Profis 23.10.2023 - 17:00 Uhr
"Nur so werden wir es hinbekommen“
Zuversicht beim FSV durch Mentalität, Leistungssteigerung & Schulterschluss mit den Fans
Die Phase rund um die 60. Minute, die der amtierende Deutsche Meister nutzte, um die Partie in der ausverkauften MEWA ARENA endgültig auf seine Seite zu ziehen, seine Negativserie in Mainz zu beenden und dem in dieser Saison weiterhin sieglosen 1. FSV Mainz 05 eine 1:3-Heimniederlage zuzufügen, war symptomatisch für das komplette Duell mit dem FC Bayern München. Die Gastgeber leisteten enorm viel Widerstand in der Begegnung mit dem Favoriten, schafften es aber nicht, in den entscheidenden Situationen ihre Großchancen zu Treffern zu verwerten und ebneten den Bayern mit individuellen Fehlern im Defensivverhalten den Weg, nach drei Niederlagen in Folge diesmal mit einem Sieg die Heimreise anzutreten. Trotz einer guten, von viel Mentalität geprägten Leistung, trotz mehr gelaufenen Kilometern, der besseren Zweikampfwerte und der Vielzahl an Abschlussmöglichkeiten wartet der FSV im Tabellenkeller der Liga weiterhin auf ein Erfolgserlebnis. Die Anhänger im Stadion honorierten die Leistung ihres Teams trotzdem, feierten dessen Engagement und dass es bis zum Schluss nicht aufgegeben, sogar einem Punktgewinn nahegekommen war. "Das fühlt sich sehr gut an“, sagte Leandro Barreiro nach der Partie.
Schmidt: "Es lag mehr drin"
Martin Schmidt sprach nachher von einem "seltsamen Gefühl. Es lag mehr drin. Es war aber in der Tat so, dass wir bei zwei der drei Tore mithelfen. Beim ersten in der Vorwärtsbewegung der Fehlpass. Beim dritten erobern wir den Ball und verhühnern ihn am Sechzehner wieder. So etwas wird von den Bayern bestraft. Diese zwei Tore haben wir zu einfach vorbereitet. Auf der anderen Seite hatten wir das Quäntchen Glück nicht. Bei Lees Kopfball, bei Bell nach der Pause, vor allem bei Bellos Chance beim Stand von 1:2. Der muss eigentlich reingehen. Wenn es hier 2:2 steht, dann hätte Bayern vielleicht gemerkt, wie müde sie sind. Da wollten wir sie haben, wollten sie müde laufen. Doch das haben wir durch Ungenauigkeiten oder das Glück, das wir nicht hatten bei den Pfostentreffern, nicht geschafft. Hinten der eine oder andere Fehler zu viel, vorne fehlt uns dann die Genauigkeit und die Schärfe, um aus so einem Spiel auch mal etwas mitzunehmen“, sagte der Sportdirektor des FSV. "Die Tore, die wir im Moment nicht reinkriegen, die Bayern aber schon, machen dann den Unterschied“, betonte Schmidt.
Ulreichs Sensations-Parade
"Wir haben uns anfangs sehr schwergetan, Zugriff zu bekommen, das Timing zu finden. Im Anlaufen hat es nicht so gepasst. Doch das erste Tor, das muss man ganz klar sagen, entsteht durch einen Fehler von uns, im Verteidigen, wo wir nicht klar genug spielen. Doch wir haben auch nach dem kurz darauf folgenden 0:2 nicht aufgegeben“, bemerkte Bo Svensson.“
Im Anschluss an den ersten echten Mainzer Abschluss von Danny da Costa startete Leroy Sané einen Konter, der zum 0:1 führte. Edimilson Fernandes hätte den Nationalspieler in der Mitte der Münchener Hälfte noch stoppen können, ging jedoch nicht energisch genug in den Zweikampf. Danach hatte Sané freie Bahn und Kingsley Coman vollstreckte gegen den abwartenden Anthony Caci. Wenig später erhöhten die Gäste auf 2:0, als Jamal Musiala flankte, Leon Goretzka am zweiten Pfosten in der Mitte Harry Kane bediente , der per Kopfball abschloss.
Zwischen den beiden Treffern allerdings hatte Sven Ulreich mit einer sensationellen Parade den Ausgleich verhindert: Jae-Sung Lee hatte eine da-Costa-Flanke mit der Stirn aus acht Metern Torentfernung exakt neben den Pfosten gedrückt, doch der Bayern-Keeper kam noch an die Kugel, lenkte sie ans Aluminium. Die Gastgeber gaben nicht auf, spielten engagiert und mutig nach vorne und schafften den Anschlusstreffer vor der Pause - ausgehend von Barreiro, der Sané stoppte und Brajan Gruda auf der rechten Seite einsetzte. Der Linksfuß, der eine herausragende Leistung bot, zog nach innen, sah Caci links im Strafraum, passte exakt zum Franzosen, der rechts oben in den Winkel traf. "Wir sind dann mit einem guten Gefühl in die zweite Halbzeit gegangen“, sagte der Mainzer Cheftrainer. Das Gefühl wäre noch besser geworden, hätte Bell nach Wiederanpfiff mit einer Direktabnahme getroffen und vor allem, wenn der Abwehrchef dann die größte Chance des gesamten Spiels zum 2:2 genutzt hätte, als er nach Barreiros Pass auf da Costa und dessen kluger Weiterleitung in den Rückraum frei zum Abschluss kam. "Das ist eine Großchance, die man in einem solchen Spiel reinmachen sollte“, sagte der Innenverteidiger. "Ich muss ihn ja nur in die Ecke schieben. Wir machen da sehr viel richtig, spielen uns gut über außen durch, der perfekte Pass in den Rückraum. Kimmich grätscht noch und irritiert mich damit einen Tick. Das ist total bitter. Und das ist der Unterschied. Die Bayern machen so ein Ding dann halt“, sagte Bell.
Trotz Fehler und Rückstand nie aufgegeben
Das zeigte der Meister 84 Sekunden später und erzielte mitten in diese Mainzer Druckphase hinein das 3:1. Statt unentschieden war die Partie entschieden, denn die 05-Profis leisteten sich einen weiteren fatalen Fehler. Diesmal setzte Caci am eigenen Strafraum zu einem Dribbling an, verlor den gerade erst gewonnenen Ball an Musiala, dessen Zuspiel Goretzka verwertete. "Es ist extrem bitter. In der Szene glaube ich, dass wir kurz abgeschaltet haben, weil wir den Ball erobert haben. Dann waren wir sehr überrascht, dass wir ihn so schnell wieder verloren haben“, sagte Bell frustriert.
Wie gegen die Bayern wollen Leandro Barreiro und seine Teamkollegen auch in Bochum keinem Zweikampf aus dem Weg gehen.
"Wir haben trotzdem nicht aufgegeben. Wir hatten noch Chancen, um auf 2:3 heranzukommen wie bei Grudas Pfostenschuss. Insgesamt haben wir hinten ein paar Fehler zu viel gemacht, um hier einen Punkt mitzunehmen“, sagte der FSV-Trainer, der sich jedoch über eine Szene Mitte der ersten Halbzeit wunderte, als de Ligt Barreiro abgeräumt hatte: "Für mich hat es so ausgesehen, dass der Verteidiger mit vollem Risiko eine Grätsche auspackt und unseren Spieler foult. Vielleicht bin ich nicht sicher im Regelwerk, aber ich hätte gerne die Erklärung, warum das keine Rote Karte gab.“
Svenssons Fazit: "Wir haben inhaltlich viele Sachen, die wir besser machen müssen. Wo ich aber die Weiterentwicklung sehe, ist einfach immer weiterzumachen, auch wenn du in unserer Situation nach 15 Minuten 0:2 hinten liegst, trotzdem zusammen zu bleiben, kurz davor zu sein, das 2:2 zu machen. Da sehe ich eine intakte Gruppe. Ist das eine Garantie, dass wir ab jetzt Spiele gewinnen? Nein. Doch es gibt eine Garantie, dass, wenn wir das nicht haben, wir wahrscheinlich nicht plötzlich damit anfangen werden, Spiele zu gewinnen. Deshalb ist das für mich ein Faktor, der sehr wichtig ist“, erklärte der 05-Coach. "Nach dem Spiel heute können wir mit vielem hadern. Mit der Effektivität des Gegners, damit, dass wir mehr Tore hätten machen können, mit den Fehlern. Das hilft alles nichts. Wichtig in dieser Situation ist die Intaktheit der Mannschaft. Die Dinge fallen uns im Moment nicht so leicht. Wir müssen brutal viel Aufwand betreiben, um zu versuchen, dass sich die Waage wieder zu uns neigt. Und das werden wir auch tun.“
So sieht es auch der Sportdirektor. "Man sieht, dass die Formkurve jetzt wirklich seit drei Spielen anhält und dass es von Spiel zu Spiel besser wird. Da bin ich überzeugt, dass wir uns mit so viel Leistung auch wieder belohnen werden“, sagte Schmidt.
Svensson: Alle Kräfte sammeln und punkten
Am besten gleich im Auswärtsspiel am Freitagabend beim VfL Bochum. "Da müssen wir hellwach sein, gerade in der Defensive. Vorne müssen wir noch die die Spur exakter werden und uns belohnen.“ Jede Partie, betonte der Cheftrainer, sei extrem wichtig. "Das ist schon die ganze Zeit. der Fall“ Svenssons Devise: "Alle Kräfte sammeln, alles dafür tun, dass wir in dieser Partie und in jedem Spiel, das jetzt kommt, jede Gelegenheit ,die wir bekommen, nutzen. Punkten, versuchen, Spiele zu gewinnen auf unsere Art und Weise.“ Seine Zuversicht bezieht der Trainer aus dem, wie er die Mannschaft erlebt. Der Mentalität aus dem Bayern-Auftritt. Und auch aus der Unterstützung der Fans. "So kenne ich es jetzt seit vielen Jahren hier, gerade in schwierigen Zeiten eng zusammenzustehen. Nur so werden wir es hinbekommen.“