nicht gegebenes Tor

Dass der Wahnsinn des Spielverlaufs in Mainz von den Geschehnissen andernorts noch übertrumpft werden würde, kristallisierte sich in den Folgeminuten erst langsam heraus. Dem Ausgleich von Lasogga in der Nachspielzeit folgte das Schalker 2:1 gegen den HSV, wodurch der Klassenerhalt für den FSV in trockenen gewesen wäre. Da dem Treffer die Anerkennung verweigert wurde und die Hamburger sich in Gelsenkirchen doch noch einen Punkt sicherten, richteten sich die Blicke zum Duell des VfL Wolfsburg mit Borussia Mönchengladbach, wo die ebenfalls abstiegsbedrohten Niedersachsen mittlerweile zum 1:1 ausgeglichen hatten. Ein Ergebnis, das den 05ern ebenfalls ausreichen würde, in einem Spiel, das aufgrund der Wetterkapriolen in Wolfsburg in Minute 79 hatte unterbrochen werden müssen. Elf Minuten Zeit blieben den Wölfen also, um sich selbst zum Klassenerhalt zu schießen und die Mainzer Feier um mindestens eine Woche zu verschieben. Spieler und Verantwortliche mussten unverhofft in die "Verlängerung", versammelten sich während der halbstündigen Wartezeit, wahlweise auf dem Rasen oder vor TV-Bildschirmen in den Katakomben, Fans harrten bangen Blickes auf den Rängen aus, während Stadionsprecher Klaus Hafner Wasserstandsmeldungen aus Wolfsburg abgab. Erinnerungen wurden wach an geplatzte Aufstiegsträume zu Beginn des Jahrhunderts, als die 05er tatenlos hatten zusehen müssen, wie sie ins Tal der Tränen gestürzt worden waren. 

Nicht so am Samstag, folgte doch um 17:51 Uhr die erlösende Nachricht, dass der VfL auch in der vierminütigen Nachspielzeit nicht hatte nachlegen können. Der Startschuss für eine wilde Party in der OPEL ARENA, die die Euphorie rund um die Europa-League-Qualifikation im vergangenen Mai in den Schatten stellte. Tausende Fans stürmten das Stadioninnere, die Mannschaft gab von der Haupttribüne aus den Takt vor, Sportdirektor Rouven Schröder sorgte für Freibier. Die Erleichterung nach quälenden Wochen der Ungewissheit im Abstiegskampf war greifbar, die Geschichtsbücher der 05er wie auch die der Bundesliga um eine packende Anekdote reicher. "Die Feier heute ist für uns größer als im vergangenen Jahr nach der Europa-League-Quali", brachte Trainer Schmidt die Gefühlslage am Rhein anschließend zum Ausdruck. Gefeiert wurde anschließend bis in die Morgenstunden, schließlich ist das neunte Jahr Bundesliga in Serie endlich Gewissheit und gleichzeitig keine Selbstverständlichkeit. Der Weg dorthin, dieser Schulterschluss im Umfeld aus den vergangenen Wochen und Monaten, kann als Initialzündung dienen, nicht nur den Klassenerhalt, sondern die Reemotionalisierung von Mainz 05 zu zelebrieren. Ohne Gänsehaut und eine gehörige Portion Stolz auf den Fight der 05-Profis dürfte an diesem 13. Mai jedenfalls kaum ein Mainzer die OPEL ARENA verlassen haben.