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Nachwuchs 18.06.2024 - 17:00 Uhr

Schönweitz: "Wir müssen auf Sicht schneller, kreativer und innovativ sein“

Im Interview spricht der Direktor Entwicklung Fußball über die vergangene Saison, sein komplexes Aufgabengebiet, den "Mainzer Weg" bei der Entwicklung von Trainern und Talenten, Herausforderungen und emotionale Erlebnisse

Im Mai 2023, also vor etwas mehr als einem Jahr kehrte Meikel Schönweitz, der schon von 2010 bis 2014 als U17-Trainer im NLZ erfolgreich tätig war, vom Deutschen Fußball-Bund zu Mainz 05 zurück, wo er die Rolle des Junioren-Cheftrainers bekleidete. Nach etwas mehr als einem Jahr hat der 44-Jährige als Direktor Entwicklung Fußball eine auf vielen Ebenen außergewöhnliche Saison miterlebt und mitgestaltet. Im Interview blickt er zurück und voraus und beschreibt sein komplexes Aufgabenfeld, den "Mainzer Weg“ in der Talententwicklung und die Herausforderungen eines Nachwuchsleistungszentrums auf höchstem Niveau in den kommenden Jahren.

Hallo Meikel, vor etwas mehr als einem Jahr bist du zum FSV zurückgekehrt und seitdem als Direktor Fußball Entwicklung im Amt. Wie würdest du diese zwölf Monate im Rückblick beschreiben?

Der Verein hat in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Saison hinter sich, deshalb war es auch für mich sehr abwechslungsreich. Die Zeit war intensiv, herausfordernd, ereignisreich und emotional. Von Vorteil war definitiv, dass ich Stadt, Klub und viele handelnde Personen schon kannte und daher keine lange Eingewöhnungszeit nötig war.

Welche Herausforderungen sind dir in dieser Zeit begegnet?

Ich denke da beispielsweise an einige Neubesetzungen von Trainerstellen zu Beginn und während der laufenden Saison im NLZ. Unser damaliger U16-Trainer Marc Heidenmann ist zu Saisonbeginn ins Profi-Trainerteam aufgerückt. Für ihn haben wir intern etwas geschoben und mit Yannick Dreyer ein Trainertalent von den Stuttgarter Kickers für unsere U15 gewinnen können. Während der Saison gab es dann aufgrund der Situation bei den Profis weitere Verschiebungen. Jan Siewert rückte von der U23 zu den Profis auf, ebenso wie Sören Hartung. Marc Heidenmann haben wir im Winter wieder ins NLZ integriert und er hat in der Rückrunde mit der U17 einen sehr guten Job gemacht. Sportlich war es ebenfalls herausfordernd, beispielsweise in der U23, die in einer schwierigen Liga eigentlich eine ordentliche Punkteausbeute geholt hat und trotzdem bis zum vorletzten Spieltag um den Klassenerhalt kämpfen musste.

Du hast zwischenzeitlich sogar interimsmäßig die Trainerstelle bei der U23 übernommen.

Bis endgültig klar war, dass Jan bei den Profis bleibt und wir deshalb die U23 neu besetzen mussten, habe ich mich selbstverständlich in den Dienst des Vereins gestellt. Das war eine arbeitsintensive Zeit in der Doppelrolle als Trainer und meiner eigentlichen Funktion.

Kurze Rückkehr an die Seitenlinie: Von November 2023 bis zur Winterpause betreute Schönweitz die U23 interimsmäßig und erfolgreich. Aus sechs Partien sprangen vier Siege und ein Unentschieden heraus.

"Das waren besondere Momente, ein emotionaler Anker und gleichzeitig ein Aushängeschild für die Qualität unserer Nachwuchsarbeit"

Den neuen U23-Cheftrainer habt ihr in den eigenen Reihen gefunden. Es gab allerdings noch keinen Nachfolger für die U19, gleichzeitig ist das Team in der Youth League durchgestartet.

Es war für uns klar, dass wir Benjamin Hoffmann diese Position anbieten wollen, da er in den letzten Jahren sehr erfolgreich im Jugendbereich gearbeitet hat und nun den nächsten Schritt in den "Männerfußball“ machen konnte. Allerdings war es schon eine schon Herausforderung, dass Benni mitten in einer spannenden U19-Saison steckte inklusive der Youth League. Wir wollten ihm auf der einen Seite die Chance zur Weiterentwicklung nicht verbauen, gleichzeitig aber auch diese Erlebnisse mit seinem Team nicht nehmen. Also war schnell klar, dass wir einfach beides miteinander kombinieren.

Und ein Nachfolger für die U19 war dann auch gefunden. Warum habt ihr euch für Jan Kirchhoff entschieden?

Die Entscheidung fiel schnell auf Jan. Er ist ein sehr talentierter Trainer, der ehrgeizig, aber vor allem lernwillig ist. Sein Profil dazu war perfekt: Ein ehemaliger 05ER, der den Verein kennt, dem hier der Durchbruch vom Jugendspieler zum Profi gelungen ist und der unter Trainern wie Thomas Tuchel und Pep Guardiola Erfahrungen gesammelt hat. In den Gesprächen wurde klar, dass auch er für die Aufgabe brennt. Wir mussten zwar etwas geduldig sein, weil es nicht einfach ist während der Saison einen Trainer zu verpflichten, der bereits einen Job hat, aber nach einiger Zeit konnten wir uns glücklicherweise mit dem VfB Stuttgart einigen.

Was waren die besonderen, emotionalen Ereignisse?

Natürlich die Youth-League-Abende unserer U19 im ausverkauften Bruchwegstadion gegen Barcelona, Manchester City und Porto. In einer schwierigen Phase des Gesamtvereins waren das besondere Momente, ein emotionaler Anker und gleichzeitig ein Aushängeschild für die Qualität unserer Nachwuchsarbeit. Auch, dass ich nochmal bei der U23 für ein paar Spiele als Trainer an der Seitenlinie stehen würde, hätte ich vor der Saison nicht gedacht. Natürlich habe ich mich auch über individuelle Entwicklungen gefreut, sei es bei Nachwuchsspielern oder unseren Trainern im NLZ. Außergewöhnlich und emotional war es auch, den erfolgreichen Abstiegskampf der Profis mitzuerleben. Die letzten drei Monate der Saison haben gezeigt, was diesen Verein ausmacht.

Das Thema Weiterentwicklung steht bei Schönweitz oben auf der Agenda: Regelmäßig stehen beispielsweise Vorträge und Fortbildungen für die Trainer im NLZ an.

"Wir haben einen klaren Plan, klare Leitlinien, eine familiäre Atmosphäre"

Du hast es bereits angesprochen: Wir entwickeln immer wieder Trainertalente auf dem WOLFGANG FRANK CAMPUS, vor allem aber Spieler für unsere Profis in der Bundesliga. Wie funktioniert das?

Zunächst müssen wir die geeigneten Spieler finden und an uns binden. Das ist ein umkämpfter Wettbewerb, nicht nur im Rhein-Main-Gebiet, sondern in ganz Deutschland. Wir versuchen, sie optimal auf den Profifußball vorzubereiten. Ein langer Weg, der viele Hürden mit sich bringt und schwierig zu prognostizieren ist, allein schon aufgrund der unterschiedlichen körperlichen Entwicklungen, der unterschiedlichen Persönlichkeitsentwicklungen, den Einflüssen des persönlichen Umfelds. Hier versuchen wir, die Jungs so gut es geht zu begleiten.

Was ist der letzte Schritt?

Da geht es um die Integration in den Profibereich. Dafür bedarf es Mut und Weitsicht seitens des Vereins, aber auch einer enormen Disziplin, Wille und vor allem geduldiger Ungeduld der Spieler und ihres Umfelds. Das heißt, dass sie natürlich den Ehrgeiz haben müssen zu spielen, gleichzeitig aber auch wissen müssen, dass sie sich ihre Chance hart und manchmal über einen längeren Zeitraum erarbeiten müssen.

Oftmals ist dabei die Rede vom "Mainzer Weg“. Warum ist die Durchlässigkeit in Mainz größer als an vielen anderen Standorten?

Wir haben einen klaren Plan, klare Leitlinien, eine familiäre Atmosphäre, in der man sich entwickeln kann, in der man Fehler machen kann, an denen man reift. Und in erster Linie gutes, kompetentes Personal, das mit der entsprechenden Leidenschaft und vor allem Selbstlosigkeit dabei ist. Ein guter Jugendtrainer muss Ehrgeiz und Siegeswille haben, aber er darf diesen persönlichen Ehrgeiz nicht auf dem Rücken der Jungs austragen, sondern ihnen den Weg ebnen und Mittel an die Hand geben den Erfolg aus eigener Kraft zu erreichen. Dafür ist Fachwissen, aber vor allem Vermittlungskompetenz, Persönlichkeit und Ausstrahlung gefragt. Das sind wichtige Komponenten in unserer Trainersuche und Trainerausbildung.

"Die Aufgaben sind dreigeteilt."

Wie sieht deine Rolle in diesem Prozess aus und wie kann man sich Alltag eines Direktor Fußball Entwicklung vorstellen?

Die Aufgaben sind komplex und dreigeteilt. Zum einen bin ich bei Profis angedockt, in die Kaderplanung integriert und Bindeglied zwischen NLZ und Profis im Übergangsbereich. Ich beschäftige mich damit, wer auf dem Sprung ist, wer bei den Profis mittrainieren kann und wen wir wie fördern müssen. Ein großer Aufgabenbereich ist die sportliche Leitung mit dem Schwerpunkt der Leistungsteams, also von der U17 bis zur U23. Ich bin aber auch bei der U15 und U16 inhaltlich tief drin. Dabei geht es um die Besetzung der Trainer und um die Kaderplanung. Dazu bin ich auch inhaltlicher Ansprechpartner für die Trainer und den Staff, wenn es um Abläufe geht, um unseren Spielstil, Aufstellungen, Trainingsinhalte und Trainingsgestaltung. Der dritte Bereich ist das Thema Weiterentwicklung. Ich tausche mich ständig mit allen Beteiligten aus, in welchen Bereichen wir uns optimieren können, was wir dafür brauchen, um unsere Spieler, Trainer und Mitarbeiter auf das nächste Level bringen zu können.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Profi-Abteilung?

Mit Bernd Legien (Direktor Scouting) und unserem Sportdirektor Martin Schmidt tausche ich mich täglich aus, bin bei fast allen Trainingseinheiten der Profis und fast allen Spielen dabei. Wir sitzen in dieser Runde wöchentlich mit Christian Heidel zusammen und sprechen über den Kader, Entwicklungen und die künftige Ausrichtung. Ich bringe meine Expertise und Meinung beratend ein und bin auch bei dem ein oder anderen Spielergespräch dabei. Dazu halte ich die drei über die Entwicklungen im Nachwuchs auf dem Laufenden. Wir haben einen sehr guten, vertrauensvollen Austausch.

Gemeinsam mit Direktor Nachwuchs, Volker Kersting, bildet Schönweitz das Führungsduo im NLZ.

"Die Arbeit im NLZ ist mittlerweile hochkomplex"

Das NLZ hat mit Dir und Volker Kersting zwei führende Köpfe. Wie sieht Eure Arbeitsaufteilung aus?

Die Arbeit im NLZ ist mittlerweile hochkomplex und es gibt viele Mitarbeiter, die es zu führen gilt. Man kann das einmal in die sportlich-inhaltlichen Themen unterscheiden, die in erster Linie bei mir angesiedelt sind sowie organisatorischen Themen und die außersportliche Betreuung, für die Volker in erster Linie zuständig ist. Wir haben in unserem NLZ viele sehr fähige Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Gebieten, die alle einen Ansprechpartner benötigen. Volker und ich profitieren da gegenseitig von der Expertise, Erfahrung und dem Netzwerk des anderen und können so alle Themen bedienen.

Wo liegen aus deiner Sicht die Herausforderungen für uns als NLZ in den kommenden Jahren?

Der Wettbewerb ist hart umkämpft. Da im Fußballsystem viel Geld steckt, wollen viele Menschen ein Stück vom Kuchen abhaben. Eine Herausforderung wird sein, die Inhalte weiter in den Mittelpunkt zu stellen. Die Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel. Prioritäten verschieben sich, Lebensgewohnheiten ändern sich, Wertevorstellungen und der Umgang miteinander ändern sich. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben unsere Spieler auch in der Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten, Werte und Normen mitzugeben, Basistugenden für eine erfolgreiche Zeit als Fußballer, aber auch als Mensch zu entwickeln, wie Widerstandsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Das gilt es weiter aufrecht zu halten. Die Kombination von Schule und Leistungssport wird in den kommenden Jahren sicherlich auch ein wichtiges Thema sein. Hier sind wir gut aufgestellt, haben aber dennoch Steigerungspotenzial. Die größte Herausforderung ist derzeit, die Informationsflut, die Unmengen an Daten, die man generieren kann und Informationen die man zugespielt bekommt, so zu filtern, dass man sie effektiv nutzen kann. 

Worauf kommt es deshalb für uns an?

Wir müssen auf Sicht schneller, kreativer und innovativ sein, vor allem aber auch uns treu bleiben, den Mainzer Weg weitergehen, unser Leitbild leben und unsere Stärken weiter in den Mittelpunkt stellen.

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