Vorberichte 13.09.2012 - 23:50 Uhr

Mach’s noch einmal, David

Mit Mut und Gemeinschaftlichkeit gegen den Favoriten FC Bayern München

Soto gegen Schweinsteiger im Kampf um den Ball

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC Bayern München musste Thomas Tuchel herzhaft lachen. Auf die Frage, ob das Match David gegen Goliath heiße, antwortet der Trainer knapp: „Was sonst?“ Allerdings hätten die biblischen Figuren dem Fußballlehrer nach zu urteilen einen entscheidenden Vorteil: „Die mussten nur einmal gegeneinander kämpfen, wir müssen zweimal im Jahr gegen die Bayern ran. Und das ohne Steinschleuder!“ Die einzige Waffe, die Tuchels Team im Köcher hat, ist der Mannschaftsverbund. Und damit wollen sie dem Fußballriesen aus München wehtun. Wenigstens ein bisschen.

„Am Wochenende wartet auf uns eine Prüfung auf allerhöchstem europäischen Niveau“, sagt Thomas Tuchel und spricht von dem anstehenden Match des 1. FSV Mainz 05 beim FC Bayern München (Samstag, 15. September, 15:30 Uhr). Duelle mit dem Rekordmeister sind ein Highlight, für die Fans, aber auch für den Trainerstab und die Mannschaft, da man die Möglichkeit bekommt, sich mit den Besten zu messen. Und dabei am Ende nicht so schlecht auszusehen. „Klar, dass wir die uns gestellten Aufgaben gut lösen wollen. Auf unsere Art und Weise“, erklärt Tuchel, „wir wollen in der Lage sein über uns hinauszuwachsen, leidenschaftlich und ohne Hemmungen in der Allianz Arena aufzutreten. Am Ende mit unserer Leistung in München zufrieden sein. Das ist eine schwere Aufgabe, und selbst wenn sie uns gelingt, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass man das positiv für uns auf der Anzeigetafel ablesen kann. Dafür ist der FC Bayern von der individuellen Klasse her einfach zu stark.“ Die Rahmenbedingungen sprechen für den Favoriten aus München und nicht für den Underdog aus Mainz. Nichts desto trotz, die Vorzeichen standen schon in den Duellen zuvor nicht gerade gut für die 05er, trotzdem haben sie es unter Tuchel geschafft, in den letzten Jahren Punkte aus der Allianz Arena zu entführen.

Als Opferlamm gehe man also nicht nach München. „Auf meiner ersten Pressekonferenz vor einem Spiel gegen Bayern München habe ich damals gesagt, dass wir den Mannschaftsbus vor das Tor stellen wollen. Schön in Tarnfarben, rein damit, kann ja nicht schaden“, schmunzelt Tuchel, „aber der Witz wird aufgewärmt auch nicht besser.  Wir wollen zu 100 Prozent auf unsere Aufgaben fokussiert in das Match gehen. Wenn man viel investiert ist die Chance höher, für Aufwand ein Ergebnis zu bekommen, auch gegen Favoriten. Ob das allerdings aktuell sehr wahrscheinlich ist, steht auf einem anderen Blatt.“ In der Tat ist der FCB in bestechender Form – 9:1 Tore und sechs Punkte aus zwei Spielen sind mal eine Anmoderation im diesjährigen Kampf um die Meisterschaft. Und mit Stars und Nationalspielern gespickten Kader hat Jupp Heynckes die Qual der Wahl – besonders im Mittelfeld. Dort haben Schweinsteiger und Gustavo ihre Aufgabe gegen Stuttgart mit Bravour gemeistert, doch auch der millionenteure Neuzugang Javi Martinez scharrt mit den Hufen. Ob die Bayern nach der Länderspielpause zu Experimenten aufgelegt sind, bleibt abzuwarten. Lediglich Arjen Robben muss der Bayern-Trainer wohl ersetzen, der Niederländer hat sich bei der Nationalelf muskuläre Probleme in der Leiste zugezogen. Auch die 05er haben Verletzungspech zu beklagen. Ivan Klasnic und Eugen Polanski müssen passen – beide haben sich Zerrungen zugezogen, Klasnic im Training in der Wade und Polanski bei der polnischen Nationalelf in der Kniekehle. Für den Sechser wird wohl Julian Baumgartlinger, der bereits mit Österreich Toni Kroos, Thomas Müller und Co. gut im Zaum gehalten hatte, auflaufen.

Allein eine Quote spricht im anstehenden Duell für die 05er. Thomas Tuchel ist aktuell der einzige Coach in der Bundesliga, der eine positive Bilanz gegen den Rekordmeister aufzuweisen hat. Lob dafür weißt Tuchel jedoch vehement von sich. „Was können wir uns davon kaufen? Gar nichts – es ist ja nicht so als würden wir dafür eine Starthilfe für die aktuelle Partie bekommen. Außerdem ist sie kaum mein Verdienst. Es ist die der jeweiligen Teams, das gegen die Bayern gespielt hat. Ich habe in den 90 Minuten nicht einen Sprint gemacht, nicht einen Zweikampf gewonnen oder ein Tor geschossen. Das Lob gebührt also der Mannschaft.“ Und diese ist in den vergangenen Spielen gegen den FCB regelmäßig über sich hinausgewachsen. Eine starke Leistung, wie der Mainzer Coach findet. „Es ist ungewöhnlich, sich frei machen zu können vom Gegner, sich frei machen zu können von der Tatsache, dass man haushoch unterlegen ist, und dann trotzdem an seine Grenzen zu gehen und herausragend zu spielen“, sagt Tuchel. Auch am Wochenende steht sein Team als David wieder dem Goliath der Bundesliga gegenüber. Ohne Steinschleuder, ohne Starbesetzung, ohne Mannschaftsbus vor dem Tor. Dafür aber mit dem Wissen, dass Gemeinschaftlichkeit, unermüdliche Arbeit im Verbund und die Überschreitung der persönlichen physischen Grenzen im Fußball schon den ein oder anderen Riesen zu Fall gebracht hat. Auch im Trikot des FSV.