• Home
  • News
  • "Mutig, emotional & leidenschaftlich"

Profis 23.05.2017 - 13:30 Uhr

"Mutig, emotional & leidenschaftlich"

Martin Schmidt hat Spuren hinterlassen am Bruchweg - nun läuft die Suche nach seinem Nachfolger

Gehen zukünftig getrennte Wege: Martin Schmidt (li.) & Rouven Schröder.

"Unsere Philosophie verkörpern, Spieler entwickeln und begleiten können", so umriss 05-Sportdirektor Rouven Schröder am Montagnachmittag das gewünschte Profil bei der Suche nach dem Nachfolger von Martin Schmidt auf der Trainerbank des FSV. "Mutig, emotional, leidenschaftlich, kommunikativ, bodenständig und demütig" obendrein soll der neue Mann an der Seitenlinie sein. Attribute und Eigenschaften, die traditionell für Mainz 05 stehen und auch in der Zukunft, der Ära nach dem Schweizer Chefcoach, stehen sollen. 

Knapp zweieinhalb Jahre war Schmidt verantwortlich für die Mainzer Profis. Die Bilanz: Zwei erfolgreich bestrittene Abstiegskämpfe sowie die erstmalige Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League. Schmidt hat Spuren hinterlassen am Bruchweg. Einen der größten Erfolge der Vereinsgeschichte, die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb, erreichte das Team im Mai 2015 unter seiner Ägide. Trotz einer Bilanz von zwei Siegen, drei Remis und nur einer Niederlage, die sich auf europäischer Bühne durchaus sehen lassen konnte, stand nach der Gruppenphase ein unglückliches Aus. Demgegenüber stehen in der Bundesliga 29 Siege, 18 Unentschieden sowie 34 Niederlagen. Eine Statistik, die sich noch besser lesen würde, wäre da nicht die zurückliegende Rückrunde gewesen, in der die 05er von einer Ergebniskrise in ein Leistungsloch fielen, aus dem sie sich erst auf der Zielgeraden der Saison herauskämpfen und so denkbar knapp dem Abstieg entrinnen konnten. 

Drucksituationen gemeistert

Insbesondere die fünf aufeinanderfolgenden Niederlagen im März und April führten zu Abstiegsangst am Rhein, der komfortable Vorsprung von acht Punkten auf den Relegationsplatz nach 17 Spieltagen war nach der 28. Runde verspielt. Dem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Schmidt bis zum Saisonende und einem einhergehenden Schulterschluss mit den Anhängern folgte Aufbruchsstimmung und der alternativlose 1:0-Sieg gegen Hertha BSC. Eine Partie, die unter Beweis stellte, dass die Mainzer unter Schmidt in der Lage waren Drucksituationen zu meistern. Der Punktgewinn bei Rekordmeister Bayern München untermauerte diesen Eindruck und führte in den letzten Saisonwochen dazu, dass der FSV nicht einen einzigen Spieltag auf einem Abstiegs- oder gar Relegationrang verbringen musste. Die Mentalität in den rot-weißen Reihen stimmte in diesen schweren Wochen auf und neben dem Rasen. Der Lohn des gemeinschaftlichen Kraftakts war der Klassenerhalt nach einem denkwürdigen Spiel gegen Eintracht Frankfurt, das nach 0:2-Rückstand in der letzten halben Stunde noch gedreht und mit 4:2 gewonnen werden konnte. In der ausverkauften OPEL ARENA brachen alle Dämme, die Feierlichkeiten im Anschluss gingen über die nach dem Europapokal-Einzug gar weit hinaus. Das gemeinsame Ziel wurde noch ein letztes Mal erreicht, dank einer geschlossenen Einheit auf dem Rasen und einem Trainerteam, welches der Mannschaft die im Kampf um den Klassenerhalt nötigen Tugenden eingeimpft hatte. 

Die nach Saisonende nun ebenfalls gemeinschaftlich beschlossene sofortige Trennung im gegenseitigen Einvernehmen war die Konsequenz einer detaillierten Analyse der vergangenen zweieinhalb Jahre. Schmidt selbst informierte Sportdirektor Schröder zudem über seine Entscheidung, den bis zum Sommer 2018 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Mit der von Schröder gewünschten langfristigen Perspektive war die Karriere-Planung des Trainers nicht vereinbar. Nach sieben Jahren am Bruchweg, davon fünf bei der U23 im Nachwuchsleistungszentrum der 05er, macht Schmidt so den Weg frei für einen neuen Cheftrainer und gibt Sportdirektor Schröder neben der Kaderplanung weitere Hausaufgaben mit in die Sommerpause. Das Stellenprofil des neuen Mannes ist klar umschrieben, Klarheit soll naturgemäß schnellstmöglich herrschen. Dennoch: Schröder, davon ist auszugehen, wird sich weder von Emotionen noch von Traditionen am Bruchweg leiten lassen. Einen Schnellschuss wird es nicht geben. Vielmehr wird sich der Sportdirektor die Entscheidung, immerhin die erste Trainerverpflichtung seiner Amtszeit wohl- und in aller Ruhe überlegen. Einer der Kandidaten folgte Martin Schmidt einst bereits auf der Trainerbank der U23 der 05er. Sandro Schwarz, so bestätigte Schröder am Montag, sei zweifelsohne einer der Kandidaten, mit denen er sprechen werde. Nicht ausgeschlossen sei aber gleichfalls eine externe Lösung, ließ sich Schröder nicht in die Karten blicken. Gewissheit bringen werden die kommenden Tage. Klar ist bislang nur, dass es "mutig, emotional und leidenschaftlich" weitergehen soll am Bruchweg. Nur dann kann die in den vergangenen Wochen unter dem alten Trainer entstandene Aufbruchsstimmung und die geglückte Reemotionalisierung des FSV sowie seines Umfelds von Nachhaltigkeit geprägt sein und mit in die neue Saison unter einem neuen Trainer transportiert werden.