Profis 24.05.2021 - 17:30 Uhr
Nach der Saison ist vor der Saison
Urlaub auf Abruf: Das sportliche Führungstrio bleibt auch in der Sommerpause umtriebig, spricht über den Klassenerhalt, Kaderplanungen sowie künftige Anforderungen an den FSV - auf und neben dem Platz
Dass diese herausragende Rückrunde am 34. Spieltag ein fast schon unspektakuläres Ende fand – die 05ER hatten sich schließlich bereits eine Woche zuvor aus dem Abstiegskampf verabschiedet, dramatisch wurde es andernorts - wurde zu einer weiteren Begleiterscheinung dieser nach wie vor teils unwirklich daherkommenden Entwicklung seit Jahresbeginn. Dem 3:2-Erfolg von Wolfsburg (Rückrunden-Sieg Nummer 9!), einem weiteren sportlichen Ausrufezeichen, folgte ein leiser Abschied zwischen Trainerteam und Profis. "Alle", so der Cheftrainer, seien noch am Samstagabend "zu ihren Familien nach Hause gefahren, was nach zehn Tagen Quarantäne auch nötig war. Das war die beste Lösung für alle. Auch ich hatte meine Kinder zehn Tage nicht gesehen." Dennoch, auch dies betonte Bo Svensson, habe der vorherige Aufenthalt im Favorite Parkhotel den Teamspirit nochmals gefördert und bestätigt.
Runterfahren, reflektieren und die Saison in Ruhe Revue passieren lassen: Ganz so entspannt dürfte diese Phase unmittelbar nach dem Saisonende für die Mainzer Verantwortlichen nicht werden. Zwar verabschiedet sich der dänische Cheftrainer mit seiner Familie am Dienstag in den Heimaturlaub, während Christian Heidel demnächst zur Familie auf Mallorca stößt und es Sportdirektor Martin Schmidt in die Schweizer Berge ziehen wird – die Drähte zwischen dem Führungstrio aber werden weiter heiß laufen in den kommenden Tagen und Wochen. Die Urlaubsrealität in Zeiten von Saison- und Kaderplanung eben. Schließlich verfolgt rund um den Bruchweg niemand die Absicht, sich auf dieser so sensationellen 32-Punkte-Rückrunde auszuruhen, sondern an den Weg anzuknüpfen, die Spielweise, das Auftreten und vieles mehr weiterzuentwickeln. Bo Svensson formulierte in diesem Zusammenhang gar einen Auftrag an sich selbst:
"Ich kann viel besser machen, und werde mit dem Wunsch zurückkommen, ein besserer Trainer zu sein, die Gruppe noch besser zu führen und den Verein nach vorne zu bringen. Das ist meine Aufgabe als Cheftrainer", so der 41-Jährige im Rahmen einer Medienrunde zum Saisonabschluss. Konkret gehe es ihm dabei um "inhaltlich-fußballerische Themen", aber auch um die "Kommunikation aus Trainer-Sicht". Erst einmal aber, so Svensson weiter, "brauche ich ein bisschen Abstand, bevor das nächste Kapitel anfängt". Aufgeschlagen wird es offiziell zum Trainingsauftakt am 29. Juni.
Wünsche sind hinterlegt
Dass bis dahin viel Arbeit wartet, liegt in der Natur der Sache, gilt es doch, an der Kaderstruktur zu feilen und wichtige Entscheidungen zu treffen: "Wir haben einen intensiven Austausch, was wir brauchen und gerne hätten", erläuterte der Trainer. "Ich habe meine Wünsche, das ist ganz normal. Wir werden schauen, was machbar ist", so der Däne auch in Bezug auf mögliche Vertragsverlängerungen mit den Routiniers Stefan Bell und Ádám Szalai.
Stets in engem Austausch steht er dabei natürlich mit Schmidt und Heidel. Letzterer, gleichzeitig Initiator des Neustarts im Januar, pflichtete dem Cheftrainer, dessen Inthronisierung er gemeinsam mit der des Sportdirektors zur Voraussetzung einer Rückkehr gemacht hatte, bei: "Bo, Martin und ich befinden uns natürlich im Daueraustausch. Wünsche entwickeln sich. Wir alle haben Namen reingeworfen, wir haben die Vorstellungen ein bisschen nach Prioritäten aufgebaut. Es hängt aber auch alles von Entwicklungen im Kader ab. Klar ist aber, und das war früher schon so: Es werden nur Spieler verpflichtet, die der Trainer gerne hätte." Auf die Philosophie bei den sommerlichen Transferaktivitäten war am abgelaufenen Wochenende auch Schmidt eingegangen und hatte versprochen, dass "wir nur Spieler holen, die Bock auf Mainz 05 haben und hungrig sind. Den Willen der Rückrunde wollen wir auch in der nächsten Hinrunde sehen", so der Schweizer. Dass es nicht immer so weitergehen könne, sei gleichfalls klar.
Die Konkurrenz schläft nicht
Und so darf auch der Wunsch des Trainers nach persönlicher Weiterentwicklung und Fortschritten mit dem Team auf dem Rasen nicht automatisch gleichgesetzt werden mit einer Steigerung der Punktausbeute der vergangenen 17 Spieltage. Es sei schließlich äußerst eng zugegangen, wie Svensson hervorhob: "Wir haben neun Spiele gewonnen, aber alle mit einem Tor. Das heißt, dass wir in der Lage waren, enge Spiele für uns zu entscheiden - aber sie waren eben alle eng. Wir waren konkurrenzfähig, müssen uns als Mainz 05 aber bewusst sein, dass es in der Bundesliga immer sehr eng sein wird." Die eigenen Ansprüche steigen, während die in der Bundesliga von der Konkurrenz gestellten Aufgaben an die 05ER keineswegs kleiner werden in Zukunft.
Nach einer zweiten Saisonhälfte, garniert mit reichlich emotionalen Höhepunkten und dem am Ende gar souveränen Klassenerhalt am 33. Spieltag, gilt es nun hellwach zu bleiben und die richtigen Weichen zu stellen. Die dabei wichtigsten Schlagworte für den Cheftrainer? "Was wir gezeigt haben, wird hoffentlich auch das sein, was uns auch in Zukunft weiter auszeichnen wird: Eine intensive Spielweise, geschlossene Mannschaftsleistungen, Spaß und Mut beim Fußball spielen", formuliert es Svensson, der zugibt, dass die 32 schlussendlich eingefahrenen Zähler im Winter auch für ihn nicht vorstellbar gewesen seien. "Es sah zwischendurch sehr sehr schwer aus", gab er mit Blick auf einen Punkt aus seinen ersten drei Partien zu. Gleichzeitig hätte die Mannschaft schon damals Signale gesendet, dass sie verstanden habe, "welche Werte auf und neben dem Platz im Zentrum stehen müssen". Nämlich maximale Intensität, Teamgeist, Geschlossenheit und nicht zuletzt der Glaube an die eigenen Stärken an eine erfolgreiche Mission Klassenerhalt. Offen zur Schau getragene persönliche Befindlichkeiten: Fehlanzeige.
Chronologie des Neuanfangs im Januar
Neustart mit Mainzer Fußball-DNA
"Zeigen, dass wir wirklich Mainzer sind"
Nie eine Ergebnis-, aber stets eine Leistungsgarantie
Wiederholung unerwünscht
Heidel, der zu Beginn seiner zweiten Amtszeit gefordert hatte, dass alle Mainzer - im Klub und um den Klub herum - wieder zueinander finden müssten, sieht sich im eingeschlagenen Weg für den Moment bestätigt. "Es hat sich etwas geändert, die Leute haben zurückgefunden. Ich hoffe, dass wir sowas in der Art nicht mehr erleben", so der Vorstand, der den Umgang miteinander allen voran in den sozialen Medien kritisiert hatte. Fünf Monate später dominiert das Gefühl von Stolz und Dankbarkeit.
"Wir stehen jetzt schon ein klein wenig in den Geschichtsbüchern", sagte der 57-Jährige, nachdem dem FSV als erstes Team der Bundesliga-Historie nach sieben Hinrunden-Zählern noch der Klassenverbleib geglückt war. "Das werde ich nie vergessen, was hier passiert ist, und die Fußballfamilie sicher auch nicht. Das ist ganz nett für uns, auch wenn wir es nicht wiederholen möchten." Um in Sachen Erfolgswahrscheinlichkeit bereits im Frühsommer Vorarbeit zu leisten, nimmt das sportliche Führungstrio die notwendige, fast permanente Verfügbarkeit im Sommerurlaub nur allzu gern in Kauf.