Profis 12.12.2022 - 10:15 Uhr
Klaus Hafner: Emotionen an der Anfield Road
Der 05-Legenden-Adventskalender: Türchen Nummer 12
Zehn Wochen ohne Bundesliga-Fußball unserer 05ER - das dauert viel zu lange, oder? Wir wollen diese Zeit mit gemeinsamen Erinnerungen überbrücken und haben uns etwas Besonderes ausgedacht: Der diesjährige Adventskalender steht ganz im Zeichen der 05-Legenden.
Passend zur früheren Rückennummer eines Ehemaligen präsentieren wir euch auf unserer Website täglich Mainzer Fußball-Geschichte und Geschichten zu unseren ehemaligen Profis. Unseren bewährten Adventskalender mit täglich neuen Gewinnchancen von Mainz 05 und unseren Partnern erreicht ihr auch über die Story auf unserem Instagram-Kanal.
Präsentiert wird der Kalender auch in diesem Jahr von Haupt- und Trikotsponsor Kömmerling.
Klaus Hafner, die Stadionsprecher-Legende von Mainz 05. Von 1989 an war er dreißig Jahre lang die prägende Stimme im Bruchwegstadion und später in der MEWA ARENA. 2019 übergab der heute 68-Jährige das Mikrofon an seinen Nachfolger Andreas Bockius. Noch heute arbeitet Hafner aktiv im Verein mit und ist bei jedem Heimspiel als Fan dabei. "Wichtig war mir immer, dass die Leute im Stadion merken: Ich liebe diesen Verein und stehe dazu."
An der Anfield Road ließ er den Emotionen freien Lauf. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin besuchte Hafner vor kurzem das Champions League-Spiel des FC Liverpool gegen den FC Neapel. "Wenn man das Lied 'You’ll never walk alone' dort, wo es entstanden ist, hört, ist das etwas ganz anderes. Gänsehaut pur, die singen es mit so einer Inbrunst. Das sind mir die Tränen gekommen." An der Seitenlinie als Liverpooler Cheftrainer: Jürgen Klopp. Ihn hatte Hafner als Mainzer Stadionsprecher viele Jahre als Spieler und Trainer ansagen dürfen. In Liverpool lud Klopp nach dem Spiel in seine Loge ein. Es wurde ein langer Abend, an dem viele alte Geschichten ausgetauscht wurden: "Unglaublich schön" sei das gewesen, erzählt Hafner.
In seinen drei Jahrzehnten als Stadionsprecher prägte Hafner die Heimspiele des Vereins nicht nur mit seiner Stimme. Unter anderem das Lied, das ihn im Liverpooler Stadion so bewegte, führte er vor vielen Jahren am Bruchweg selbst ein. Bis heute recken die 05-Fans vor den Spielen in der MEWA ARENA ihre Schals und intonieren die wohl bekannteste Fußballhymne der Welt. „Bei uns klingt das auch sehr gut", betont Hafner.
1989 war der Fußball aber noch ein anderer und die Aufgaben eines Stadionsprechers entsprechend überschaubar. „Damals begrüßte man die Zuschauer, gab die Aufstellung durch, die Auswechslungen, Torschützen und einen Hinweis auf das nächste Spiel. Das war alles“ erzählt Hafner. Trotz begrenzter Möglichkeiten entwickelte er von Anfang an seinen eigenen Stil. "Es war alles spontan. Wir durften während der Spiele nichts sagen, deswegen habe ich mit dem Kugelschreiber bei Ecken auf das Mikro getippt." Das langgezogene 'Auf geht’s' liegt vielen älteren 05-Fans sicher noch heute in den Ohren und vor Spielen forderte Hafner die Mainzer Anhänger regelmäßig auf „in die emotionale Fettverbrennung zu gehen“. Und dass gepaart mit jeder Menge Lokalkolorit: "Ich bin Meenzer, und das durfte auch jeder hören."
Mit Fair-Play in den UEFA Cup
So, wie der FSV sportlich in neue Sphären eindrang, entwickelten sich das Stadionprogramm und Hafner als Moderator weiter. Die Programmpunkte wurden mehr, der Redeanteil höher, aber auch die Verantwortung. Gemeinsam mit seinem Kollegen Horst Schömbs, heute noch Stadionsprecher des 1. FC Kaiserslautern und früher ebenfalls bei Mainz 05, entwickelte er ein Handbuch, das immer noch Gültigkeit besitzt. Sie reisten durch Deutschland und schulten andere Stadionsprecher. Ein Thema: Fair Play. Das war Hafner immer wichtig im Umgang mit den Anhängern der Gäste in Mainz. "Wir haben Gäste, keine Gegner", betont er. Die Fans im Auswärtsblock durften beispielsweise ihre Mannschaftsaufstellung so begleiten wie die 05-Anhänger. Einmalig in Deutschland, wahrscheinlich europaweit. "Es durfte aber jeder wissen, dass ich der Stadionsprecher der Heimmannschaft bin. Das ist ein schmaler Grat, aber im Großen und Ganzen ist mir das gelungen, glaube ich." Hafner wurde vom DFB mit dem Fair Play-Preis ausgezeichnet und die 05ER qualifizierten sich über die Fair-Play-Wertung erstmals für den UEFA Cup in der Saison 2005/06. Der Umgang der 05ER mit ihren Gästen hatte daran großen Anteil.
Aber wie hatte diese Erfolgsgeschichte eigentlich angefangen, damals im Jahre 1989? Seit den sechziger Jahren begleitete Hafner die 05ER schon als Fan. Im Verein war er in der Jugendabteilung engagiert als Trainer und Koordinator. Stadionsprecher zu werden, sei nicht geplant gewesen, berichtet Hafner. "Harald Strutz rief mich eines Tages an und sagte: 'Pass auf, Dicker, du bist am Sonntag Stadionsprecher.' Warum er Dicker gesagt, weiß ich gar nicht." Hafner hatte zuvor schon beim Handball und Basketball als Hallensprecher fungiert. Dennoch hatte er vor seinem ersten Einsatz zitternde Knie. "Dann war ein Jahr rum und sie haben gesagt, wenn ich keinen Bock mehr habe, suchen sie einen anderen. Aber ich hatte noch Bock und es wurden 30 Jahre. Das hätte ich damals nicht gedacht, nie im Leben."
Der Abschied: "Emotional, aber auch einfach"
Hunderte Spieler und zahlreiche Trainer hat Hafner in dieser Zeit kommen und gehen sehen. Mit vielen ist er heute noch im Kontakt, auch von gegnerischen Teams. Mit Mats Hummels ist die Wiedersehensfreude immer groß. "Damals, als ich Jugendkoordinator war, hat sein Vater Hermann die Mainzer B-Jugend trainiert. Wir haben auch heute noch ein gutes Verhältnis." Viele ehemalige Mainzer Profis, die er alle mal als Aktive angesagt hat, sieht Hafner regelmäßig bei Spielen der Traditionself.
2019 war dann Schluss. Vor, während und nach dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim wurde er gebührend verabschiedet. Ein einerseits schöner, aber auch trauriger Moment für Hafner. "Das war sehr emotional, aber es war auch einfach, weil ich es selbst entschieden hatte. Ich hatte die Ehre mit unserem Kapitän Niko Bungert verabschiedet zu werden. Niko liegt mir heute noch sehr am Herzen, er ist 05ER durch und durch." Und er konnte sich sicher sein, seine Aufgabe in gute Hände abgeben zu können. Seinen Nachfolger Andreas Bockius hatte er noch selbst eingearbeitet. "Ich hatte einen super Abschied und vor allem einen super Nachfolger. Andreas macht das sensationell. Er kopiert nicht, sondern macht es so, wie er es für richtig hält."
Hafner arbeitet weiterhin aktiv im Verein für die Traditionsmannschaft und die 05ER Clubpartner mit. Bei jedem Heimspiel unterstützt er lautstark von der Haupttribüne. "Die könnte ruhig ein bisschen lauter sein“, bemerkt er mit einem Augenzwinkern. So wie früher als Stadionsprecher.