Profis 08.05.2020 - 19:30 Uhr

Unbefriedigende Konstanz

In der Saison 2012/13 gehörte Mainz 05 nach der Vorrunde zu den Europapokal-Kandidaten, dann folgten aber nur noch zwei Siege

Die spielfreie Zeit bietet uns die Gelegenheit, an wichtige und emotionale Ereignisse aus der Klub-Vergangenheit zu erinnern. Zum Beispiel an die Saison 2012/13, in der einem Spieler des 1. FSV Mainz 05 ein Bundesliga-Rekord gelang, die Mannschaft erstmals ein Derbysieg bei Eintracht Frankfurt gelang und in der das Thema Konstanz eine Hauptrolle spielte.

"Ich glaube einfach", sagte Christian Heidel zwei Wochen vor dem Start in die Saison 2012/13 der Mainzer Rhein-Zeitung, "dass wir vorne auch von der Qualität her gut aufgestellt sind. Nicht wie Bayern oder Dortmund, aber gut." Der Optimismus des damaligen Managers des FSV lag im Abschlusstest begründet, dem 3:3 gegen den FC Sevilla in der Coface Arena, wie die OPEL ARENA damals noch hieß. Überhaupt wähnten sich die 05ER auf einem guten Weg. Eingespielt, als Kollektiv funktionierend, ohne große Veränderungen im Kader.

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Pech bei der Stürmersuche

Doch trotz aller Beteuerungen, was die Qualität des Mainzer Angriffs anging, lief im Hintergrund die Suche nach einem weiteren spielstarken Stürmer. Denn nach dem Abgang von Sami Allagui und Mohamed Zidan, war es im Angriff doch ziemlich dünn. Die Hoffnungen ruhten weitgehend auf den Schultern von Eric Maxim Choupo-Moting, dem Zehn-Tore-Mann aus der Vorsaison sowie auf den drei zuverlässigen Torschützen Andreas Ivanschitz, Nicolai Müller und Ádám Szalai. Doch offenbar hatte Thomas Tuchel das Gefühl, noch eine zusätzliche Waffe zu benötigen. Die sahen die Mainzer in Adrian Ramos von Hertha BSC. Allerdings platzte der Wechsel, weil die Berliner den Spieler doch nicht ziehen ließen. Stattdessen verpflichtete Heidel Nikita Rukavytsya von der Hertha, der allerdings ebenso wie der von Union Berlin gekommene Chinedu Ede die Erwartungen nie richtig erfüllte. Und auch Ivan Klasnic, der nach dem kurzfristigen Wechsel von Anthony Ujah nach Köln im September noch am Bruchweg anheuerte, blieb schließlich den Beweis schuldig, dass man, wie er bei seiner Vorstellung betonte, auch trotz fehlender Fitness das Tore schießen nicht verlernen könne. Der frühere Torjäger von Werder Bremen kam in Mainz auf insgesamt drei Einsätze und einen Treffer, ein bereits fertiges Tor, dass der Stürmer nur vollenden musste, indem er den Ball über die Linie drückte.  

"Wir stehen an einem kritischen Punkt", sagte der 05-Trainer dann der Rhein-Zeitung nach nur einem Punkt aus den ersten drei Saisonspielen. Tuchel glaubte zwar fest daran, dass sich seine Mannschaft weiterentwickelt habe. Doch das Team brauche nun dringend und mit allen Mitteln ein Erfolgserlebnis. "Nur Erlebtes ändert, ansonsten fällt man in Erlebtes zurück", erklärte der Sportpsychologe aus Leidenschaft. Tuchel fand die notwendigen Mittel, sein Team schlug zu Hause den FC Augsburg, kam zwar danach auf Schalke mit 0:3 unter die Räder, gewann dann jedoch mit 2:0 in Wolfsburg, wo Verteidiger-Neuzugang Junior Diaz sein erstes Bundesligator schoss. Anschließend folgten Sieg gegen Düsseldorf, ein Punktgewinn in Leverkusen, dann kam Hoffenheim. Und Szalai. Der Ungar erzielte alle drei Tore zum 3:0-Erfolg, war mit sieben Treffern nach neun Spielen erfolgreichster 05-Schütze. "Szalai kann schuften, anlaufen, zustellen, pressen, Bälle verarbeiten und weiterleiten, er kann Chancen und Tore vorbereiten", analysierte die Rhein-Zeitung. Jetzt habe der Stürmer eine neue Entwicklung eingeleitet. „Er nutzt seine Torchancen eiskalt.“ Am Ende der Runde waren es 13 Saisontore. Darunter ein Rekordtreffer: Beim 1:1 gegen Werder Bremen traf der Ungar bereits nach 12,6 Sekunden. Wie die Statistiker schnell ermittelten, war dies das schnellste Tor der Bundesligageschichte nach einem Anstoß des Gegners.

Schwere Verletzungen

Nach dem holprigen Start lief es prinzipiell gut für die Mainzer. Obwohl sich wichtige Leistungsträger schwer verletzten. Choupo-Moting verabschiedete sich nach dem fünften Spieltag mit einer Meniskusverletzung bis tief in die Rückrunde hinein. Für Niko Bungert war nach sieben Begegnungen Feierabend für die Saison: Kreuzbandriss.

Das Highlight der Vorrunde war natürlich jener historische Auftritt in Frankfurt Ende November 2012. Mainz 05 feierte den ersten Derbysieg in seiner gemeinsamen Profigeschichte mit der Eintracht. Souverän herausgespielt, mit Power, Leidenschaft, Überzeugung und taktischer Qualität. Die Mainzer schossen alle Tore. Das Frankfurter Tor beim 1:3 resultierte aus einem Szalai-Eigentor. Ansonsten war es "der Abend des Shawn Parker". Das Mainzer Eigengewächs, seit Saisonbeginn Mitglied des Profikaders, stand erstmals in der Startelf bei einem Bundesligaspiel. Der 19-Jährige (neben Szalai zweite Sturmspitze) bereitete das Führungstor für Ivanschitz vor, erzielte dann selbst das 2:1, Nikolce Noveski später den Endstand. Parker sei dran gewesen, sagte Tuchel im Anschluss. "Er hat gehofft, wir haben gehofft, und haben das probiert. Er ist ein richtiger Stürmer mit Zug zum Tor. Heute hat er gezeigt, dass er auch die Kaltschnäuzigkeit im Abschuss hat." Insgesamt 16 Einsätze und drei Treffer lautete am Ende Parkers ordentliche Saisonbilanz.

Mit 26 Punkten (acht Siege, zwei Unentschieden, sieben Niederlagen) gehörte die Mannschaft nach der Vorrunde als Sechster wieder zum Kreis der Europapokal-Kandidaten. "Natürlich könnten wir mehr Punkte haben, wenn wir besser getroffen hätten", zog Heidel ein positives Zwischenfazit. "Aber bei uns steht Mainz 05 drauf. Wir müssen erst mehr Konstanz reinbringen. Das unterscheidet uns von Spitzenmannschaften."

Presseschau

Neunmal Remis

Und eine gewisse Konstanz bewiesen die 05ER dann auf alle Fälle. Allerdings völlig anders, als sich die Verantwortlichen das vorgestellt hatten. Dem Team gelangen in der gesamten Rückrunde nur noch zwei Siege. Das 3:0 in Fürth nach einem 0:0-Start in Freiburg sowie ein 1:0 am 25. Spieltag gegen Leverkusen. Neun Unentschieden aus den letzten 15 Saisonspielen. 16 Punkte reichten zwar am Ende zu einem Platz 13 mit 42 Zählern und einer weiteren Spielzeit erneut komplett ohne irgendwelche Abstiegssorgen. Dennoch kam Unruhe auf.

„Die Leistung ist oft da“, erklärte Tuchel, „und da ziehe ich vor der Mannschaft den Hut, das macht sie trotz der vielen Rückschläge bewundernswert gut, auch konstant gut. Der zweite Schritt, das Ergebnis zu machen, fällt uns immer schwerer. Wir stecken im Stau, zähfließender Verkehr“, sagte der Coach. „Wir werden den Kader verstärken und das geht über jede Position“, kündigte der Manager an. „Wir haben genaue Vorstellungen davon, welche Typen und Positionen wir benötigen.“ Wie die große Kaderbereinigung schließlich ausfiel, lest ihr im nächsten Saisonrückblick.