Profis 23.05.2022 - 17:00 Uhr
Saisonplanung unter erschwerten Bedingungen
Nations-League-Spiele & Winter-WM als Herausforderung - Svensson: "Ich weiß nicht, wer auf diese Idee gekommen ist"
Im Moment befinden sich erst einmal (fast) alle 05ER im Sommerurlaub. Doch die Verantwortlichen in der sportlichen Leitung befassen sich schon seit geraumer Zeit damit, wie man am besten mit der kommenden Saison 2022/23 umgeht. Denn die wird für alle Bundesliga-Vereine und nicht nur für die etwas ganz Besonderes - voraussichtlich im negativen Sinne. Denn Mitte November beginnt in Qatar die Fußball-Weltmeisterschaft, was für die Bundesligisten eine Liga-Pause von zwei Monaten bedeutet, die jetzt schon irgendwie vernünftig geplant werden muss.
"„Für mich ist das der größte Witz, den der Weltfußball jemals gemacht hat", sagte Christian Heidel in der Medienrunde zum Saisonabschluss am Bruchweg. "Eine WM in ein Land zu vergeben, das sich für den Sommer beworben hat, für eine Zeit also, in der seit Menschengedenken Fußball-Weltmeisterschaften stattfinden. Und dann stellt man fest, dass es dort viel zu heiß ist, man verschiebt das Ganze in den Winter, und der gesamte Weltfußball muss sich umstellen", schimpfte der 05-Sportvorstand. „Wir haben drei Monate lang keinen Fußball, keine Einnahmen. Du kannst nichts machen. Das kostet die Fußball-Welt viele, viele Millionen, es werden so viele Vereine Liquiditätsprobleme bekommen. Wir diskutieren bei normalen Pausen schon, dass uns da Einnahmen fehlen."
Martin Schmidt glaubt unterdessen, dass zudem andere Sportarten ihre Probleme kriegen werden, vor allem der Wintersport, "weil ihre Veranstaltungen mit der WM kollidieren. Die Skifahrer werden also im Oktober schon mit den Rennen beginnen müssen, um dem aus dem Weg zu gehen." Der Mainzer Sportdirektor befürchtet für die Bundesliga noch etwas anderes. "Es sind eigentlich zwei Saisons in einer, die Pause im Winter ist ja länger als die im Sommer. Also planen die Teams bis zur WM und dann wieder für die Zeit danach. Das wird vieles verändern. Die Teams werden nach dem Winter anders aussehen als im Herbst, der Markt wird sich völlig verändern. Das ist schon alles sehr seltsam."
Turnierformen als Alternative?
Und auch für den Trainer stellt die Saisonplanung eine große Herausforderung dar: "Wir können im Winter nicht zehn Wochen durchtrainieren, ohne ein Highlight am Wochenende zu haben", erklärte Bo Svensson. "Wir müssen es ein stückweit interessant machen für die, die nicht bei der WM sind und entsprechend auch eine Urlaubspause einlegen. Das muss alles zusammenpassen. Das ist Neuland für uns, deshalb müssen wir uns so viele Gedanken darüber machen, wie wir diese Zeit vernünftig absolvieren."
Schmidt könnte sich beispielsweise Turnierformen vorstellen, die irgendwo international ausgetragen werden. "Dass wenigstens etwas Wettkampf-Rhythmus bleibt, vielleicht ein paar Zuschauer in die Stadien kommen für solche Spiele."
Die Nations League ruft
Doch damit nicht genug. Zwei Wochen nach dem Saisonfinale 2022 in der Bundesliga hat der europäische Verband UEFA nochmal vier Spiele der Nations League angesetzt. Auch eine Reihe Mainzer Spieler sind darin involviert. Die Spieler freuen sich naturgemäß, für ihr Land zu spielen und einige möchten zudem unbedingt zur Weltmeisterschaft. Jemand wie Anton Stach, der gerade zum zweiten Mal für die Deutsche A-Nationalmannschaft nominiert worden ist, wird sich nicht darüber beschweren, sondern an seiner Chance arbeiten wollen, mit nach Qatar zu fahren. Doch auch von den Profis kommt leise Kritik an dieser Ansetzung.
"Es war ein langes Jahr für mich", blickte Silvan Widmer rund um das Saisonende am Bruchweg zurück und gleichzeitig voraus. Der Schweizer Nationalspieler hat im vergangenen Sommer die Europameisterschaft absolviert, hat mit seiner Verbands-Auswahl Qualifikationsspiele bestritten für die Weltmeisterschaft und eine komplette Bundesligarunde hinter sich gebracht. Eigentlich wäre da eine längere Erholungspause dringend notwendig, doch Anfang Juni steht die Nations League an. "Ich finde das persönlich auch nicht ideal", sagt der Rechtsverteidiger.
"Ich habe schon eine lange Saison hinter mir, stelle mir aber Spieler vor, die noch zusätzlich zwölf oder 13 Spiele in der Champions League oder der Europa League hatten. Das ist dann nochmal eine ganz andere Nummer. Ich bin aber nicht müde, freue mich auf die vier Spiele mit der Nati und kann danach bestimmt noch einen schönen Urlaub genießen. Für mich würde es auch nie in Frage kommen, mich da abzumelden. Es geht mir gut, es gibt keinen Grund."
Auch Barreiro, Onisiwo & Burkardt gehen in die Verlängerung
Leandro Barreiro muss mit Luxemburgs National-Team ran. Das große Ziel des Mainzer Eigengewächses ist die EM im Sommer 2024 in Deutschland. "Der Traum ist immer, bei einem großen Turnier dabei zu sein. Das wird zwar schwierig", sagt er. „Wenn ich es aber vergleiche mit dem, was wir letztes Jahr bei Mainz 05 geleistet haben; das war unmöglich. Mit Luxemburg bei einem Turnier zu spielen, ist möglich. Ich bin davon überzeugt, dass wir irgendwann mal unser erstes Turnier spielen werden. In den Nations-League-Spielen können wir schon mal einen guten Start hinlegen." Eine solche Saisonverlängerung mit vier Begegnungen und so lange nach dem Letzten Bundesligaspiel findet Barreiro allerdings mindestens ungünstig. "Ich freue mich dennoch immer für mein Land zu spielen." Sein Fazit: "Vier Spiele finde ich zu viel, aber als Spieler nimmt man es an und geht seriös damit um.“
Beim 05-Cheftrainer klingt da schon mehr Kritik durch. "Ich weiß nicht, wer auf diese Idee gekommen ist, 14 Tage nach Saisonende diese Spiele anzusetzen", so Svensson. "So richtig logisch und sinnvoll erscheint mir das nicht."
Man müsse nun versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Es gebe unterschiedliche Programme für diejenigen, die Anfang Juni nicht Nationalmannschaft spielen müssten. Am 21. Juni erfolgt dann am Bruchweg der erste offizielle und öffentliche Trainingstag. Svensson erläutert: "Dann trainieren wir zwölf, 13 Tage, machen eine Woche Pause, danach ist dann die ganze Gruppe zusammen. Ab Mitte Juli dann inklusive aller Nations-League-Teilnehmer, zu denen sich inzwischen auch Österreichs Karim Onisiwo gesellt hat, während Sturmkollege Jonny Burkardt für die U21 des DFB als Kapitän im Einsatz sein wird.
Der Pflichtspiel-Auftakt wartet anschließend bereits am letzten Juli-Wochenende, wenn die erste Hauptrunde des DFB-Pokals wartet - die Auslosung erfolgt am Sonntagabend. Der erste Bundesliga-Spieltag steht eine Woche später an.