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Profis 18.03.2013 - 14:00 Uhr

Wieder „nur“ nicht verloren?

Nullfünfer demonstrieren trotz Personalsorgen große Stabilität

In der Grammatik nennt man dieses Wort Partikel. Für die Nullfünfer war es nach dem 0:0 bei der TSG 1899 Hoffenheim der am häufigsten vernommene Begriff zur Klassifizierung des erarbeiteten Punktes im Kraichgau: NUR. Ein kleines Wort, das in der deutschen Sprache häufig zur eher lautmalerischen Betonung einer These verwendet wird, im Gebrauch vieler Spielbeobachter am Samstag aber vor allem die Leistung der Mainzer herabstufen sollte. „Nur“ ein Punkt im Kampf um die internationalen Plätze, „nur“ ein Punkt beim Abstiegskandidaten, schon wieder „nur“ ein Punkt beim sechsten Remis im Jahr 2013.

Bei oberflächlicher Betrachtung ist gegen diese Behauptungen auch gar nichts einzuwenden. Fakt ist, dass die Nullfünfer in Hoffenheim in der ersten Halbzeit nicht ins Spiel fanden und bei ihren großen Torchancen nach dem Seitenwechsel einen Sieg verpassten. Fakt ist auch, dass sie bei einem Sieg auf Platz vier geklettert wären, der am Saisonende zur Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League berechtigt. Fakt ist, dass sie in der Rückrunde bei den sechs Remis den einen oder anderen Sieg haben liegen lassen. Und dass die Hoffenheimer kein Übergegner waren und sie wohl bis zum Saisonende von ihren Abstiegssorgen begleiten werden, ergibt sich wertfrei allein schon aus der Bundesliga-Tabelle.

Und trotzdem schreit diese distanzierte Betrachtung der Mainzer Fußballwelt nach einem lauten Widerspruch. Es geht jetzt nicht darum, erneut die Leistung des mit einem der kleinsten Bundesliga-Etats, aber stets einer positiven wirtschaftlichen Bilanz gesegneten 1. FSV Mainz 05 über drei Spielzeiten und 26 Spieltage zu würdigen. In diesem virtuellen Ranking belegt der Verein punktgleich mit dem VfB Stuttgart Rang fünf. Diese Bilanz erhebt sich über jeden Zweifel an der sportlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieses Klubs. Es geht um die konkrete Betrachtung des Leistungsvermögens der heutigen Mannschaft und der aktuellen Situation des Kaders, die eine schwierige ist.

Thomas Tuchel äußert gelassen

Ein guter Indikator für diese Einschätzung ist Thomas Tuchel. Der Trainer des 1. FSV Mainz 05 ist ein akribischer, rastloser Workoholic, der sich und sein Team klaren Leistungskriterien verschrieben hat, die er konsequent und nachhaltig einfordert. Nichts wühlt diesen Mann mehr auf als das Gefühl, ein Spieler oder die Mannschaft könnte fahrlässig von diesen Leistungskriterien ablassen. Kurzum: Tuchel steht nicht eben im Verdacht sich mit weniger als dem Machbaren begnügen zu wollen. Wer den Mann allerdings nach dem Auswärtsspiel in Hoffenheim beobachtete, der musste seine vielleicht getroffene Einschätzung, die Nullfünfer hätten „nur“ einen Zähler geschnappt direkt revidieren.

Thomas Tuchel erläuterte äußert gelassen seine Zufriedenheit mit der Darbietung seiner Mannschaft. Die Entspannung fußte auf den erheblichen Verletzungssorgen, die sein Team in den vergangenen Wochen ereilt haben. Durch den Ausfall von Ivan Klasnic, Elkin Soto und Jan Kirchhoff war das Lazarett bereits auf acht Spieler angewachsen, dann musste in der zweiten Halbzeit auch noch Niki Zimling aufgrund einer Nackenstauchung ausgewechselt werden. Neun Ausfälle – das ist für den kleinen Mainzer Kader ein echtes Brett. Trotzdem bekamen die Nullfünfer das für sie zunächst problematische Spiel nach der Pause gut in den Griff. TSG-Coach Marco Kurz lobte anschließend seinen Gegner für die gute Struktur in dessen Spiel. An diesem Nachmittag war dies das größte Kompliment für die Mainzer Mannschaft. Denn diese Struktur trotz der nötigen Umstellungen zu halten, taktisch stabil zu bleiben, ist die eigentliche Leistung dieser weiter leidenschaftlich arbeitenden Mannschaft hen und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auch nicht im direkten Vergleich zur individuell nicht eben schlecht besetzten TSG Hoffenheim.

Körperliche und mentale Müdigkeit

Christian Streich, der Trainer des zurecht hoch gelobten SC Freiburg, begründete am Samstag im Aktuellen Sportstudio, weshalb sein eigentlich defensiv so stabiles Team gerade in zwei aufeinander folgenden Spielen gegen den VfL Wolfsburg (2:5) und Borussia Dortmund (1:5) jeweils fünf Gegentore gefressen hatte, mit einer körperlichen und mentalen Müdigkeit durch den hohen Aufwand, welchen die Mannschaft in den Spielen und im Training betreibe.

Diese Aussage lässt sich direkt auf die Mainzer Situation übertragen. Mit dem Unterschied, dass in Mainz die hohe Ausfallquote die Belastung auf den Einzelnen zusätzlich steigert. „Der Aufwand für die Mannschaft ist auch aufgrund der kleinen Trainingsgruppe gerade enorm hoch, weil jeder einzelne Spieler permanent gefordert ist“, erläuterte Tuchel nach dem Spiel in Hoffenheim. Die Nullfünfer haben dennoch von den vergangenen zehn Bundesligaspielen nur eines verloren – gegen den übermächtigen FC Bayern München – und dabei manch kuriose Schiedsrichterentscheidung hingenommen. Vielleicht dämmert es jetzt dem einen oder anderen Betrachter, dass mit dieser Vorgeschichte die Leistung der Mainzer in Hoffenheim doch mehr war, als „nur“ nicht zu verlieren.

Nationalspieler: Bitte gesund bleiben!

Deshalb passte es den Mainzern am Wochenende auch gut in den Kram, dass der bei einem Auswärtssieg mögliche Sprung auf Rang vier nicht gelang. Dies hätte über die Länderspielpause viele Schlagzeilen generiert, aber bei oberflächlicher Betrachtung die spezielle Mainzer Situation wieder komplett außer Acht gelassen. Träume mit dem Etikett „Champions League“ braucht im Moment wirklich niemand rund um den Bruchweg. Am Freitag und kommende Woche Dienstag sind sieben Mainzer Profis auf Länderspielreise. Die wichtigste Nachricht wäre, dass sie Mitte nächster Woche gesund zurückkehren. Und dann kommt in zwei Wochen der den Abstiegsrängen bedrohlich nahe rückende SV Werder Bremen in die Coface Arena. Die Nullfünfer werden wieder alles für einen Sieg investieren und an einen möglichen Sieg glauben. Aber nicht, weil da „nur“ der Tabellen-14 gegenübersteht. Wer so denkt, hat von den vergangenen Zeilen nicht viel verstanden.