Profis 07.10.2023 - 16:00 Uhr
"Spiel für Spiel, Halbzeit für Halbzeit raus aus dieser Situation“
Durch Grudas Traumtor und Barkoks Torpremiere schnuppert der FSV in Mönchengladbach am ersten Saisonsieg
Die Gesichter sprachen Bände. Für nicht wenige der Beteiligten fühlte sich das 2:2 des 1. FSV Mainz 05 zum Auftakt des siebten Bundesliga-Spieltages am Freitagabend bei Borussia Mönchengladbach wie eine weitere Niederlage an. Nicht wie der zweite Punktgewinn dieser Spielzeit in einer Partie, in der das Team von Bo Svensson schon stark am so heftig herbei ersehnten ersten Erfolg dieser Runde geschnuppert hatte, ehe ein Distanzschuss von Joe Scally den Gastgebern in der 88. Minute noch den Punkt im eigenen Stadion sicherte. Die Gäste, das war deutlich zu sehen, haderten damit, die 2:1-Führung, die Aymen Bakok in der 75 Minute erzielt hatte, nicht über die Zeit gebracht zu haben. "Wir sind natürlich frustriert, weil wir so einen späten Ausgleich kriegen und durchaus die Chance hatten, das Spiel zu gewinnen. Es ist frustrierend, dass wir wieder keine drei Punkte mitnehmen. Das 2:2 ärgert uns alle extrem“, erklärte Robin Zentner nach dem Abpfiff. Der 05-Torhüter hatte noch die Hände an diesem Flatterschuss, der sich immer weiter senkte, schaffte es aber nicht mehr den Ball über die Latte zu bugsieren. "Wir haben gegen Ende einfach zu viel zugelassen. Es war über weite Teile unser Problem, dass wir dem Gegner ein bisschen zu viel Zeit gelassen und zu nahe an unser Tor haben kommen lassen. Wir müssen sie früher unter Druck setzen, enger dran sein. Das waren zu viele flanken, die reinkamen, zu viele Möglichkeiten für den Gegner, ein Tor zu schießen“, sagte der Torhüter, der seine Mannschaft als Kapitän anführte. "Klar, es ist eine Situation, die nicht einfach für uns ist, aber ich finde, wir haben uns hier auswärts gut präsentiert, fußballerisch ordentlich agiert, Möglichkeiten gehabt, früher das zweite Tor zu machen. Es ist gerade bitter, aber es lässt sich darauf aufbauen. Wir müssen uns Spiel für Spiel, Halbzeit für Halbzeit, Einzelleistung für Einzelleistung aus dieser Situation rausarbeiten.“
Weit mehr als 1.000 Mainzer begleiteten ihr Team nach Mönchengladbach und honorierten die Leistungssteigerung in Durchgang zwei.
Zentners unglaubliche Paraden
Ganz ähnlich bewertete auch der Sportdirektor des FSV den Auftritt der Rheinhessen in Mönchengladbach. "Es war am Schluss schade, wie schon gegen Frankfurt. Wenn man das gesamte Spiel einordnet, ist das 2:2 nicht unverdient und beide können damit leben. Trotzdem ist es hart, wenn du drei, vier Minuten vor Schluss das Gegentor bekommst, denn dieser Dreier hätte uns unheimlich gutgetan. Vor allem nach einem Spiel, das so schwer begonnen hatte. Das wunderschöne Tor von Brajan Gruda hat uns lebendig gemacht, von da haben wir das Spiel ausgeglichen gestalten können. In die zweite Halbzeit sind wir sehr gut gestartet, haben das Spiel sogar kontrolliert und in die gegnerische Hälfte verfrachten können. Nach der Führung durch Aymen hat es hintenraus nicht ganz gereicht, obwohl Robin einige unglaubliche Paraden an den Tag gelegt hat.“
Die herausragende Zeit des Mainzer Torhüters war die Phase von der 68. bis zur 79. Minute: Sie begann mit einem Schuss von Nathan Ngoumou aus spitzem Winkel, den Zentner über die Latte lenkte und setzte sich nach der folgenden Ecke und einem Flugkopfball von Ko Itakura fort, den der Keeper aus der rechten unteren Ecke holte. Mit dem rechten Bein wehrte er einen Kopfball von Toma Cavancara aus kurzer Distanz ab, dann scheiterte Ngoumou am 05-Schlussmann, danach erneut Cavancara aus fünf Metern.
Vor dieser Gladbacher Druckphase hatten die 05ER jedoch ihre beste Spielphase und sich mit Beginn der zweiten Halbzeit in der Gladbacher Hälfte festgesetzt. Leandro Barreiro tat sich als kompromissloser Balleroberer hervor und riss die Kollegen mit. Nach gewonnenem Zweikampf von Danny da Costa gegen Neuhaus setzte Gruda mit einem feinen Pass halblinks Lee in Szene, dessen Schuss aus 14 Metern die Mainzer Führung hätte bringen müssen, der Koreaner scheiterte aber mit einem drucklosen Abschluss an Moritz Nicolas im Tor der Borussia. Ähnlich gut harmonierten später die soeben eingewechselten Anwar El Ghazi und Aymen Barkok, dessen Flachschuss von der Strafraumgrenze jedoch ebenfalls nicht gut genug war. Besser machte es der 25-Jährige mit dem nächsten Angriff, den er aus der eigenen Hälfte heraus startete. Nach Doppelpass mit El Ghazi wurde Barkok auf seinem langen Weg zum Tor zwar von Rocco Reitz begleitet, mit einem Körperkontakt im Sechzehner aber brachte er sich in die Position, um den Ball am Fünfmeterraum über die Schulter des Keepers zum 2:1 ins Tor zu schieben - Barkoks erstes Ligator für die Mainzer. "Der Schubser war ganz wichtig“, sagte der Torschütze nachher.
Bitteres Ausgleichstor
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Gäste die Führung verdient, danach aber taten sie nicht mehr genug, um sie auszubauen, sondern gerieten wieder in die Defensive. "Da hatten wir einen Torwart, der uns im Spiel gehalten hat“, sagte Svensson, "dann überstehen wir diese Phase und kriegen am Ende das für uns so bittere Ausgleichstor. Ich glaube nicht, dass wir uns beschweren können, dass es am Ende unentschieden ausgeht, auch wenn ein Sieg in unserer Situation natürlich wichtig gewesen wäre. Selbst wenn es nicht verdient gewesen wäre“, fügte der Cheftrainer hinzu.
Svensson sprach später von einem intensiven Spiel, in dem Gladbach deutlich besser gewesen sei in der ersten Halbzeit. "Wir hatten Probleme, Zugriff auf das Spiel zu kriegen. So, wie auch das Tor fällt. Da sind wir nicht aktiv genug bei den Flanken, verteidigen es auch in der Mitte nicht gut und kriegen das 0:1. Übern den Treffer von Florian Neuhaus konnten sich die Gastgeber jedoch keine zwei Minuten lang erfreuen. Edimilson Fernandes legte eine Ecke von der rechten Seite in den Rückraum, Gruda nahm aus 17 Metern Maß und versenkte den Ball im kurzen oberen Winkel zu seinem ersten Treffer bei den Profis. „Im Abschlusstraining haben wir das geübt, da ist es aber immer schiefgegangen. Ich habe entweder den Ball nicht richtig getroffen oder er ist nicht Richtung Tor gegangen. Im Spiel hat es dann auf einmal funktioniert. Ich habe nicht viel nachgedacht, einfach geschossen. In diesem Moment wusste ich gar nicht wohin mit meinen Emotionen. Mir sind sogar ein paar Freudentränen gekommen, es war unbeschreiblich“, schilderte der Youngster die Situation.
"Auf den Platz bringen, was wir bringen müssen“
Gruda musste dann in der Schlussphase wegen Krämpfen runter. "Er muss jetzt dranbleiben, dass er auch mal länger spielen kann als diese 65, 70 Minuten und aus dieser Situation lernen. Er hat von Anfang an gespielt, weil er mutig ist und die nötige Qualität mitbringt“, erklärte der 05-Trainer. "Mit dem Wahnsinns-Schuss zum Ausgleich und dem Unentschieden zur Pause waren wir richtig gut bedient.“ Und Zentner ergänzte: "In der ersten Hälfte war die Unsicherheit bei uns zu spüren. Wir haben nicht das gemacht, was wir von Anfang an machen wollten, haben nicht die Räume bespielt, die der Gegner uns gegeben hat, weil uns etwas der Mut gefehlt hat.“
Als ein Lebenszeichen vor der nun beginnenden Länderspielpause wollte Bo Svensson das 2:2 auswärts nicht gewertet wissen. "Für mich ist das kein Lebenszeichen. Für mich war schon eher Leverkusen ein Lebenszeichen. Weil wir schon da versucht haben, mit allen Mitteln das auf den Platz zu bringen, was wir bringen müssen. Ich verstehe, dass man das von außen so sieht, wenn man nur auf die Ergebnisse schaut. Ich sehe das anders im Alltag. Ich sehe im Training wie die Gruppe versucht, diese schwierige Situation zu meistern.“ Weiter geht es für den FSV im Anschluss an die Länderspielpause mit dem bereits ausverkauften Duell gegen den FC Bayern München (21. Oktober, 15.30 Uhr).