Profis 01.12.2021 - 18:30 Uhr
Baku: "Bin bis heute dankbar"
Das Mainzer Eigengewächs wechselte im Oktober 2020 zum VfL Wolfsburg, dem kommenden Gegner der 05ER. Der 23-Jährige spricht im Interview über seine Zeit in Mainz, die Entwicklung der 05ER unter Bo Svensson und das Gefühl, in der Champions League zu spielen.
Die besondere Geschichte von Ridle Baku ist wahrscheinlich jedem Fan der 05ER bestens bekannt. Nachdem der gebürtige Mainzer zwischen 2007 und 2017 alle Nachwuchsmannschaften des FSV bis zur U23 durchlaufen hatte, begann seine Bundesliga-Karriere bei den Rheinhessen quasi an einer Raststätte auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel mit der höchsten Ausbildungsmannschaft in Freiburg. Das Mainzer Eigengewächs wurde zurückbeordert, nur wenige Stunden später stand Baku in der Startelf der 05-Profis gegen RB Leipzig und erzielte sogar seinen ersten Treffer in seinem ersten Spiel in der höchsten deutschen Spielklasse.
Seit Oktober 2020 spielt Baku beim VfL Wolfsburg, dem kommenden Gegner des Teams von Bo Svensson beim Spiel der Herzen am Samstag (15:30 Uhr) in der MEWA ARENA. In Niedersachsen ist der 23-Jährige zu einem Top-Spieler der Bundesliga gereift, der in der Champions League aufläuft und in der A-Nationalmannschaft erste Erfahrungen gesammelt hat. Im Interview spricht Baku über ein besonderes Spiel, die Zeit in Mainz und seine Weiterentwicklung in vielen Bereichen.
Hallo Ridle, wie geht es dir und wo erreichen wir dich?
Baku: "Wir sind gerade mit dem Training fertig und haben eine 'normale' Woche, bevor nach dem Spiel in Mainz auch die Champions League wieder auf dem Programm steht. Die letzte Zeit war intensiv mit der Dreifachbelastung, aber mir geht es sehr gut."
Euer letztes Auswärtsspiel in Mainz habt ihr im Januar 2020 mit 2:0 gewonnen. Damals sah es nach der Hinrunde sehr düster aus für die 05ER. Wie hast du die Entwicklung von Mainz 05 mit dem Klassenerhalt und auch in der laufenden Saison wahrgenommen?
"Es war nicht angenehm zu sehen, wie es den alten Kollegen ging und wie negativ der Trend war. Aber wenn man sich anschaut, wie es danach weiterging, ist es wirklich grandios, was in Mainz geleistet wurde und wird. Der Fußball, den Bo Svensson und sein Team spielen lassen, ist das, was sich die Fans wieder gewünscht haben. Die Mannschaft investiert alles, jeder fightet für den anderen: das ist Mainz 05. Ich beobachte das aus der Ferne und finde es einfach positiv, dass es so gut läuft."
Hast du noch Kontakt mit deinen ehemaligen Kollegen aus Mainz?
"Ja klar, ich kenne noch viele Personen im Verein. Ab und zu tauscht man noch Nachrichten aus, beispielsweise mit Moussa, Finn, Leo oder Jonny."
Auch in dieser Woche vor dem Spiel am Samstag?
"Bisher gab es noch keinen Kontakt, aber vielleicht kommt das noch."
Wie groß ist die Vorfreude auf die Partie in der alten Heimat?
"Ich freue mich auf das Spiel und viele Gesichter auf dem Platz wiederzusehen. Das Ergebnis soll aber natürlich positiv für uns sein."
Hast du auch Unterstützung von Familie und Freunden, die noch hier in Mainz und im Rhein-Main-Gebiet wohnen?
"Ich habe einige Anfragen bekommen von Freunden, Leuten aus meiner Schulzeit, auch meine Familie wird vor Ort sein, wenn es überhaupt möglich ist. Es wird ein sehr besonderes Spiel für mich und ich freue mich, an alter Wirkungsstätte auflaufen zu können."
Besonders ist auch deine sportliche und persönliche Entwicklung, seit du im Oktober 2020 nach Wolfsburg gewechselt bist. In diesen 14 Monaten ist viel passiert. Nimm uns mal mit auf diese Reise.
"Es war keine einfache Entscheidung für mich, meinen Heimatverein zu verlassen. Ich wollte mich sportlich weiterentwickeln mit der Perspektive, international zu spielen. Dann habe ich den Schritt nach Wolfsburg gewagt."
Was hast du dir konkret davon erhofft?
"Ich wollte reifen und ein gestandener Bundesligaspieler werden. Das habe ich in Wolfsburg getan und konnte hier die nächsten Schritte gehen. Herausforderungen wie die Nationalmannschaft und Champions League kamen hinzu, es ist viel passiert in den letzten Monaten und ich habe mich sportlich und persönlich nochmal weiterentwickelt. Vorbei ist diese Entwicklung noch nicht, aber es war auf jeden Fall der richtige Schritt, nach Wolfsburg zu gehen."
Was sind aus deiner Sicht die Unterschiede in der täglichen Arbeit bei einem Verein wie dem VfL Wolfsburg, der immer Ambitionen hat, international zu spielen?
"Der Druck ist nochmal ein anderer. In Mainz kam ich aus der Jugend und Fehler wurden dir eher verziehen. Hier in Wolfsburg muss man ständig performen, wenn man das nicht tut, steht schon der nächste Spieler in den Startlöchern. Die Leistungsdichte ist einfach sehr hoch."
Du hast die Champions League schon erwähnt. In dieser Saison hast du mit dem VfL dort deine ersten Partien absolviert. Ist das ein anderer Fußball als in der Bundesliga?
"Ja, definitiv. Es ist einmalig und so wie ich es mir vorgestellt habe. Wenn man dort steht und die Champions-League-Hymne hört oder auch ein Tor macht…"
…was dir gegen Salzburg gelungen ist…
"…das ist etwas ganz Besonderes. Ein sehr schönes Gefühl und man will in der täglichen Arbeit noch mehr geben, um auf diesem Niveau spielen zu können. Damit ist ein Traum in Erfüllung gegangen."
Alle drei Tage zu spielen, ist das für dich auch körperlich eine Herausforderung gewesen?
"Es ist körperlich und mental schon eine Herausforderung. Man muss den Switch hinbekommen, weil man gar keine Zeit hat, über das letzte Spiel nachzudenken. Es geht direkt ins nächste und man muss wieder performen. Das ist der Unterschied zum normalen Bundesliga-Alltag."
Du hast dich in Wolfsburg schnell etabliert. Siehst du dich früher oder später als Führungsspieler, der Verantwortung übernimmt?
"Ich bin jemand, der auf dem Platz gerne Verantwortung übernimmt und für meine persönliche Entwicklung finde ich es wichtig, dass ich in den Spielen vorangehe, natürlich vor allem mit Leistung, das ist das wichtigste."
Du hast auch eine gewisse Torgefahr entwickelt.
"Es fing damit an, dass die Trainer mich hier auf der Position rechts vorne eingesetzt haben, das hatte ich in Mainz in der U17 und U19 bereits gespielt, damals habe ich auch einige Tore geschossen. In den Trainingseinheiten habe ich mich sehr akribisch damit befasst. Es ist schön, dass ich der Mannschaft damit helfen kann."
Du hast gerade deine Ausbildung im NLZ am Bruchweg von 2007 bis 2017 angesprochen. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?
"Da wurde der Grundstein gelegt, um im Profifußball mal Fuß fassen zu können. Den vielen Personen, die mich begleitet haben, bin ich bis heute dankbar, zu einigen Trainern habe ich noch Kontakt. Ich bin sehr froh über die Ausbildung, die ich in der Jugend bei Mainz 05 bekommen habe, es war eine sehr schöne Zeit."
Du hast im November 2020 dein Debüt in der A-Nationalmannschaft gefeiert. Wie hast du diesen Moment erlebt?
"Das kam damals überraschend, ein bisschen hat es sich wie bei meinem Bundesliga-Debüt angefühlt. Unglaublich, dass das passiert ist, ein Traum ist in Erfüllung gegangen und ich konnte seitdem noch weitere Spiele absolvieren. Ich erhoffe mir, dass ich dauerhaft auf dem Niveau Fuß fassen kann."
Dazwischen hast du mit der U21 als Kapitän den EM-Titel gewonnen. Das war sicherlich auch eine besondere Erfahrung.
"Besser als mit einem Titel hätte der Abschluss des Junioren-Bereichs beim DFB nicht laufen können. Viele haben uns nicht zugetraut, dass wir da was holen können. Deshalb war es umso schöner, auch zusammen mit meinen ehemaligen Teamkollegen bei Mainz 05, Finn Dahmen und Jonny Burkardt, den Titel zu feiern."
Kommen wir nochmal zum VfL Wolfsburg. Du hast in deiner Zeit bereits drei Trainer kennengelernt. Was konntest du von ihnen mitnehmen?
"Alle sind Persönlichkeiten, die sehr viel von mir eingefordert haben und menschlich sowie fachlich auf Top-Niveau arbeiten. Bei Oliver Glasner und Mark van Bommel konnte ich sehr viel lernen. Genauso wie jetzt auch bei Florian Kohfeldt. Wir wollen unsere Entwicklung weiter fortsetzen und wieder Erfolg haben."
Was erwartest du von dem Spiel am Samstag?
"Das ist schon richtungsweisend, wenn Mainz gewinnt, stehen sie vor uns. Wir wollen uns oben festsetzen, das ist unser Anspruch und dafür müssen wir 'leider' die drei Punkte aus Mainz mitnehmen (lacht)."
Die Partie ist nicht nur sportlich interessant, sondern auch für den guten Zweck: Das Heimspiel gegen den VfL ist das diesjährige 'Spiel der Herzen'.
"Ja, das ist mir noch bekannt aus meiner Mainzer Zeit. Wirklich eine super Sache und ich hoffe, dass viele Spenden zusammenkommen."
Vielen Dank für deine Zeit, Ridle!