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Profis 12.04.2020 - 19:30 Uhr

Mit 10.000 Mainzern in Düsseldorf

Die größten Momente in den vergangenen 20 Jahren erlebte Mainz 05 als großer Underdog: Ein Rückblick auf denkwürdige Pokalrunden

Sein Treffer im April 2009 reichte nicht: Aristide Bancé schied mit dem FSV bei Bayer 04 Leverkusen nach Verlängerung aus.

Mainz bleibt zu Hause. Die Corona-Krise bietet uns die Zeit, mal wieder an wichtige und emotionale Ereignisse aus der Klub-Vergangenheit zu erinnern. Zum Beispiel an die Jahre 1999 und 2009 als der 1. FSV Mainz 05 mit seinen Vorstellungen im DFB-Pokal für Aufsehen sorgte und dabei sogar den damals größten Fan-Ausflug überhaupt auf die Beine stellte.

Im Hinterkopf vieler Anhänger hat sich im Laufe der Jahre das Gefühl eingenistet, für die 05ER sei die erste Runde des DFB-Pokals in den meisten Fällen eine unüberwindbare Hürde. Seit 1991 sind die Mainzer Profis tatsächlich aber nur zehnmal zum Auftakt des Wettbewerbs ausgeschieden. Im Prinzip also alle fünf Jahre. Der FSV war allerdings auch nie eine typische Pokalmannschaft. Dafür sind dann vier Teilnahmen am Viertelfinale und ein Halbfinale doch etwas zu wenig.

Trost von Rudi Völler

Seine spektakulärsten Pokalerfolge feierte der Klub in dieser als Zweitligist. Wie in der Saison 2008/09, in der die von Jörn Andersen trainierte Mannschaft am Ende den Wiederaufstieg in die Bundesliga schaffte und im DFB-Pokal erst im Halbfinale in der Verlängerung mit 1:4 an Bayer Leverkusen scheiterte. "Rudi Völler machte nach dem Abpfiff auf dem Rasen Station bei jedem einzelnen Mainzer Spieler. Die Stürmer-Legende spendete Trost und fand Zuspruch für das unterlegene Team dieses Halbfinales", schrieb damals die Mainzer Rhein-Zeitung. "Ich weiß doch wie das ist", sagte der Weltmeister, "da steckt eine Mannschaft so viel Konzentration und Kraft in ein solches Pokalspiel über 120 Minuten und geht als Verlierer vom Platz. So etwas kann den Aufstieg kosten."

Der Kraftakt im Düsseldorfer Stadion hat in Sachen Aufstieg bekanntlich keinen Schaden angerichtet. Die spielerisch starken Leverkusener hatten sich in der regulären Spielzeit die Zähne ausgebissen am bestens funktionierenden Defensiv-Konstrukt des Noch-Zweitligisten, der mit einem enormen Aufwand den Kombinationsfluss des Favoriten unterbunden und kaum Chancen zugelassen hatte. Allerdings schafften es die 05ER dabei kaum, selbst gefährliche Nadelstiche zu setzen, um sich eine reelle Siegchance zu erarbeiten. Das Team musste zu viel investieren, um den überlegenen Gegner in Schach zu halten. 10.000 Mainzer Fans waren mitgereist und unterstützten die Mannschaft bei ihrem Versuch, den größten Erfolg der Vereinsgeschichte einzufahren. Das Team leistete Großartiges, dennoch überwand Angelos Charisteas in der 83. Minute Dimo Wache. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit gelang Aristide Bancé nach einer Flanke von Milorad Pekovic der umjubelte Ausgleich. Der Torjäger überwand René Adler im Bayer-Tor mit einem wuchtigen Kopfball in den Winkel.

Die 90 Minuten hatten den Zweitligisten jedoch zu viel Kraft gekostet. In der Verlängerung kassierten die Mainzer drei weitere Tore. "Zum Schluss sind wir kräftemäßig eingebrochen. Da hatten wir nichts mehr entgegenzusetzen", sagte Andersen nachher. Der Traum vom Finale war geplatzt, dennoch erhielt die Mannschaft viel Lob für dieses Spiel und die gesamte Pokalrunde, in der sie nach dem holprigen Auftaktsieg in Babelsberg nacheinander die Bundesligisten 1. FC Köln und den SC Freiburg mit 3:1 sowie Schalke 04 mit 1:0 und furiosen Auftritten ausgeschaltet hatte.

Das Halbfinale im Stenogramm

21. April 2009
Bayer Leverkusen – 1. FSV Mainz 05 4:1 n.V. (1:1, 0:0)

Bayer: Adler – Henrique, Friedrich, Haggui, Kadlec – Rolfes – Renato Augusto (115. Castro), Vidal, Kroos (69. Barnetta) – Helmes (69. Charisteas), Kießling
Mainz 05
: Wache – Hoogland, Svensson, Noveski, Löw (84. Baljak) – Pekovic – Karhan, Feulner (65. Heller), Neustädter (84. Bogavac), Amri – Bancé.

Tore: 1:0 Charisteas (82.), 1:1 Bancé (88.), 2:1 Vidal (92.), 3:1 Rolfes (104.), 4:1 Kadlec (117.)
Zuschauer: 35.000 in Düsseldorf

Der helle Wahnsinn

Zehn Jahre zuvor war die Sensation eigentlich noch viel größer. Da erreichten die Mainzer zwar nur das Viertelfinale, hatten aber zuvor in denkwürdigen Begegnungen am Bruchweg zunächst den Hamburger SV (2:0) und dann Hertha BSC mit 2:1 nach Verlängerung aus dem Rennen geworden. "Der helle Wahnsinn mit neun Mann", lautete am nächsten Tag die Schlagzeile in der Mainzer Rhein-Zeitung. Dort hieß es: "Es waren unbeschreibliche Szenen, die sich da am Bruchweg abspielten. Die 05ER zogen mit neun Spielern in die nächste Runde ein, erzwangen in Unterzahl die Verlängerung, als Michael Thurk die Führung durch Michael Preetz ausglich und erzielten dann den Siegtreffer durch Marcio." Der Brasilianer hätte seiner Mannschaft jedoch fast den Sieg gestohlen. Spät eingewechselt, das Siegtor geschossen, warf er im schönsten Moment seiner 05-Karriere jubelnd das Trikot weg und sah dafür Gelb-Rot. Jürgen Klopp hatte es zuvor schon erwischt. "Mit einer schier unglaublichen Abwehrleistung, unterstützt von einem sensationellen Publikum, erkämpften sich die 05ER diesen Sieg. So etwas hat der Bruchweg noch nicht erlebt. Der Jubel war grenzenlos", so die Analyse.

Sirous Dinmohammadi 1999 im Zweikampf mit Bayerns Paulo Sergio. (©imago images/Sven Simon)

Zwei Tage vor Weihnachten 1999 startete dann einer der größten Vereinsausflüge aller Zeiten nach München. Zunächst zum Weihnachtsmarkt in der Innenstadt, dann ins Olympiastadion, wo mehr als 8000 Mainzer die Zuschauerhoheit hatten unter den 11.200 Besuchern. Doch der FC Bayern erreichte mit stoischer Cleverness das Halbfinale, ohne dabei zu überzeugen. Das Team von Wolfgang Frank wird sich, wie die Rhein-Zeitung nach der 0:3-Niederlage schrieb, "fragen, warum eigentlich?" Die Mainzer erarbeiteten sich immer wieder eine deutliche Überlegenheit, kamen jedoch nicht in den Bayern-Strafraum, und der Rekordmeister entschied das Spiel mit brutaler Effizienz. "Jeder wird sagen, die 05ER haben gut gespielt, aber wir wollten gewinnen", sagt der gesperrte Klopp auf der Tribüne. Und Bayern-Boss Uli Hoeneß sagte zur Mainzer Fan-Aktion: "Was Sie auf die Beine gestellt haben, davor kann man nur den Hut ziehen."

Das Viertelfinale im Stenogramm

22. Dezember 1999
Bayern München – 1. FSV Mainz 05 3:0 (1:0)

Bayern: Kahn – Babbel, Matthäus (46. Jeremies), Andersson – Salihamidzic, Fink, Effenberg (73. Wiesinger), Tarnat – Zickler (46. Jancker), Santa Cruz, Paulo Sergio
Mainz 05: Wache – Ratkowski (81. Lieberknecht), Kolvidsson, Neustädter, Herzberger – Kramny (60. Thurk), Spyrka (75. Teymourian), Dinmohammadi, Hock – Demandt, Policella

Tore: 1:0 Herzberger (18., Eigentor), 2:0 Jancker (63.), 3:0 Santa Cruz (70.)
Zuschauer: 11.200