Profis 07.02.2021 - 18:00 Uhr
Leidenschaft statt Leckerbissen
Nüchterne Analyse des knappen Erfolgs über Union: Cheftrainer einverstanden mit Einstellung & Mentalität - Inhaltlich weiter Luft nach oben
Der Trend zeigt nach oben nach nun sieben Zählern aus sechs Partien unter der Leitung des neuen 05-Cheftrainers Bo Svensson, wenn auch die Punktequote auf dem Weg zum angestrebten Klassenerhalt in den kommenden Wochen und Monaten stetig gesteigert werden muss. Einfache Mathematik nach nun 13 Zählern aus 20 Begegnungen. Angesichts der Entwicklung der Mannschaft, den verheißungsvollen Comebacks längst abgeschriebener Profis und Neuzugängen, die sich ad hoc als Verstärkungen entpuppen, scheint die Mission jedoch längst nicht aussichtslos, wenn auch die kommenden beiden Aufgaben auf fremden Platz es in sich haben.
Union Berlin seiner Stärken beraubt, das Punktekonto durch Heimsieg Nummer zwei gegenüber dem Jahresbeginn bereits mehr als verdoppelt und nebenbei noch den Elfmeter-Rekord in der Bundesliga ausgebaut (30 Mal in Folge verwandelt): Der Sieg der 05ER im Fastnachtstrikot stellte in zweierlei Hinsicht unter Beweis, worauf es in dieser Rückrunde immer wieder ankommen wird. Zum einen auf die von allen Protagonisten im Nachgang betonte kämpferische Leistung, die an den Tag gelegte Leidenschaft und Intensität. Zum anderen aber auch, dass die Mainzer sich in erster Linie mit den eigenen Hausaufgaben beschäftigen müssen, weil auch die unter Druck gesetzte Konkurrenz weiter Punkte sammelt, wie der 1. FC Köln am Samstagabend mit einem unverhofften Auswärtscoup bei Borussia Mönchengladbach unter Beweis gestellt und den Vorsprung auf den FSV wieder auf acht Zähler ausgebaut hat. Es darf an diesem Wochenende nicht mehr als eine Randnotiz bleiben, sind doch eigene Erfolgserlebnisse ein entscheidendes Kriterium für eine Aufholjagd und leisten einen wichtigen Beitrag, das angeschlagene Selbstvertrauen aufzupolieren. So dreckig der Arbeitssieg am Ende gewesen sein mag, so zufrieden waren die Beteiligten im Nachgang, wohlwissend, dass längst nichts erreicht ist.
"Wir haben uns taktisch etwas vorgenommen, wie wir spielen möchten gegen eine gut organisierte, starke, sehr männlich auftretende Mannschat von Union. Sie sind gradlinig, zweikampstark und vorne sehr schnell. Das mussten wir annehmen, das war das Ziel", gab Ádám Szalai nach seiner Startelf-Premiere in der laufenden Saison zu Protokoll, nachdem es im Sommer noch nach einem bevorstehenden Abschied des Anfreifers ausgesehen hatte. "Ich freue mich sehr über den Sieg, aber auch über die Mentalität. Wenn man da unten steht, ist es nicht einfach, so ein Spiel zu gewinnen. Damit meine ich den Kampf, auch mal dreckig zu spielen. Der Sieg geht völlig in Ordnung, auch wenn wir es uns einfacher hätten machen können, beispielsweise bei den Chancen von mir oder auch Karim. In meiner Situation ärgert es mich, dass ich kein Tor gemacht habe. Aber das ist mir scheiß egal, weil es darum geht, dass Mainz 05 in der Liga bleibt", so der Ungar weiter.
Mit den Fans im Rücken: Alles zum neuen Fastnachtstrikot findet ihr hier
Bedinungsloser Kampf vor Schönheitspreis
Auch ein weiterer Profi, der gegen Berlin zwar zum fünften Mal in Serie in die Startelf beordert worden war, zuvor aber mehr als anderhalb Jahre auf ein Bundesliga-Spiel hatte warten müssen, sprach nach dem Abfiff von einem "guten Gefühl". Die Rede ist von Stefan Bell, der im Fasntachtsheimspiel auf eine starke Zweikampfquote von 79 Prozent (im Teamvergleich 57 zu 43 Prozent zugunsten des FSV) kam: "Es ist das Gefühl, dass wir für die Arbeit belohnt wurden. Es war sicher kein Leckerbissen, aber das ist in unserer Situation eben auch mal erwartbar. Jeder geht an seine Grenzen, wir sind gefordert und müssen die Basics umsetzen, die sind im Moment absolut gut", so der 29-jährige Innenverteidiger nach seinem 201. Pflichtspiel für die Rheinhessen. Dass es nicht immer schön ausgesehen hatte, tat der Freude über den dritten Saisonsieg keinen Abbruch. Auch für Robin Zentner, der den Platz erst zum zweiten Mal in der laufenden Saison mit einer weißen Weste verlassen durfte, waren andere Kritierien bedeutender: "Wir haben zu Null gespielt und Leidenschaft gezeigt, hatten den unbedingten Willen, das Ding zu ziehen, haben uns von Anfang an in jeden Zweikampf geworfen. In unserer Situation zählen nur die Punkte. Und wie sie zustande kommen, ist am Ende egal. Es ist gut zu sehen, dass sich jeder voll rein haut", sagte der Torhüter.
Was sich die 05ER am ehesten vorwerfen lassen mussten, war, dass sie den Sack nach der Gelb-Roten Karte gegen Nico Schlotterbeck in Überzahl nicht früher zugemacht hatten angesichts guter Gelegenheiten nach der Pause von Szalai, Karim Onisiwo oder Bundesliga-Debütant Robert Glatzel. Dennoch reichte am Ende das Tor des Tages aus Durchgang eins durch Moussa Niakhaté, der mit seinem ersten Strafstoß im Oberhaus nicht nur die fast schon beängstigende Elfmeter-Serie des FSV ausgebaut hatte, sondern mit seinem dritten Saisontreffer gleichzeitig die Führung in der internen Torschützenliste übernommen hat. "Ich bin Führungsspieler und möchte Verantwortung übernehmen", berichtete der Franzose nach dem Sieg glücklich wie auch nüchtern.
Von Szalai bis Glatzel: Der Blick auf die Social-Media-Kanäle der 05-Profis (© Instagram)
Eine zeitlose Voraussetzung
Für den Moment zufrieden, aber ähnlich sachlich ordnete Svensson seinen zweiten Sieg als Bundesliga-Trainer in der OPEL ARENA ein: "Kämpferisch und von der Mentalität her" sei es ein wichtiges Zeichen seiner Profis gewesen, so der Däne. Inhaltlich, das heißt nicht zuletzt fußballerisch, sieht der 41-Jährige aber nach wie vor viel Luft nach oben, wie er betonte. "Ich versuche diese Mannschaft zu entwickeln, da bleibe ich dran. Sie kann es besser. Diese Linie wird konsequent weiter geführt, völlig unabhängig von Ergebnissen. Das ist das, was dieser Verein braucht, und das werde ich knallhart durchzuziehen."
Gebraucht hatten die 05ER im Winter im Übrigen auch Verstärkungen und diese in Danny da Costa, Dominik Kohr sowie zuletzt Glatzel gefunden. Aus Sicht des Trainers wichtige Bausteine für die Kaderentwicklung: "Sie stehen für etwas und wollen sich reinhauen. Sie finden es geil hier zu spielen", brachte der Cheftrainer seine Zufriedenheit mit der Abwicklung des Transferwinters auf den Punkt, jedoch nicht ohne einen entscheidenden Nachsatz hinzuzufügen: "Ingesamt war das eine geile Teamleistung." Eine Teamleistung, die auch bei den nun anstehenden hohen Hürden in Leverkusen und Mönchengladbach gefragt sein wird, um den, nicht nur an Ergebnissen festzumachenden Aufwärtstrend der letzten Wochen zu bestätigen. "Die Art und Weise war heute wichtig, Mentalität und Einstellung sind die Basis. Das nehmen wir mit." Für Svensson, bei allen darüberhinausgehenden Ansprüchen in Sachen inhaltlicher Weiterentwicklung, eine zeitlose Voraussetzung für sportlichen Erfolg bei Mainz 05.