Profis 19.02.2022 - 14:00 Uhr
Ein besonderer Abend
Im Fastnachtsheimspiel gegen Leverkusen haben die 05ER das erste Highlight dieses Fußballjahres geliefert, ihren Cheftrainer mit der gezeigten Leistung stolz gemacht und die Fans in Ekstase versetzt
Wer als Spieler ein solches Heimspiel unter Flutlicht und unter Zuschauerbeteiligung gegen eines der Top-Teams der Bundesliga nicht geil finde, der sei an der falschen Stelle, hatte Bo Svensson im Vorfeld erklärt. Dass dieses mittlerweile siebte Fastnachts-Heimspiel in der MEWA ARRENA dann tatsächlich ein erstes großes Highlight dieses Fußballjahres und dazu eine Partie werden würde, die aufgrund ihrer Dramaturgie noch lange in Erinnerung bleiben wird, das hatte sich auch der Mainzer Cheftrainer aufgrund der Qualität des Gegners lediglich wünschen können. Am Ende gelang dem 1. FSV Mainz 05 in einer sehr turbulenten und aufregenden Klasse-Begegnung gegen den Tabellendritten, die zuletzt viermal hintereinander siegreiche Torfabrik von Bayer Leverkusen, ein verdienter 3:2-Erfolg, der die zumeist dem Motto entsprechend kostümierten 05-Anhänger unter den 10.00 Zuschauern in ausgelassene Feierstimmung. ersetzte. "Wir haben gewusst, dass wir eine besondere Leistung brauchen würden, um zu bestehen. Die haben wir bekommen von der Mannschaft, fußballerisch, kämpferisch und vor allen im mentalen Bereich, wenn man sieht, wie das Spiel gelaufen ist", sagte der 42-Jährige und fügte hinzu: "Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft."
Während nach dem erlösenden Schlusspfiff von Schiedsrichter Benjamin Cortus, dessen Leistung zu Diskussionen Anlass gab, die Mainzer Bank um Svensson herum mit Freudentänzen und Luftsprüngen ihrer Begeisterung über den grandiosen Sieg Ausdruck verlieh, stand der Trainer selbst ganz ruhig da als es vollbracht war, streckte nur den Zeigefinger in den Mainzer Nachthimmel und grinste etwas verschämt, so, als empfinde er auch diese Geste des Triumphs noch als unangemessen, weil er befürchtete, auch das Endergebnis könnte vom Schiri und dem Videoteam im Kölner Keller erst noch überprüft werden. Musste es nicht, am fünften Heimsieg der 05er in Serie zum Auftakt dieses 23. Bundesliga-Spieltages war nicht mehr zu rütteln.
So ruhig wie der Däne hatte der Mainzer Sportdirektor das Ende dieses aufregenden Matches nicht zu Ende bringen können. Martin Schmidt gestikulierte mit beiden Armen, um den Unparteiischen zu animieren, doch bitte schön abzupfeifen. Fünf Minuten Nachspielzeit waren um. Der musste endlich abpfeifen. "Das waren die Emotionen", gestand der FSV-Sportdirektor ein.
Jede Menge Emotionen
Und Emotionen weckte dieses, wie der Schweizer betonte, "sehr heiße Spiel" zu Genüge.“ Am Ende entlud sich das Ganze in fastnachtlicher Ekstase mit Humba, Helau, Narrhallamarsch, Olé, olé Fiesta und allem, was zur fünften Jahreszeit dazu gehört. Und einem 05-Team in den vierfarbbunten Trikots, die zu diesem Anlass extra entworfen worden waren, das auf die Ehrenrunde ging, vom Publikum begeistert gefeiert. "Weil wir das Glück des Tüchtigen hatten an diesem Tag der wunderschönen Tore", betonte Schmidt.
34 Punkte haben die Mainzer nun auf dem Konto durch den Erfolg gegen das Top-Team, und nach dieser hochklassigen, temporeichen, hart umkämpften und turbulenten Begegnung. "Gegen einen Gegner, der einen Lauf hatte, deshalb ist das 3:2 umso höher anzusehen", erklärte Schmidt. "Und es ist ein richtig großer Schritt, um in der Liga zu bleiben. Wenn wir so weitermachen, holen wir einen einstelligen Platz.“ Seine Aufgabe sei es, erklärte der Trainer, darauf zu achten, dass seine Mannschaft in den verbleibenden elf Spielen (33 Punkte liegen noch im Topf), diese Leistung gegen die Leverkusener noch häufiger bestätige.
Vom Anpfiff weg legten die Gastgeber los mit einer Energieleistung und immer im Vorwärtsgang. Etwa 60 Prozent Ballbesitz wies die Statistik zugunsten der 05er aus. Die Mainzer agierten schnell, kombinationssicher, zielstrebig mit starkem Pressing und im Gegenpressing. Allerdings mit einem Manko: der passende Abschluss fehlte. "Die Mannschaft hat eine sehr starke Leistung gebracht. In der ersten Halbzeit mussten wir mit 2:0 in Führung gehen", so Svensson. Es kam anders. Weil die 05er ihre Topchancen durch Jonny Burkardt, Anton Stach, Silvan Widmer und Karim Onisiwo im Überzahlangriff nicht nutzten, blieben die Gäste im Spiel. Und nutzten die einzige Situation, in der Dominik Kohr und Stach das Zentrum beim Gegenzug nicht dicht bekamen zum 1:0, auch weil Moussa Niakhaté Patrick Schicks Schuss unhaltbar abfälschte.
"Und dann sitzen wir in der Pause und liegen hinten, obwohl wir die bessere Mannschaft waren“, klagte der Coach. Es sei alles andere als selbstverständlich, dass sein Team dann so in die zweite Halbzeit zurückgekommen sei und das Spiel dominiert habe. Bayer-Trainer Gerardo Seoane räumte ein, dass die Leverkusener mit der physischen Mainzer Spielweise nicht gut zurechtgekommen seien. Das alles führte zum Ausgleich durch diesen Sehenswerten, direkt verwandelten Freistoß von Aaron. Und als der Unparteiische den Mainzern die 2:1-Führung nach Video-Überprüfung wieder aberkannte, weil Niakhaté nach Aarons Flanke im passiven Abseits ins Spiel eingegriffen haben sollte vor Onisiwos Kopfballtreffer, schien sich das Blatt noch einmal zu wenden. Denn nach diesem erneuten Nackenschlag erzielten die Leverkusener ihrerseits mit einem tollen Spielzug die 2:1-Führung und hätten sogar auf 3:1 erhöhen können, hätte Robin Zentner nicht mit einer Klasseparade überragend gegen Hincapie gerettet.
Joker bringen Qualität und entscheiden das Spiel
Doch dann zeigte sich die große Mentalität der 05er an diesem Abend. Svensson wechselte, und die Partie nahm erneut einen neuen Verlauf. Boëtius gelang mit einem herrlich gezielten Schuss mit der Innenseite ins lange Eck das 2:2, und Marcus Ingvartsen war schließlich der vielumjubelte Siegtorschütze mit einem Treffer, den so nicht viele Stürmer können. "Es ist sehr gut, dass die Jungs von der Bank reingekommen sind und nicht nur die Tore gemacht haben", sagte Svensson, "sondern dass sie das Spiel positiv beeinflusst und Qualität gezeigt haben, das brauchen wir für unsere Gruppe, das ist sehr wichtig."
Diese Mentalität des Nichtaufgebens, gepaart mit der Stärke, einen fußballerisch starken und nach den Erfolgen mit großem Selbstvertrauen ausgestatteten Favoriten im Grunde über 90 Minuten zu bekämpfen und das Spiel nach Rückschlägen wieder in die Hand zu nehmen, das hatte Niveau und war imponierend. "Es war ein Riesending“, betonte Sportdirektor Schmidt. "Wir haben unsere Heimstärke bewiesen, einen Gegner in die Schranken gewiesen, der hierherkommen wollte, um zu zeigen was er draufhat und gewinnen wollte. Wir sind eine Heimmacht. Davon leben wir in dieser Saison, deshalb stehen wir da, wo wir jetzt sind."