Schwere Steine in den Beinen

In Sachen Willensschulung war dieses Testspiel am Freitagabend vor 2.500 Zuschauern im Bonner Nordpark-Stadion sicherlich die bisher größte Herausforderung für die Profis des 1. FSV Mainz 05. 36 Grad im Schatten, den es auf dem Rasen kaum gab, Müdigkeit nach den vorangegangenen, umfangreichen Trainingseinheiten. Und ein Gegner, topfit und erstklassig besetzt, der sich eine Woche vor dem Start in die Zweitligasaison schon bestens eingespielt präsentierte. Die 3:5-Niederlage gegen den 1. FC Köln war folgerichtig, aber auch ein eigener Erfolg wäre drin gewesen, hätten die 05er das Momentum nach dem Ausgleich zum 3:3 genutzt. "Wir sind immer wieder rausgeflogen aus dem Spiel, sind aber auch immer wieder reingekommen. Wichtig war, sich nicht mit 5:1 oder 6:1 abschlachten zu lassen, was auch hätte passieren können", sagte Sandro Schwarz nach der ersten Niederlage im sechsten Vorbereitungsspiel.

Es waren schwierige Voraussetzungen für die Mainzer nach einer extrem anstrengenden Trainingswoche. Am Tag zuvor hatte der 05-Trainer sein Team noch durch eine Zwei-Stunden-Einheit gejagt, verbunden mit Treppensprints auf der Bruchweg-Tribüne und zusätzlichem Lauftraining. "Man konnte deutlich sehen, dass wir sehr schwere Steine in unseren Beinen hatten", sagte Schwarz nach dem Abpfiff.

Bundesliga-Team mit hoher Qualität

Dem gegenüber stand ein Gegner, der vor allem in Mittelfeld und Offensive erstklassig besetzt war und die Partie nutzte, um sich den letzten Schliff für das nächste Woche beginnende Unternehmen Wiederaufstieg zu holen. Jhon Cordoba und Serhou Guirassy im Angriff stellten die müden 05-Abwehrspieler immer wieder vor schwierige Aufgaben. Dahinter ein spielfreudiges Mittelfeld mit dem starken Dominick Drexler, mit Christian Clemens, Salih Öczan und Nationalspieler Jonas Hector. Dazu Einwechselspieler wie Marcel Risse, Lasse Sobiech, Jannes Horn, Mathias Lehmann, Simon Zoller oder Torjäger Simon Terodde. "Eine echte Bundesligamannschaft mit hoher Qualität, die auf den Saisonstart brennt", sagte Schwarz.

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Das 2:1 durch den Ex-05er Clemens nach einem Kölner Umschaltangriff durch die Mitte, nachdem zuvor Daniel Brosinski mit einem direkt verwandelten Freistoß die Führung von Guirassy ausgeglichen hatte, schien die Partie zu einer klaren Angelegenheit für den FC werden zu lassen. "Danach haben wir den Faden verloren, die Abstände nicht mehr beachtet. Die Ketten standen zu weit auseinander", kritisierte der 05-Coach. "Der mannschaftstaktische Bereich und die Mentalität waren nicht gut in dieser Phase. Die Passwege standen offen, wir haben nicht mehr richtig vorwärts verteidigt, nicht mehr gesichert." Die Kölner erhöhten auf 3:1 durch ein Elfmetertor von Cordoba, den Moussa Niakhaté im Strafraum zu Fall gebracht hatte.

Schwarz reagierte, änderte die Systematik, stellte von einem Sechser und zwei Achtern um auf die Doppelsechs und einen Zehner. "Da war's dann eigentlich richtig gut", sagte der 39-Jährige. "Wir haben eine gute Reaktion gezeigt." Brosinski verkürzte nach einem Foul an Karim Onisiwo im Strafraum per Elfmeter zum 2:3. Jonathan Burkhardt zeigte seinen Torriecher beim Ausgleich nach einer Ecke, die Aaron Seydel per Kopf verlängerte. Zwei Minuten später vergab Anthony Ujah die mögliche 05-Führung nach Balleroberung von Gerrit Holtmann und einem scharfen Pass vors Tor. Die Kölner, insgesamt mit mehr klaren Chancen, erhöhten prompt auf 4:3 durch Niklas Hauptmann. Quasi im Gegenzug traf der erneut bärenstarke Burkhardt mit einem Kopfball nur den Pfosten. Am Ende ballerte Risse einen Freistoß aus 40 Metern zum 5:3 ins Netz.

Letzte Konsequenz fehlte

"Es ist ärgerlich, dass du dann das Spiel noch verlierst", sagte Schwarz. Die fünf Gegentore zeigten jedoch, dass die letzte Konsequenz zu oft gefehlt hatte. "Die Müdigkeit war schon zu sehen und ein klarer Faktor", so der Trainer. "Trotzdem ist es wichtig, sich solchen Widerständen entgegenzustemmen. Wir hatten Phasen, in denen wir es gemacht haben, aber auch Phasen, in denen wir uns echt schwer getan haben. Positiv war das 3:3 und die zweite Halbzeit generell. Aber durch die fehlende Frische in den Beinen und Köpfen hatte es der Gegner zu einfach."

Am Sonntag geht's für die 05er nun für sechs Tage nach Tirol. Fürs Trainingslager in Bad Häring hat Schwarz klare Ziele vorgegeben: "Die nächsten Schritte als Gruppe machen. Die Neuzugänge weiter integrieren. Die Basis verfestigen in der Arbeit gegen den Ball. Wir möchten heimfahren und sagen, wir haben die nächsten Schritte gemacht auf dem Weg, wie unser Spiel aussehen soll und auch im Umgang miteinander."