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Profis 18.11.2021 - 09:30 Uhr

Demandt: "Daneben stand: 'It’s cool, man!'"

In Mainz wurde er "Kühlschrank" genannt, schoss 55 Tore für den FSV und war Teil der legendären Mannschaft, die 1996 unter Wolfgang Frank die "Mutter aller Mainzer Abstiegskämpfe" überstand

Sven Demandt (li.) bejubelt mit Jürgen Klopp seinen Treffer zum 1:0 gegen Arminia Bielefeld in der Rückrunde der Saison 95/96. IMAGO/Alfred Harder

Sven Demandt hat, wie viele seiner Teamkollegen, die als Spieler Mitte der Neunziger Jahre bei Mainz 05 von Wolfgang Frank geprägt wurden, nach seiner Profilaufbahn die Trainerkarriere eingeschlagen. Nach mehreren Stationen an der Seitenlinie ist der 56-Jährige mittlerweile als Scout im hohen Norden bei Holstein Kiel angekommen. Am Sonntag ist Demandt mal wieder in Mainz zu Gast. Auf Einladung des Vorstands von Mainz 05 ist das FSV-Team der Saison 95/96 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der "Mutter aller Abstiegskämpfe" beim Heimspiel gegen den 1. FC Köln (17.30 Uhr, live auf DAZN & 05ER.fm) in der MEWA ARENA zu Gast.

Im Interview spricht der ehemalige FSV-Spieler, der bei Mainz 05 in 179 Spielen zwischen 1994 und 2001 insgesamt 55 Treffer erzielte, über ein besonderes Tor für die 05ER, auf welcher ungewohnten Position ihn Wolfgang Frank einmal ausprobierte und den besonderen Spirit der Mannschaft vor 25 Jahren.

Hallo Sven, du arbeitest mittlerweile als hauptamtlicher Scout für Holstein Kiel. Hast du ein besonders gutes Auge für Angreifer?

Demandt: "Gute Angreifer sind immer gesucht und Leute, die Tore machen, noch mehr. Nicht nur ich, sondern alle haben ein Hauptaugenmerk auf Stürmer, die treffen. Das sind die Akteure, die Spiele entscheiden."

Du warst in deiner Profikarriere, unter anderem für die 05ER, selbst ein treffsicherer Angreifer. Fällt dir dadurch eher mal ein guter Torjäger auf?

"Ich kann wahrscheinlich manche Dinge noch besser beurteilen als bei einem Innenverteidiger, weil ich die Position selbst gespielt habe. Deshalb weiß ich, wie man sich in manchen Situationen bewegen sollte, um das Tor zu machen."

Welche Eigenschaften sollte ein moderner Stürmer aus deiner Sicht mitbringen?

"Das Idealbeispiel ist Robert Lewandowski, also im Zweifelsfall einer, der alles kann. Nur den sucht man vielfach vergebens. Wenn man für Holstein Kiel scoutet, bekommt man sowieso keinen Spieler, der schon komplett ist. Vielleicht jemanden, der alles kann, aber auch alles noch nicht wirklich (lacht)."

Mit Jonny Burkardt hat ein FSV-Angreifer in dieser Saison einen weiteren Schritt gemacht. Wie beurteilst du seine Entwicklung?

"Die ist natürlich klasse, aber man sieht, dass seine Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Das ist aber das Gute, und da kann noch richtig was kommen. Vor allem macht er - und das ist heute nach wie vor mit das wichtigste - einen sehr vernünftigen, geerdeten Eindruck. Das hilft, um sich durchzusetzen."

Weil du eiskalt vor dem gegnerischen Tor warst, hast du damals in Mainz den Spitznamen Kühlschrank verpasst bekommen.

"Ich kann mich noch daran erinnern, dass es damals auch eine Kampagne gab, bei der ich mich auf einem Plakatmotiv an einen Kühlschrank gelehnt habe und daneben stand: 'It’s cool, man!' Damit wollte man Werbung für den Fußball in Mainz machen. Das hat dem Spitznamen noch etwas mehr Dynamik verliehen."

Wie wird man eiskalt vor dem Tor?

"Ein bisschen Kopfsache. Aber manche Sachen, das ist heute noch genauso, bekommt man irgendwie mitgegeben. Das ist nicht unbedingt etwas, was man trainieren kann. Eine gewisse Ruhe vielleicht schon, aber manche Sachen hat man eben."

Demandt (re.) zusammen mit Benjamin Frank, einem der beiden Söhne Wolfgang Franks bei der Eröffnung des WOLFGANG FRANK CAMPUS im September 2021.

Warst du in deiner Karriere eigentlich immer Stürmer?

"Ja, ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals was anderes gespielt hätte. Wolfgang Frank hatte mal die Idee, mich als Linksverteidiger aufzustellen. Das Experiment haben wir aber nach einer Halbzeit schnell wieder aufgegeben (lacht)."

Im Angriff warst du deutlich erfolgreicher: In 179 Spielen für den FSV hast du 55 Treffer erzielt. Ist dir ein Tor in besonderer Erinnerung geblieben?

"In der Saison 95/96 beim Spiel in Nürnberg haben wir mit neun Mann gewonnen. Uwe Stöver musste sogar ins Tor, weil Dimo Wache vom Platz geflogen ist, Torsten Lieberknecht hatte vorher bereits die Rote Karte gesehen. Ich habe dann kurz vor Schluss das entscheidende 2:1 gemacht. Zu dem Zeitpunkt waren wir noch Tabellenletzter, aber wir haben gewusst, wenn wir so ein Spiel gewinnen, dann steigen wir nicht ab."

Hat sich damals dieser besondere Spirit in der Mannschaft entwickelt?

"Auf jeden Fall. Wir waren in der Winterpause Letzter und in der Rückrunde dann die beste Mannschaft, mehr oder weniger mit denselben Spielern. Letzte Saison haben die 05ER in der Bundesliga Ähnliches geschafft, mit ein paar Veränderungen am Kader vor der Rückrunde. Aber bei uns kam nur Marco Weißhaupt neu im Winter. Das war schon ungewöhnlich."

Wenn 95/96 die "Mutter aller Abstiegskämpfe" von Mainz 05 war, kann man die vergangene Saison als ihre "Tochter" bezeichnen?

"Ja, das kann man so sagen. Es war ähnlich aussichtslos in der letzten Saison und ähnlich souverän hat man es dann am Ende trotzdem noch geschafft."

Wolfgang Frank kam damals in der Hinrunde als Trainer nach Mainz, als man etwas hoffnungslos am Tabellenende stand. Was hat er mit der Mannschaft gemacht?

"Wir haben in der Winterpause auf Viererkette umgestellt, das war der Schlüssel. Damit sind die meisten Gegner nicht zurechtgekommen. Wir hatten das in der Wintervorbereitung viel und hart trainiert, deshalb waren wir auch fitter als die meisten anderen Teams. Wir waren defensiv so stabil, gegen den Ball gab es damals nicht viel bessere Mannschaften. Wir hatten nur gewisse Probleme, wenn wir selbst den Ball hatten. Aber irgendwie haben wir dann immer mal ein Tor gemacht und die Spiele gewonnen."

Frank war auch als großer Motivator bekannt, der sich viel mit mentalen Prozessen beschäftigt hat. Welche Rolle hat das damals gespielt?

"Das stimmt. Aber letztendlich gibt es nichts Besseres als Erfolg zu haben und zu sehen, dass Dinge, die man trainiert, auch funktionieren. Das war schon noch eine Spur wichtiger als die mentale Geschichte. Selbstvertrauen ist einer der wichtigsten Faktoren im Fußball."

Du kamst eine Saison vorher, im November 1994 nach Mainz. Wie verschlug es dich zum FSV?

"Ich hatte damals keinen Verein, Mainz hatte Bedarf, weil David Wagner sich verletzt hatte. So viel Auswahl hatte ich nicht und ich war froh, wieder Fußball spielen zu können. Mannheim hatte zwar Interesse, aber Mainz habe ich für mich als die bessere Adresse gesehen, was sich dann auch als richtig herausgestellt hat. Mainz hatte mit der Fußballstadt von heute noch nicht so viel zu tun. Es hat ein bisschen länger gedauert und letztendlich hat sich gezeigt, dass Fußball auch hier gut funktionieren kann.“

Demandt beim Abschiedsspiel seines ehemaligen Teamkollegen Dimo Wache im Jahre 2011 im Bruchwegstadion.

Du hast, wie viele deiner damaligen Teamkollegen bei Mainz 05, die Trainerlaufbahn eingeschlagen. War das Zufall oder hat Wolfgang Frank dahingehend alle geprägt?

"Da muss ich Wolfgang Frank zitieren: 'Es gibt keine Zufälle'. Er hat uns in vielerlei Hinsicht geprägt und eine andere Sichtweise auf den Fußball vermittelt. Ich glaube, das ist den meisten anderen auch so gegangen. Wir haben gemerkt, dass Erfolg zwar nicht planbar ist, aber man kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen: indem man gut trainiert, sich vorbereitet und der Mannschaft einen Plan mitgibt."

Am Sonntag kommt es in der MEWA ARENA zum Wiedersehen mit einigen Spielern der damaligen Mannschaft, auch bei der Eröffnung des WOLFGANG FRANK CAMPUS haben sie sich getroffen. Wie ist der Kontakt untereinander?

"Speziellen Kontakt habe ich zu Uwe Stöver, weil er mein Chef in Kiel ist. Aber wenn man sich wie bei der Eröffnung des WOLFGANG FRANK CAMPUS sieht, dann kommen schnell die alten Geschichten hoch. Wir haben damals sehr viel Zeit miteinander verbracht, viel trainiert und waren oft und lange im Trainingslager. Deshalb kennen wir uns alle sehr gut und wenn man sich trifft, kommt dieser Spirit schnell wieder raus."

Kommen wir noch zur laufenden Saison, die für den FSV sehr ordentlich angelaufen ist. Wie beurteilst du die Entwicklung seit der Rückrunde der letzten Spielzeit?

"Sie haben nahtlos da weitergemacht, wo sie mit der Rückrunde aufgehört hatten. Das ist nicht selbstverständlich. Gewisse Werte, die den Verein ausmachen, verkörpert die Mannschaft wieder, seit Bo Svensson Trainer ist. Das ist fast noch wichtiger als die Punkte, aber die sind natürlich die Folge dessen."

Am Sonntag ist der 1. FC Köln zu Gast in Mainz. Was erwartest du von der Partie?

"Ich erwarte auf jeden Fall ein interessantes Fußballspiel. Es macht Spaß, beiden Vereinen in dieser Saison zuzuschauen."

Wie lautet dein Tipp?

"2:1 für Mainz."

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