Profis 20.01.2022 - 11:00 Uhr
Allrounder unter Tuchel & ein legendäres Tor
Marco Caligiuri kennt sowohl Greuther Fürth als auch den FSV bestens - vor dem anstehenden Duell beider Klubs spricht er über sein Leben nach dem Karriereende, Bo Svensson als Mitspieler, die erfolgreiche 05-Zeit unter Thomas Tuchel und gibt einen Tipp für Samstag ab
Die bayerische Corona-Verordnung hat Marco Caligiuri die Entscheidung abgenommen, wo und wie er das Duell jener beiden Vereine verfolgen könnte, für die der heute 37 Jahre alte Fußballer die längste Zeit seiner Profi-Karriere am Start war. Im Ronhof sind keine Zuschauer zugelassen, also wird der frühere Kapitän der Spvgg. Greuther Fürth die Begegnung mit dem 1. FSV Mainz 05 am Samstag (15.30 Uhr, live auf SKY & 05ER.fm) ganz entspannt vor dem Fernseher miterleben. "Ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich die Spiele genießen kann. Ich bin nicht mehr so am Mitfiebern, sondern ich freue mich auf ein unterhaltsames Spiel", sagt Caligiuri, der seine aktive Laufbahn 2020 mit dem 1:2 der Fürther im Zweitligaspiel gegen den Karlsruher SC beendete.
"Der letzte Schusspfiff hat mich nicht auf dem falschen Fuß erwischt, aber es war ein Gefühl der Endgültigkeit. Dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, dass die Karriere des Profifußballers Marco Caligiuri beendet, ist", erklärte er nach der emotionalen Verabschiedung seitens des Klubs, dessen Trikot mit dem Kleeblatt auf der Brust er insgesamt neun Jahre lang getragen hatte.
100 Bundesliga- & 229 Zweitligaspiele
Marco Caligiuri ist der ältere Bruder von Daniel Caligiuri, der aktuell beim FC Augsburg spielt, Sohn eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter. In Villingen-Schwenningen geboren, spielte er für die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart in der Regionalliga, begann seine Bundesligakarriere beim MSV Duisburg, bevor er nach drei Jahren bei der SpVgg Greuther Fürth an den Bruchweg wechselte. Unter Thomas Tuchel kam er in drei Spielzeiten zwischen 2010 und 2013 auf 74 Bundesliga-Einsätze und erzielte vier Tore.
Dann wechselte Caligiuri für eine Saison zu Bundesligaaufsteiger Eintracht Braunschweig, danach zog es ihn zurück nach Fürth. Insgesamt absolvierte er 100 Bundesligaspiele und 229 Zweitligaspiele, davon 212 für die Fürther, als deren Kapitän er schließlich abtrat. Nach dem Ende seiner Karriere gründete der Allrounder die "Caligiuri Sports GmbH", eine Spielerberatungs-Agentur. "Meine Kernziele sind, dass ich Fußballer entwickeln und unterstützend da sein möchte, um den Jungs dabei zu helfen, an sich selbst und an ihren Weg zu glauben", sagt er.
"Gefühlt von vorne bis hinten alles gepasst"
Als Marco Caligiuri im Sommer 2010 zum Bruchweg kam, "habe ich direkt die erfolgreichste Bundesliga-Startphase aller Zeiten mitgenommen mit den sieben Siegen in Folge", sagt er schmunzelnd. "Es ist für mich auch deshalb heute noch ein wahnsinnig schönes Gefühl, an diese Zeit zurückzudenken. Es hat gefühlt von vorne bis hinten alles gepasst in der ersten Saison. Es war von der Chemie innerhalb des Teams auf und neben dem Platz alles da. Natürlich hatten wir den großen Input eines unfassbar guten Trainers, der uns als Mannschaft den Glauben vermitteln konnte, um Spiele in der Bundesliga zu gewinnen und irgendwann im Laufe der Jahre, die ich dort war, auch zu dominieren. Diese Entwicklung eines jeden Einzelnen in der Mannschaft und auch von mir selbst mitzuerleben, war einfach richtig schön."
Thomas Tuchel, der so erfolgreiche 05-Cheftrainer, hielt große Stücke auf Caligiuri, der einer der besseren Fußballer im Team war, stachelte den Spieler aber auch immer wieder im Training an, kritisierte ihn. "Da war schon was Wahres dran. Ich bin ihm dankbar dafür, denn ich hatte Momente, in denen ich vielleicht nicht so wirklich an meine Fähigkeiten geglaubt hatte", sagt der Ex-05er, "aber am Ende ist es so, dass ich diese Entwicklung mitgenommen habe und bis heute dankbar für diese drei Jahre bin." Eine Zeit, die sein weiteres Wirken als Fußballer mitgeprägt habe und von der er speziell für seine jetzige Aufgabe profitiere, "da ich vieles weitergeben kann." Caligiuri deckte im Tuchel-Team die ganze Palette der Positionen ab: Linksverteidiger, Rechtsverteidiger, in der Raute links die Halbpositionen, aber auch im 4-2-3-1 vorne links und rechts. "Ich habe gefühlt überall gespielt. Ich war der Allrounder. Ich war nicht der Spezialist auf einer Position, was sowohl Fluch als auch Segen war, doch ich habe unter Thomas Tuchel roundabout 80 Spiele gemacht über die drei Jahre hinweg. Und es war etwas Besonderes."
Legendäres Tor-Foto im Büro
Marco Caligiuri ist zufrieden mit seiner Laufbahn. "Die Karriere ist genau die, die zu mir passt, wie ich bin als Fußballer." Ebenso wertvoll wie die Positionswechsel am Bruchweg seien für ihn die zweiten sechs Fürther Jahre, die er überwiegend in der Innenverteidigung erlebte. "Das hat mir extrem viel Spaß gemacht, weil man als Innenverteidiger viel Zugriff aufs Spiel hat, viel organisieren und steuern kann, von hinten raus etwas entwickeln, das Spiel aufbauen, Stürmer ablaufen. Ich war ja nicht der langsamste Innenverteidiger."
In Caligiuris Büro hängt das Abschiedsgeschenk aus Mainz: Ein gerahmtes Foto von einem legendären Tor. Erzielt am 27. November 2011 beim spektakulären 3:2-Triumph gegen die Bayern. Der Treffer zur 2:1-Führung. Der Schuss aus dem Mittelfeld schlug unten rechts ein. "Badstuber oder van Buyten haben Manuel Neuer etwas die Sicht genommen bei diesem leichten Aufsetzer. Vielleicht war er unhaltbar, sonst hätte ihn Manuel ja sicher gehalten", sagt er lachend.
"Mainz 05 hat wieder ein Gesicht"
Drei Jahre lang spielte Caligiuri in Mainz zusammen mit Bo Svensson. "Wir saßen fast zusammen in der Kabine, nur Eugen Polanski war noch zwischen uns." Dass der Däne einmal ein erfolgreicher Trainer werden könnte, "diesen Weitblick hatte ich damals noch nicht", gesteht er ein. "Der Bo war einfach ein unglaublich cleverer, intelligenter Verteidiger und Spieler mit einem richtig guten Spielaufbau."
Heute verkörpert der 05-Chefcoach vieles von dem, was Tuchel ausmachte, vor allem das Credo, im Kollektiv zu arbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen, taktisch und fußballerisch im Verbund Stärke zu entwickeln. "Bo fokussiert sich da voll drauf, ordnet sich auch selbst dem Projekt unter, die DNA von Mainz 05 im Team nachhaltig zu implementieren. Wie der Funke wieder übergesprungen ist, innerhalb kürzester Zeit, das ist phänomenal, auch was da für Arbeit geleistet worden ist von allen. Mainz 05 hat wieder ein Gesicht. ich sehe mir die Spiele sehr gerne an."
Vorfreude auf ein unterhaltsames Spiel
Was ist aus der 05-Zeit hängen geblieben? "Ich bin mit Ádám Szalai in regelmäßigem Austausch. Auch mit Bo telefoniere ich ab und an. Wenn er mal Zeit hat", sagt Caligiuri. In Fürth sei er häufig am Trainingszentrum und im NLZ, habe mit vielen Spielern Kontakt. "Mittelstürmer Havard Nielsen ist mein Nachbar und so weiter. Ich habe hier die Chance gehabt, mich weiterzuentwickeln, auch als Kapitän in der Menschenführung, habe in Fürth all die Jahre viel Vertrauen gespürt. Darauf basiert eine Verbundenheit."
Die aktuelle sportliche Lage müsse man einfach akzeptieren. "Die Fürther sind ja schon überraschend aufgestiegen, das allerdings souverän. In der Bundesliga-Hinrunde mussten sie viel Lehrgeld zahlen, aber man konnte sehen, dass sie daraus auch gelernt haben. In den letzten Spielen ist es schwerer geworden, sie zu schlagen. So, wie ich die Jungs einschätze, geht es für sie darum, sich in der Liga weiterhin gut zu präsentieren und Punkte zu sammeln. Mal sehen, was dann drin ist am Samstag gegen Mainz. Sicher ist es so, dass sie mehr Risiko gehen müssen, die 05ER sind aber auch schwer zu schlagen und stellen zudem die zweitbeste Defensive der Liga. Deshalb glaube ich, es wird ein unterhaltsames 1:1. Ich freue mich jedenfalls drauf."