Nachwuchs 05.04.2023 - 18:30 Uhr
Sliskovic: "Das war eine krasse Erfahrung"
Er gewann mit der U19 vor knapp 14 Jahren die Meisterschaft, wurde Profi in Mainz und spielt mittlerweile in der indischen Super League
Petar Sliskovic war Teil der Mainzer U19-Mannschaft, die 2009 unter Trainer Thomas Tuchel sensationell die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft gewann. Bei Mainz 05 wurde der mittlerweile 32-Jährige unter Tuchel zum Profi und feierte sein Bundesliga-Debüt. Nachdem er bei vielen Klubs über die Jahre aktiv war, ist Sliskovic mittlerweile in der indischen Super League gelandet.
Im Interview spricht er über den Alltag in Indien, blickt zurück auf die Meisterschaft 2009 und seinen Trainer Thomas Tuchel. Außerdem erzählt er, warum er als junger Profi manchmal zu ungeduldig war.
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Hallo Petar, wie schmeckt dir die indische Küche?
"Ehrlich gesagt, habe ich mich noch nicht so wirklich rangetraut. Das Essen ist für mich etwas zu scharf und zu fettig. Das ist leider nicht so mein Ding. Wir essen hier meistens im Hotel."
Du spielst seit Sommer letzten Jahres beim Chennaiyin FC in der indischen Super League. Zuvor warst du in Wiesbaden in der dritten Liga. Wie kam der Wechsel zustande?
"Ich hatte schon ein paar Mal die Möglichkeit, ins Ausland zu wechseln. Das hat mich gereizt, diese Erfahrung wollte ich in meiner Karriere mal mitnehmen, denn ich bin mittlerweile 32 Jahre alt. Thomas Brdaric ist als Trainer nach Chennai gewechselt und hat meinen Berater angerufen, weil er einen Stürmer brauchte. Wiesbaden hat mir dann die Möglichkeit gegeben, zu wechseln."
Also ist Indien auch nochmal ein kleines Abenteuer zum Ende deiner Karriere oder vor allem sportliche Herausforderung?
"Es ist auf jeden Fall ein Abenteuer. Aber ich fühle mich fit und noch gut in Form und weiß noch nicht, ob das die letzte Station meiner Karriere sein wird, oder ob ich nochmal in Europa spiele."
Wie läuft dein Leben als Fußballprofi in Indien?
"Zunächst bin ich sehr dankbar für diese Erfahrung. Es ist eine komplett andere Welt mit anderen Dimensionen in einem Land mit über einer Milliarde Einwohnern. Nicht nur sportlich, auch als Mensch ist das eine Lehre für mein Leben, die ich mitnehme. Man lebt mit den anderen ausländischen Spielern im Hotel und trainiert, vom echten Leben hat man nicht so viel. Ich hatte aber eine erfolgreiche Saison mit elf Toren und sechs Assists in 22 Spielen."
Bekommst du etwas vom Alltag in Indien mit?
"Ab und zu bin ich draußen unterwegs. Chennai liegt direkt am Meer, da gibt es ein paar schöne Orte. Ich gehe auch regelmäßig in die Kirche. Dort habe ich schon ein paar Leute kennengelernt. Es gibt hier einige Religionen, die Inder glauben an viele Sachen, beispielsweise sind Kühe heilig. Man steht an der Ampel und neben dir liegt eine Kuh auf der Straße. Es gibt hier viele solcher Geschichten und ich bin total dankbar, das erleben zu dürfen."
Wirklich präsent ist die indische Super League in Deutschland nicht. Wie würdest du sie sportlich einstufen?
"Das ist schwer zu vergleichen. Jeder Verein kann bis zu sechs ausländische Spieler verpflichten, von denen vier gleichzeitig auf dem Platz stehen dürfen. Jede Mannschaft hat auch zwei, drei indische Spieler, mit guter Qualität, danach fällt sie jedoch stark ab. Es wechselt oft zwischen Welt- und Kreisklasse. Aber es ist keinesfalls einfach. Meistens spiele ich gegen ausländische Innenverteidiger."
Du bist der zweite Ex-05ER, der nach Indien gewechselt ist.
"Genau, Manuel Friedrich war sogar der erste Deutsche, der in Indien gespielt hat. Kontakt hatten wir aber nicht."
Du warst vor deiner Zeit in Indien bei vielen Vereinen in Deutschland und auch in der Schweiz aktiv. Wirklich lange hast du es bei keinem Klub ausgehalten. Woran lag das aus deiner Sicht?
"Das hatte vielfältige Gründe. In jüngeren Jahren lag es an meiner Ungeduld. Ich wollte immer spielen, vor allem, als ich in Mainz meine ersten Einsätze in der Bundesliga hatte, damals unter Thomas Tuchel. Teilweise lag es an Verletzungen, von 2014 bis 2016 hatte ich in jedem Jahr eine Knie-Operation. Manchmal kamen neue Trainer im Laufe einer Saison oder ich bin im Winter zu einem Verein gewechselt, mit dem Ziel, zum Klassenerhalt beizutragen, und das hat dann nicht geklappt."
Wärst du gerne länger bei einem deiner Vereine geblieben?
"Ja, in Mainz. Ich hätte meinen Vertrag damals verlängern können, bin aber in die Schweiz zum FC Aarau gewechselt. Mainz war die Top-Adresse, ich hätte mehr Geduld gebraucht und wäre gerne länger geblieben. Aber es ist so, wie es ist."
Bist du im Rückblick dennoch zufrieden mit deinem Karriereverlauf?
"Auf jeden Fall! Ich habe viele Erfahrungen gemacht in den ersten drei Ligen in Deutschland, in der Schweiz und in Indien. Natürlich kann man im Nachhinein immer sagen: ‚hätte ich mal das oder das gemacht‘. Trotzdem bin ich dankbar für alles. Ich bin erst 2007 nach Deutschland gegangen und hatte nicht die klassische Jugendausbildung. Ich bin glücklich, wie alles gelaufen ist."
Hast du schon Ideen für die Zeit nach der Karriere?
"Fußball ist meine Leidenschaft. Ich hatte tolle Trainer, habe viel von ihnen gelernt und schaue oft schon selbst wie ein Trainer auf das Spiel. Das könnte ich mir vorstellen. Der Fußball als Business gefällt mir aber nicht so. Ich weiß nicht, ob ich mich komplett davon abhängig machen möchte. Ein paar Lizenzen würde ich aber machen und meiner Leidenschaft weiter nachgehen, vielleicht im Nachwuchsbereich."
Dein größter sportlicher Erfolg war die Deutsche U19-Meisterschaft mit Mainz 05 unter Thomas Tuchel. Welche Erinnerungen hast du an die Zeit?
"Das war eine krasse Erfahrung. Wir hatten einen brutalen Mix: Qualitätspieler, Arbeiter und großartige Charaktere. Der ausschlaggebende Punkt war Thomas Tuchel. Ich glaube, ohne sein Können, seine Ideen und seinen Ehrgeiz als Trainer wären wir nicht Meister geworden. Wir waren überzeugt von unserem Können. Im Halbfinale hatten wir das Hinspiel gegen Bremen verloren. Am nächsten Tag war Thomas so positiv in der Videoanalyse. Er hatte keine Zweifel. Im Rückspiel haben wir Bremen mit 3:0 weggeputzt."
Und dann kam das Finale gegen favorisierte Dortmunder vor 11.000 Zuschauern im Bruchwegstadion.
"Dortmund kam mit den Götze-Brüdern, Arslan, Stiepermann und wie sie alle heißen zu uns. Gefühlt hatte jeder ihrer Offensivspieler 20 Saisontore geschossen. Am Ende haben wir auch die geschlagen. Jeder Einzelne hatten seinen Anteil, aber auch Thomas Tuchel."
Du hast viele Trainer erlebt, was hast du bei ihm gelernt?
"Ich habe von jedem etwas mitgenommen, beispielsweise waren auch Sandro Schwarz oder Martin Schmidt sehr gute Trainer. Aber Thomas Tuchel war mit Abstand mein bester, irgendwie einzigartig."
Die U19 steht zum ersten Mal seit 2010 wieder im Halbfinale. Was würdest du den Jungs für diese Spiele mit auf den Weg geben?
"Was ich mitbekommen habe, sind sie souverän Staffelmeister geworden. Sie sollten Ruhe bewahren und sich ihrer Qualitäten bewusst sein. Sie haben schon bewiesen, was sie können und nicht überdrehen. Diese Spiele gegen Köln sollten sie so angehen wie die Partien zuvor in der Liga. Sie wissen, was sie brauchen, um Spiele zu gewinnen. Daran sollten sie ansetzen und nicht verrückte Sachen machen."
Hast du noch Kontakt zu Personen bei Mainz 05?
"Ja, mit Stanko Sremac (Co-Trainer der U19, Anm. d. red.) schreibe ich gelegentlich Nachrichten. Ansonsten bin ich noch mit Martin Schmidt in gutem Kontakt, mit Bo habe ich zusammengespielt. Babak ist einer meiner besten Freunde. Als die beiden in Salzburg gearbeitet haben und ich bei Türkgücü München war, haben wir uns einmal die Woche gegenseitig besucht. Ich verfolge die 05ER intensiv. Wir haben auch noch eine WhatsApp-Gruppe der 2009er-Meistermannschaft."
Wirst du das Spiel der U19 am Sonntag verfolgen?
"Wir sind am Sonntag mit der Mannschaft unterwegs, ich versuche auf jeden Fall über das Handy auf dem Laufenden zu bleiben und drücke den Jungs die Daumen."