Profis 10.02.2022 - 17:00 Uhr
Ein erstklassiger Hattrick
Heute vor 15 Jahren: Wir erinnern uns an den ersten Bundesliga-Dreierpack der Klub-Geschichte - Klopp: "I give you all my power"
Auf den Tag genau heute vor 15 Jahren erlebte der 1. FSV Mainz 05 eines der denkwürdigsten Spiele der frühen Bundesligajahre, das wegen seiner maßgeblichen Protagonisten noch immer ein erinnerungswürdiges Highlight darstellt. Am 10. Februar 2007 besiegten die 05ER vor 20.000 Zuschauern am Bruchweg den FC Energie Cottbus mit 4:1. In einer Partie, in der Mohamed Zidan kurz nach seiner Rückkehr aus Bremen drei Treffer erzielte, als erster 05-Profi überhaupt in der Bundesliga. In einem Spiel, in dem der heute legendäre Elkin Soto sein Debüt für Mainz 05 feierte, mit einer überragenden Leistung im linken Mittelfeld und zwei Torvorlagen.
Mo Zidan im Interview: "Ich habe mich richtig wohlgefühlt"
Es war die dritte Bundesligasaison nach dem grandiosen Aufstieg 2004. Die Mainzer spielten eine miserable Vorrunde mit nur einem Sieg, acht Unentschieden und acht Niederlagen, was lediglich elf Zähler ergab.
"Mission possible 15"
Die 05ER reagierten, riefen einen Neustart aus und starteten mit dem Slogan "Mission possible 15" eine eigene neue Saison mit dem Ziel, Platz 15 zu erreichen, den letzten Nichtabstiegsplatz. "Wir werden uns auf etwas völlig Neues einlassen müssen", erklärte Jürgen Klopp. Der Trainer sah nur zwei Möglichkeiten: eine Abschiedstour oder eine wilde Aufholjagd. Dafür holte der Manager in der Winterpause neues Personal. Christian Heidel nahm sehr viel Geld in die Hand, um Mohamed Zidan aus Bremen zurückzuholen. Für die damalige Rekordablöse von 2,8 Millionen Euro unterschrieb der Angreifer einen Vertrag über dreieinhalb Jahre. "Als der Anruf meines Beraters kam, alles sei klar, habe ich richtig heftig geweint", erzählte der kleine Torjäger später. "Jetzt bin ich wieder Zuhause." Im Sommer 2005 war der Ägypter bereits als Leihspieler von Werder zum Bruchweg gekommen, hatte in der Saison neun Tore erzielt. Zidan musste danach wieder zurück nach Bremen, wurde aber an der Weser nicht glücklich, kam nur auf wenige Einsätze.
Neben dem Stürmer fand Heidel in Bremen auch den Dänen Leon Andreasen, genau der Mann, der im Mittelfeld gefehlt hatte, einer, der vorangeht. Andreasen wurde bis zum Saisonende ausgeliehen. Der Mittelfeldspieler war beim 1:0-Sieg in Bochum zum Start der Rückrunde und der Aufholjagd einer der wichtigsten Spieler, der sich mit seiner Zweikampf-Führung und seinem gewaltigen Schuss schnell zum Chef im 05-Mittelfeld aufschwang. Mit dem Erfolg in Bochum und dem 1:0 gegen Borussia Dortmund war der Anschluss schneller als erwartet hergestellt. Und die 05ER verpflichteten einen Kolumbianer, der sich als einer der besten Transfers der Mainzer Bundesligageschichte erweisen sollte. Nach einem langwierigen Wechsel-Streit mussten die Mainzer auf die Freigabe für Elkin Soto von der FIFA warten. Diese erfolgte Anfang Februar, der ablösefreie Wechsel galt. Und gegen Cottbus spielte der linke Mittelfeldmann erstmals mit.
Drei Minuten brauchte Soto für seine erste Chance, vier Minuten später legte er Leon Andreasen das 1:0 auf. Vor dem Strafstoß zum 3:1 war es Soto, der gefoult wurde. In seinem dritten Einsatz für den neuen Klub erlitt Soto dann jedoch einen Bänderriss und fehlte der Mannschaft im Abstiegskampf.
Zidans drittes Spiel nach dem Comeback in Mainz begann dagegen für den Stürmer nicht gut: 20 Minuten sind gespielt, es steht 1:0, als Zidan vor dem gegnerischen Strafraum den Ball leichtfertig verliert, nicht zum ersten Mal in dieser Partie. Die Folge: ein blitzschneller Konter durch das offene Zentrum und der Ausgleich. Klopp zitiert den Dribbler zu sich, nimmt ihn fest in den Arm, flüstert ihm etwas ins Ohr ("I give you all my power") und schickt ihn zurück auf den Platz, direkt in Fabian Gerbers Steilpass.
In Klopps Armen
Sekunden später sprang Zidan als Torschütze zum 2:1 wieder in Klopps Arme. Und war danach nicht mehr zu bändigen. Beim Elfmeter nach dem Foul an Soto, eigentlich ein Job für Andreasen, hatte Zidan den Ball schon in der Hand und weigerte sich, ihn wieder herzugeben. "Ich schieße Dir den Kopf ab, wenn nicht triffst", verriet der Däne später seine Drohung. Zidan traf. Dann die zweite Hälfte: Ein weiter Abwurf von Dimo Wache zu Petr Ruman, zweite Mainzer Sturmspitze, der weit draußen auf dem linken Flügel positioniert war. Ruman schlug fast an der Mittellinie einen sagenhaften Diagonalball. 50 Meter weit flog die Kugel über die vielen Verteidiger hinweg. Völlig freistehend nahm der Ägypter den Ball an und schoss mühelos zum dritten Mal ein. In seiner Entstehung ist dieser Treffer eines der schönsten Tore, die in den ersten drei Bundesligajahren am Bruchweg gefallen sind. Drei Zidan-Treffer in dieser Begegnung. Zehn weitere folgten, darunter das spektakuläre Tor in Hamburg, bei dem der Ägypter dem bedauernswerten Joris Mathijsen mit vier Haken auf engstem Raum jede Orientierung raubte.
Den Abstieg konnten diese 13 Rückrundentreffer dennoch nicht verhindern. Trotz ganzer 23 Punkte in der zweiten Hälfte der Saison. Die Mainzer hätten am letzten Spieltag auswärts beim Meister Bayern München drei Punkte und 14 Tore aufholen müssen. Das Team verlor mit 2:5 und stieg ab. Und der Verein verkaufte Zidan direkt wieder für sehr viel Geld an den HSV.
Eine neuzeitliche 05-Legende
Der heute 40-jährige, in Port Said geborene Ägypter, ist eine der ganz großen neuzeitlichen Legenden der Rheinhessen. Ein überragender Stürmer, der immer, wenn er das 05-Trikot trug, sehr erfolgreich war. Mit 29 Toren in 53 Bundesligaspielen war Zidan der Rekordtorschütze des Klubs, bis Robin Quaison ihn 2021 überholte. Zidans Quote von 0,55 Toren pro Spiel ist überragend. Er war ein begnadeter Techniker. Leichtfüßig, wendig, wie wenige andere Spieler. Er hatte einen unübertroffenen Torinstinkt, einen präzisen Abschluss.
Am Bruchweg avancierte Zidan unter Trainer Klopp, zu dem er eine besondere Beziehung aufbaute, schnell zum Publikumsliebling. Bei Borussia Dortmund gewann er mit Klopp die Deutsche Meisterschaft. Zidan ist heute TV-Experte, Geschäftsmann und Vorstandsmitglied beim ägyptischen Verein Zed FC. Er war der erste 05ER, dem ein Dreierpack in einem Bundesligaspiel gelang, und ist dem FSV bis heute eng verbunden. Nach der Premiere des Ägypters schafften sein Kunststück bislang Jean-Philippe Mateta und Robin Quaison jeweils zweimal, Danny Latza, Yunus Malli, Ádám Szalai sowie Yoshinori Muto.