Profis 19.12.2021 - 18:00 Uhr
Trotz Selbstkritik: Der Stolz überwiegt
"Das war eine schlechte Leistung, auch von mir", sagte Bo Svensson nach der Niederlage in Frankfurt, betonte aber gleichzeitige, was seine Mannschaft in den vergangenen zwölf Monaten geleistet habe - Heidel: "Alles andere als dramatisch"
Am Tag danach war der Ärger zwar nicht verraucht, die Laune wollte sich Bo Svensson angesichts der Niederlage im Rhein-Main-Duell zum Abschluss dieses so famosen Fußballjahres dann aber doch nicht gänzlich verderben lassen kurz vor den Weihnachtsferien. Ob er enttäuscht von seiner Mannschaft? "Es wäre ziemlich frech, wenn ich diese Frage mit 'ja' beantworten würde nach allem, was dieses Team in diesem Jahr geleistet hat. Deswegen überwiegt ganz klar der Stolz auf die Mannschaft und die Spieler, die ich betreut habe", so der 05-Cheftrainer im Rahmen einer finalen digitalen Medienrunde im Jahr 2021.
Ganz anders hatten sich die 05ER diesen letzten Akt vorgestellt im Nachbarschaftsduell mit der Eintracht: "Der Ansatz muss immer sein, das Maximale rauszuholen, weil das letztendlich am meisten Spaß macht. Wenn man den Fuß vom Gas nimmt, bleibt man durchschnittlich", hatte der Coach im Vorfeld der Partie gesagt. Es sollte letztlich - vor allem in Durchgang eins - ein maximal durchschnittlicher Auftritt werden. Statt die Fehler bei der Mannschaft zu suchen, ging Svensson aber mit sich selbst hart ins Gericht: "Das war eine schlechte Leistung, auch von mir. Man muss schon hinterfragen, was nach dem Spiel am Dienstag passiert ist und ob wir uns richtig auf dieses Spiel vorbereitet haben. Am Dienstag wurde uns viel auf die Schulter geklopft, war vom besten Spiel des Jahres die Rede. Vielleicht haben wir uns zu sehr auf diesem Spiel ausgeruht. Ich hatte das Gefühl, wir haben uns ein Stück weit zu sehr zurückgelehnt und dachten, wir schauen mal, was in Frankfurt möglich ist. Und wenn nichts geht, ist es auch nicht so schlimm. Aber so eine Haltung geht gar nicht", sparte der 42-Jährige nicht mit Selbstkritik.
Allen voran der Auftritt der ersten 45 Minuten, in denen den Frankfurtern das Tor des Tages gelungen war, sei nicht akzeptabel gewesen. "Da waren wir nicht am Anschlag, dachten, wir könnten hier etwas verwalten, ohne etwas zu investieren. Damit können wir nicht gut leben. Wir müssen uns schon hinterfragen, was wir seit Dienstagabend gemacht haben", wurde Svensson deutlich. Das Aufbäumen in Durchgang zwei hatte schließlich nicht mehr gereicht, wenngleich der FSV da auf Augenhöhe agiert und durchaus am Ausgleich geschnuppert hatte.
Versprechen gehalten & Basis für die Zukunft geschaffen
"Fakt ist, dass ich seit Dienstag Kompromisse eingegangen bin im Zusammenhang mit meiner Überzeugung als Führungsperson für eine Gruppe. Ich verliere nicht gern, aber es tut besonders weh, wenn man das Gefühl hat, dass man sich selbst nicht komplett treu geblieben ist. Das ist auch eine Lehre für mich selbst. Ich habe einige Fehler gemacht und der Mannschaft nicht gegeben, was sie gebraucht hat", ging Svensson am Sonntag ins Detail, ohne zu verkennen, was er gemeinsam mit der Mannschaft und dem Verein in den vergangenen fast zwölf Monaten geleistet hat. "In der Nachbetrachtung des Jahres spielt das Spiel gestern natürlich nicht die ganz große Rolle. Dieses Miteinander, die Kultur, die wir geschaffen haben, gerne auf die Arbeit zu kommen und gerne gemeinsam Widerstände zu überwinden", seien wertvolle und entscheidende Faktoren. Und all dies soll auch künftig die Basis bleiben "und war sehr wichtig für die Beurteilung dessen, was wir uns von Tag eins versprochen haben", so der Ex-05-Profi rückblickend. "Wir können noch besser werden und wissen auch, wo wir besser werden müssen. Da haben wir aber jetzt schon - ganz unabhängig von der Punktanzahl - viele richtige Schritte gemacht. Da geht es um Identifikation. Wenn die Leute über uns sprechen, werden viele Dinge regelmäßig wiederholt, über die wir uns definieren wollen. Damit ist ein sehr wichtiger Teil der Arbeit gemacht. Das müssen wir nun weiter pflegen, was nicht immer ganz einfach ist. Deswegen geht die Arbeit weiter", so Svensson, der die freien Tage nutzen wird, mit der Familie in die dänische Heimat zu reisen und Kraft zu tanken für die nächsten Herausforderungen.
Christian Heidel, der Svensson zu Beginn des Jahres zurück nach Mainz gelotst hatte, bezeichnete den Samstagnachmittag in Frankfurt indes als "alles andere als dramatisch" und hob gleichfalls die so positive Entwicklung unter dem Trainer hervor, den er einst bereits als Spieler vom Engagement am Bruchweg hatte überzeugen können. "Es spricht für Bo, dass er erkennt, dass er Dinge hätte anders machen können. Sollten Fehler passiert sein, weiß ich, dass wir Leute haben, die daraus lernen werden", so der 05-Vorstand für Strategie, Sport und Kommunikation.
Die 57 erreichten Punkte im Jahr 2021 seien weder Glück noch Zufall, sondern Ergebnis akribischer Arbeit des gesamten Vereins. "Alle haben angenommen und sehr schnell verstanden, dass der Fußball im Mittelpunkt stehen muss. Dass alle an einem Strang ziehen, ist die Basis für Erfolg in einem Klub wie Mainz 05", so der gebürtige Mainzer, der noch einen persönlichen Wunsch für das Jahr 2022 formulierte, den viele mit ihm gemein haben dürften: "Ich wünsche mir, dass wir die Pandemie endlich in den Griff bekommen. Wir alle haben ja unser Leben verändern müssen, das macht nicht so viel Spaß", so Heidel. Zumindest der Blick aufs Klassement bereitet allen Mainzern in diesem Jahr deutlich mehr Freude als vor Jahresfrist. Mit 24 Zählern aus 17 Partien überwintern die 05ER in der oberen Tabellenhälfte.
Heute Abend (22.30 Uhr) wird der 05-Trainer übrigens bei "SWR Sport in Rheinland-Pfalz" zu Gast sein. Einschalten lohnt sich!