Profis 20.03.2022 - 15:00 Uhr
Svensson: "Klar sind drei Punkte geil, aber..."
Begeistert von der Begeisterung: Der 05-Cheftrainer schwärmt von der Atmosphäre rund um die MEWA ARENA & sieht gegen Bielefeld ein "echtes Mainz-05-Heimspiel"
"Einer geht noch", skandierten die Mainzer Anhänger unter den 25.000 Zuschauern in der MEWA ARENA nach 79 Minuten. Und tatsächlich ging noch einer. Marcus Ingvartsen setzte den Schlusspunkt unter eine Partie gegen Arminia Bielefeld, die derart reich war an Höhepunkten, an Außergewöhnlichem, an Kuriositäten, an Toren, aber auch an Top-Leistungen sowie einer elektrisierten Kulisse, dass selbst Beobachter, die den Bundesligisten seit mehr als zwei Jahrzehnten begleiten, sich nicht an eine ähnliche Begegnung erinnern konnten. Der Cheftrainer sollte mit einem Tag Abstand nochmal zu Lobeshymnen in Richtung der 05-Fans ausholen, die auf einen begeisternden Fußballnachmittag ein fettes i-Tüpfelchen gesetzt hatten.
Der dänische Mittelstürmer, nach seiner Einwechslung gerade drei Minuten auf dem Platz, setzte mit dem dritten erfolgreich verwandelten Foulelfmeter binnen 15 Minuten als Dritter von drei unterschiedlichen Schützen das finale Ausrufezeichen hinter den 4:0-Erfolg des 1. FSV Mainz 05 gegen Arminia Bielefeld. Sein Rekordtor zur Mainzer Bundesliga-Bestmarke von 36 in Folge verwandelter Strafstößen besiegelte den neunten Heimsieg der laufenden Spielzeit und befeuerte noch einmal zusätzlich die ohnehin schon großartige Stimmung, die sich schon auf einem Höhenflug befand, seit kurz vor Spielbeginn die Vertragsverlängerung von Robin Zentner auf der Videowand vermeldet worden war und seit Jonathan Burkardt nur 27 Sekunden nach dem Anpfiff die 1:0-Führung erzielt hatte.
Applaus & Begeisterung
Die Fans auf den Stehplätzen feierten und sangen, die übrigen Zuschauer erhoben sich von ihren Sitzen und klatschten Beifall für eine Mannschaft, die 90 Minuten lang Vollgas-Fußball spielte, die sich mit großem Einsatz den Frust der Dortmund-Niederlage unter der Woche aus dem Körper malochte, die mit einem oft unfassbaren Pressing- und Gegenpressing-Verhalten den Gegner förmlich auffraß und sich eine Dominanz erarbeitete, die den Grundstein dafür legte, dass der Sieg kein bisschen zu hoch ausfiel.
"Die drei Elfmetertore täuschen etwas über die Leistung hinweg, über diese Top-Leistung, die wir auf den Platz gebracht haben", sagte der sichtlich aufgekratzte Martin Schmidt nach der Partie in der Mixed Zone. "Drei Elfmeter, das sieht so aus, als ob es einfach gewesen wäre, aber das war es nicht", betonte der 05-Sportdirektor. "Es brauchte jedoch die drei Strafstöße, damit wir die Tore schießen, denn aus dem Spiel heraus haben wir zu viele Chancen liegen lassen."
Tatsächlich hätten die 05ER schon viel früher deutlich führen müssen. Dominik Kohr Burkardt, Jae-Sung Lee und Karim Onisiwo hatten Top-Möglichkeiten. Der Österreicher hätte seine Leistung mit einem Treffer krönen müssen, sein Auftritt als unermüdlicher Kämpfer und Vorbereiter, als ständiger Unruheherd für die Bielefelder Abwehr war dennoch herausragend. Trotzdem blieb es zunächst bei einer knappen Mainzer Führung, auch weil ein vermeintlicher Treffer Niakhatés nach Sichtung der Videobilder zurecht zurückgenommen worden war. Die Torlinien-Technologie hatte Schiedsrichter Felix Zwayer einen Streich gespielt, wie er später erklären sollte.
Und so kam es, dass die Gastgeber bei aller Überlegenheit nur einen dünnen Vorsprung behielten. Und das Mainzer Spiel wurde plötzlich etwas zerfahrener, bekam etwas Wildes, Ungeordnetes. "Wir haben nachgelassen bei den Grundtugenden", sagte Svensson später auf der Pressekonferenz. "Wir haben in diesen Phasen Glück gehabt, dass wir nicht dafür bestraft wurden", so der Mainzer Chefcoach.
Gerade als die Ostwestfalen Zugang zu diesem Spiel zu finden schienen, kam der Elfmeter, den Niakhaté zum 2:0 verwandelte. "Da war es dann auch erledigt", so Gäste-Coach Frank Kramer.
Lob für Joker Barreiro
"Für uns ist es sehr gut gelaufen mit dem frühen Tor", betonte Svensson. Seine Mannschaft habe es 25 bis 30 Minuten sehr gut gemacht, dann nachgelassen, so dass es ein enges Spiel geworden sei. "Die Einwechslung von Leo hat uns sehr, sehr gutgetan. Nicht nur, weil er die Elfmeter herausgeholt hat", so der Däne. Barreiro trieb seine Mannschaft mit enormer Präsenz immer wieder nach vorne und war mit seiner Energie zu stark für die zunehmend überfordert wirkenden Bielefelder. Das Mainzer Eigengewächs bereitete Chancen vor, hatte selbst Möglichkeiten und zog mit seinen Strafraumaktionen die Elfmeter zum 2:0 und 3:0. Nur am dritten Strafstoß, den Ingvartsen selbst herausholte und verwandelte, war der Luxemburger nicht beteiligt. Für Zwayer war es indes keine Frage gewesen, in so kurzer Zeit dreimal auf den Punkt zu zeigen. "Wenn ein Foul vorliegt, pfeift man Elfmeter. Natürlich ist es außergewöhnlich", sagte der Schiri, "ich kann aber doch nicht anfangen zu zählen oder zu sagen, zwei Strafstöße sind genug und müssen für heute reichen."
Der FSV hat nach dem furiosen Auftritt 37 Punkte auf seinem Konto, elf Zähler Vorsprung auf die gefährdete Region unten. "Wir wollen die 40-Punkte-Schwelle überschreiten", erklärte der Sportdirektor. Und es gibt noch mehr Aufgaben. Nach der nun anstehenden Länderspielpause folgen drei Auswärtsspiele binnen sechs Tagen.
"Wir müssen jetzt auch mal auswärts punkten und gewinnen. Diese Anforderung stellen wir an uns. Wir haben die große Chance, jetzt einen Auswärtssieg nachzulegen. Denn so, wie es jetzt ist: daheim ganz vorne und auswärts ganz hinten, dass passt irgendwie nicht in diese gute Saison." Die Mannschaft habe gezeigt, dass ihr eine Englische Woche von der Power und der Teamstärke her nichts antue. "Wir sind breit für diese drei Spiele", betonte Schmidt.
Svensson begeistert: "Das war kein normales Fußballspiel"
Zunächst einmal dürfen aber alle Mainzer, die die Atmosphäre rund um die Partie genießen durften, sich an der Momentaufnahme erfreuen, wie auch ein von diesem Erlebnis in der MEWA ARENA sichtlich angetaner Cheftrainer am Sonntagmittag hervorheben wollte: "Ich fand es bemerkenswert, innerhalb von drei Tagen zwei Heimspiele unter diesen Bedingungen zu haben vor vollem Haus. So eine gute Stimmung vor dem Spiel, nach dem Spiel, während des Spiels, egal ob Niederlage oder Sieg. Als wir gestern mit dem Mannschaftsbus ankamen, standen so viele Fans hier, wie ich es hier als Trainer noch nicht erlebt habe. Das hat die Spieler und uns alle nochmal heißer gemacht und uns einen zusätzlichen Push gegeben. Das war kein normales Fußballspiel, sondern ein echtes Mainz-05-Heimspiel. Nach dem Spiel sind wir rausgegangen, haben begeisterte Leute erlebt und waren genauso begeistert über diese Begeisterung. Unsere Fans haben normale Bundesliga-Spieltage sowohl am Mittwoch als auch gestern zu besonderen Spieltagen gemacht. Das hat mich extrem gefreut. Klar sind die drei Punkte geil, aber das Andere ist noch wichtiger, und das, was ich mit dem Verein verbinde und wofür wir stehen müssen", so Svensson, der ebendies in der Vergangenheit schon häufig als ein Primärziel im Rahmen seines Engagements beschrieben hatte.