Verein 14.05.2016 - 10:00 Uhr
Strukturen, auf die wir bauen können
Interview mit Präsident Harald Strutz
05-Präsident Harald Strutz über den Abschied der „Triebfeder“ Christian Heidel und die Zeit danach, über eine starke Saison, die tolle Arbeit von Trainer Martin Schmidt und was es für Mainz 05 bedeutet, wieder mal international dabei zu sein.
Herr Strutz, bitte ergänzen Sie folgenden Satz: Die Qualifikation von Mainz 05 für einen internationalen Wettbewerb ist …
Strutz: "… eine Top-Leistung von Mannschaft, Trainern und Verein. Im Schatten der großen Klubs und des dramatischen Abstiegskampfes geht dieser Aspekt fast ein wenig verloren. Wir haben auch in dieser Saison aus unseren Möglichkeiten sehr viel herausgeholt, uns konsequent von den hinteren Tabellenregionen ferngehalten und auf der Zielgeraden die Qualifikation für die Europa League klar gemacht. Ein Sonderlob gebührt an dieser Stelle Martin Schmidt für seine Leistung. Er hat sich als Trainer ein eigenes Profil erarbeitet und ist mit seiner Emotionalität und Leidenschaft ein ausgezeichneter Repräsentant des Vereins."
Schien sich diese Zielgerade nicht endlos zu ziehen?
Strutz: "In den vergangenen Wochen haben wir gemerkt, dass es kein Selbstläufer ist, sich im oberen Tabellendrittel zu behaupten. Natürlich sind uns einige Spiele nicht mehr so leicht gefallen. Aber im Saisonfinale spielen so viele Faktoren eine Rolle. Dem Druck der gestiegenen Erwartungshaltung standzuhalten, Ausfälle wichtiger Spieler verkraften zu müssen. Und plötzlich triffst du auf Gegner, die im Tabellenkeller mit dem Rücken zur Wand stehen, und die eine unglaubliche Wucht in ihrem Spiel erzeugen können. Diese Erfahrung haben aber nicht nur wir, sondern auch andere Klubs gemacht."
In Stuttgart haben wir die Prüfung aber mit Bravour bestanden.
Strutz: "In Stuttgart haben wir zu Spielbeginn noch einmal erlebt, welche Wucht ein so großer Klub mit seinen Fans im Abstiegskampf erzeugen kann. Die Stimmung zu Spielbeginn und nach dem Führungstreffer des VfB war beeindruckend, aber das war die Reaktion unserer Mannschaft auf dem Platz auch. Sie hat sich ins Spiel gekämpft, kühlen Kopf bewahrt und mit ihrer Leistung eine tolle Saison gekrönt."
Kann man diese Leistung überhaupt schon rational einordnen?
Strutz: "Die sportliche Qualifikation zu einem internationalen Wettbewerb ist uns nun schon zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren gelungen, darauf können wir alle sehr stolz sein. Zur Einordnung unserer Leistung muss man nur einmal betrachten, mit welchen namhaften Klubs wir diesmal über die gesamte Saison Schritt gehalten haben und welche Klubs wir deutlich distanziert haben. In dieses Lob für eine tolle Saison schließe ich auch unsere U23 und ihren Trainer Sandro Schwarz mit ein, die sich für ein weiteres Jahr in der dritten Liga qualifiziert haben."
Im letzten Saisonspiel gegen Hertha BSC könnte sogar die direkte Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League klar gemacht werden. Hätte dies nicht noch einmal einen besonderen Reiz?
Strutz: "Unbedingt. Unsere sportlichen Ambitionen sind mit dem Sieg in Stuttgart nicht abgeschlossen. Wir haben uns dieses Endspiel erarbeitet, wie es Martin Schmidt genannt hat. Es ist unser Endspiel um Platz fünf und die direkte Teilnahme an der Gruppenphase. Dies wäre unabhängig von Platzierungen und Punktzahlen in der Bundesliga der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Sie gäbe uns eine gewisse Sicherheit für die Planungen und würde vor allem die Saisonvorbereitung entspannen."
Welche Emotion überwiegt beim Gedanken an die Europa League, Vorfreude oder Respekt vor der Aufgabe?
Strutz: "Für mich ist dieser Wettbewerb eine neue Chance für Mainz 05, dass wir uns auf anderem Parkett bewähren können. Darauf freue ich mich außerordentlich. Auf die Auslosung, auf hoffentlich einige interessante Gegner und auf alles, was kommen kann. Mir ist natürlich bewusst, welche Herausforderungen dies in der kommenden Saison an uns alle stellt, daran können wir aber auch alle gemeinsam wachsen."
Der letzte Spieltag steht natürlich auch aufgrund des Wechsels von Christian Heidel zu Schalke 04 im Fokus der Öffentlichkeit. Was bedeutet dieser Abschied für Mainz 05?
Strutz: "Ich freue mich sehr für Christian Heidel, dass er sich mit diesem sportlichen Erfolg verabschiedet. Dieser Abschied ist für uns ein gravierender Einschnitt. Er hat den Verein in 24 Jahren als Manager geprägt wie kein anderer. Er hat mit seinem Gespür für Spieler und Transfers, mit seinen Trainerentdeckungen Mainz 05 sportlich und auch wirtschaftlich dorthin gebracht, wo wir heute stehen. Gleichzeitig war er Triebfeder für die großen Themen im Verein wie die beiden Stadionprojekte. Dafür gebührt ihm der größtmögliche Dank von uns allen, dem wir heute nach dem Spiel im Stadion und auf der Bühne im Außenbereich auch Ausdruck verleihen werden. Sein Name wird immer mit Mainz 05 in Verbindung stehen, ich bin mir sicher, dass Mainz 05 immer in seinem Herzen bleibt, auch wenn wir ihm heute alles Gute für seinen weiteren Weg bei Schalke 04 wünschen."
Wie kann Mainz 05 diesen Verlust auffangen?
Strutz: "Wir können Christian Heidel nicht eins zu eins ersetzen, weil es nicht möglich ist, einen Nachfolger deckungsgleich zu diesem Anforderungsprofil zu finden. Wir haben in Rouven Schröder sehr zügig einen Nachfolger für die sportlichen Führungsaufgaben gefunden, dem wir diese Rolle absolut zutrauen. Rouven Schröder hat sich seit Anfang April bei uns eingearbeitet, wir schaffen damit einen reibungslosen Übergang auch in der Arbeit mit Trainer Martin Schmidt und in den laufenden Kaderplanungen. Dies war für den Verein die Entscheidung mit der höchsten Priorität. Rouven Schröder stellen wir in der kommenden Woche vor, weil er dann Christian Heidel offiziell ablöst. Ansonsten hat der Verein in den vergangenen Jahren im Zusammenspiel zwischen dem Vorstand und der operativen Ebene belastbare Strukturen geschaffen, auf die wir bauen können. Uns war in den vergangenen Wochen für den sportlichen Erfolg der Mannschaft wichtig, die verständlichen Fragen nach der Zukunft des Vereins in der Öffentlichkeit hintenan zu stellen. Wir waren aber nicht untätig und werden uns zeitnah hierzu äußern."
Nicht nur Christian Heidel verlässt den Verein, auch Elkin Soto. Ein weiterer emotionaler Moment heute …
Strutz: "Unser Elkin … Ich kann mich nicht erinnern, wann wir alle einmal so mit einem unserer Spieler gelitten haben, wie mit ihm nach dieser unglücklichen Verletzung vor einem Jahr. Ich freue mich, dass er diese so gut weggesteckt hat und seine Genesung gut gelaufen ist. Ein toller Fußballer, technisch einer der besten, die je bei Mainz 05 gespielt haben. Dazu ein ganz feiner Kerl, dem ich für sich und seine Familie alles Gute für die Zukunft wünsche. Schade, dass der Weg nach Mainz für ihn aus Kolumbien künftig weit ist, das wird ihn aber hoffentlich nicht davon abhalten uns zu besuchen."
Danke für das Gespräch!