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Nachwuchs 08.07.2020 - 15:00 Uhr

Siewert: "Bin froh, jetzt ein Teil davon sein zu können"

Der neue Junioren-Cheftrainer im Nachwuchsleistungszentrum im Interview

Bester Laune beim Interview auf der Haupttribüne des Bruchwegstadions: Jan Siewert.

Seit dem 1. Juli hat der 1. FSV Mainz 05 wieder einen Junioren-Cheftrainer im Nachwuchsleistungszentrum. Jan Siewert hat bereits in jungen Jahren eine beachtliche Trainerkarriere im Profi- und Nachwuchsbereich hingelegt, die ihn bis in die Premier League zu Huddersfield Town führte. Warum er sich für Mainz 05 und entschieden hat, was seine Aufgaben als Junioren-Cheftrainer sind und auf was er sich freut, erzählt der 37-Jährige im Interview (Auch im Video auf Facebook).

Hallo Jan, nochmal herzlich Willkommen bei Mainz 05. Wie waren die ersten Tage als neuer Junioren-Cheftrainer für dich?

Siewert: "Ich habe mich gefreut auf die Aufgabe. Erstmal möchte ich jetzt mit jedem in Kontakt kommen, jeden einzelnen Trainer, Mitarbeiter und Spieler kennenlernen. Von daher, sind es intensive, aber sehr gute Tage."

Was hat dich dazu bewogen, nicht mehr als Cheftrainer im Profifußball in vorderster Reihe zu stehen, sondern in deiner Rolle als Junioren-Cheftrainer im NLZ noch mehr inhaltlich-strategisch zu arbeiten?

"Wenn du an jedem Wochenende als Trainer ein Ergebnis liefern musst, hast du nur wenig Zeit, dich selbst weiterzuentwickeln. Du entwickelst dich vielleicht über die einzelnen Spiele weiter oder den Austausch im Trainerteam, aber du kannst nicht mehr richtig über den Tellerrand schauen. Das kann ich jetzt in meiner neuen Aufgabe und kann das hier in Mainz einbringen. Das war auch ein Ansatzpunkt, warum mir der Job als Junioren-Cheftrainer in Mainz in diesem Moment sehr zusagt."

Wie sieht dein Aufgabengebiet im NLZ aus?

"Es ist sehr umfassend. Ich schaue mir Spiele und Trainingseinheiten der Nachwuchsteams an und bin im ständigen Austausch mit den Trainern und mit unserem NLZ-Leiter Volker Kersting. Wenn die Profis wieder in die Vorbereitung einsteigen kommt der Austausch mit diesem Bereich hinzu. Letztendlich ist es unser Ziel, Spieler in den Profibereich zu bringen. Dafür arbeiten wir und dafür habe ich Aufgabengebiete, die ich jetzt allmählich einzeln nach und nach kennenlerne."

Wie sieht diese erste Kennenlernphase konkret aus?

"Zunächst einmal gilt es für mich, in die Struktur hier bei Mainz 05 reinzukommen. Es wird hier seit vielen Jahren sehr gute Arbeit geleistet und jetzt will ich hier jeden Baustein kennenlernen.  Danach geht es darum, dass auch mit meinen Inhalten zu füllen und mit den Mannschaften zu arbeiten. Sprich, im Austausch mit den Trainern und Spielern zu sein. Ich glaube, dann fügt sich das Bild zusammen."

Du bist gebürtiger Mayener. War die Entscheidung für Mainz 05 am Ende auch eine für die Rückkehr in die Heimat nach Rheinland-Pfalz?

"Mein Sohn ist am 11.11. geboren. Ich bin absoluter Rheinländer und dort, wo ich herkomme ruft man auch Helau (lacht). Von daher passt das absolut zu Mainz 05. Die Familie ist für mich der wichtigste Teil, berufliche Entscheidungen habe ich schon immer gemeinsam mit ihr getroffen. Wir wollten für unseren Sohn ein Umfeld schaffen, in dem er sich wohlfühlt und Oma und Opa nicht weit weg sind. Das wahrnehmen zu können, darauf freuen wir uns natürlich auch."

Was waren die weiteren Gründe?

"Für mich war es wichtig, den inhaltlichen Plan von Mainz 05 nochmal intensiver kennenzulernen. Damit hat man mich überzeugt. Ich komme auch als Trainer über diesen inhaltlichen Aspekt und habe jetzt die Möglichkeit, diese hier im NLZ einzubringen."

Was ist dir dabei in der Ausbildung der Talente wichtig?

"Wichtig ist, dass wir den Spieler ganzheitlich betrachten. Es geht nicht nur um den fußballerischen Teil. Jeder Spieler agiert aufgrund seiner Prägung und das muss man bei jedem einfließen lassen. Das heißt, die Spieler sind unterschiedlich groß geworden in unterschiedlichen Umfeldern. Deswegen muss man jeden individuell betrachten und ihn dann mit seinen fußballerischen Komponenten zum Profi ausbilden."

Du warst auf deiner letzten Trainerstation im englischen Huddersfield und hattest auch Einblick in die dortige Nachwuchsarbeit. Welcher Ansatz wird dort verfolgt?

"Sie haben einen etwas anderen Ansatz als hier. Zumindest dort, wo ich Einblick hatte, läuft relativ viel über "Drill Training", also viele Wiederholungen. Es geht darum, dass ein Spieler auch unter Druck seine Lösungen und Werkzeuge immer abrufen kann. Man muss sich als Spieler außerdem frühzeitig darauf einstellen, dass der Berufsweg auf den Fußball ausgelegt ist. Bei uns ist es Gott sei dank etwas umfassender. Wir haben hier auch die schulische Ausbildung im Blick. Das hilft den jungen Spielern, sich breiter aufzustellen."

Nach dem Ende deiner Tätigkeit in Huddersfield hattest du eine lange Pause. Wie hast du die Zeit genutzt?

"Das erste Mal seit zehn Jahren hatte ich die Möglichkeit, auch mal zurückzublicken. Das heißt, zu schauen, was bei mir als Trainer passiert ist, wie viele Dinge mir widerfahren sind, die man im Rückblick nochmal für sich bearbeiten kann. Entscheidend war für mich in der Zeit auch klar zu sehen, dass es in meiner Karriere sehr schnell ging. Man hat als Profitrainer selten Zeit, sich weiterzubilden und Dinge zu finden, in denen man sich weiterentwickeln möchte. Jetzt habe ich in dieser Aufgabe hier in Mainz die Möglichkeit, das zu tun. Ich kann arbeiten, aber mich gleichzeitig weiterentwickeln, gemeinsam mit den Trainern hier im NLZ. Darauf freue ich mich richtig."

In der englischen Premier League trainierte Siewert Huddersfield Town. Damals bekam er auch Einblicke in die dortige Nachwuchsarbeit.Foto: imago images / MB Media Solutions

Kommen wir zu den Anfängen deiner Trainerlaufbahn. Wie kamst du in diesen Bereich rein?

„Ich habe mich leider relativ früh schon für die Trainerlaufbahn entscheiden müssen, weil mein Körper es als aktiver Spieler einfach nicht mehr mitgemacht hat. Ich hatte dann Glück, bei der TuS Koblenz zu Zweitligazeiten als Co-Trainer der U23 einsteigen zu können. Darüber habe ich dann den Weg zum Fußballverband Rheinland gefunden und bin dort als DFB-Stützpunktkoordinator und sportlicher Leiter angestellt worden. Mit 27 Jahren hatte ich dann die Verantwortung für die Weiterbildung der Trainer und Talente innerhalb des Verbandes."

Wie ging es dann weiter?

"Es ging dann, wie eben erwähnt, sehr schnell. Nach sechs Jahren durfte ich beim DFB mehrere U-Mannschaften begleiten, habe mich dann aber wieder für den Vereinsfußball entschieden, um meine weiteren Schritte folgen zu lassen. Dort konnte ich in vielen Bereichen Einblicke bekommen. Es begann als Cheftrainer bei Rot-Weiss Essen. Auch da konnte ich schon sehen, wie sich Talente entwickeln, wir konnten auch schon Talente im Profibereich etablieren, die jetzt sogar teilweise Bundesliga spielen. Auch beim VfL Bochum hauptverantwortlich für die U19 tätig zu sein, aber auch als Co-Trainer der Profis zu sehen, wie sich die Spieler morgens im Profitraining verhalten, hat mir selbst weitere Möglichkeiten eröffnet. Bei Borussia Dortmund konnte ich dann auch die Bedeutung einer U23 kennenlernen."

Die U23 hat ja auch bei Mainz 05 schon immer eine große Bedeutung

"Ich freue mich für unsere U23, dass wir da einen ganzheitlichen Ansatz haben. Das heißt, Spieler aus der U19 können es sofort in den Profibereich schaffen, aber auch über die U23. Die Wege eines jeden sind eben unterschiedlich und da muss man genau hinschauen, wie sich der Einzelne entwickelt."

Du hast einen Vertrag über vier Jahre unterschrieben. Welche Ziele hast du dir kurz- und langfristig gesetzt?

"Ich glaube das Ziel bleibt klar und muss auch in Mainz so sein. Wir sind ein Verein, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Jungs aus- und weiterzubilden und diese hoffentlich im Profibereich Fuß fassen zu lassen. Wenn man die Eigengewächse in der letzten Saison gesehen hat, die in einer Drucksituation performen konnte, dann kann man schon stolz sein auf diesen Weg. Ich kann es nur noch mal betonen: Die Arbeit, die hier geleistet worden ist, sei es von meinem Vorgänger, von allen Kollegen, die hier sind und mal waren und vielleicht schon wieder woanders sind, weil sich die Qualität herumgesprochen hat. Ich bin froh, jetzt ein Teil davon sein zu dürfen."