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Profis 04.05.2022 - 18:00 Uhr

Premiere vor der Familie: "Etwas sehr Wertvolles"

Leandro Barreiro spricht unter anderem über seinen besonderen Treffer gegen die Bayern, die anstehenden Saisonspiele in Berlin und gegen Frankfurt sowie seine Rolle innerhalb des Teams

Dass Leandro Barreiro auch noch drei Tage nach dem spektakulären Auftritt seiner Mannschaft in prächtiger Laune zum Gespräch erscheint, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich hatte der 22-Jährige, der beim 1. FSV Mainz 05 den Sprung aus dem Nachwuchsleistungszentrum ins Profiteam geschafft hat, und dort längst zum Stammpersonal von Bo Svensson gehört, nicht nur wegen seiner starken Leistung im Mittelfeld erheblichen Anteil am Heimerfolg über den als Meister feststehenden FC Bayern München. Der gebürtige Luxemburger erzielte dazu das Tor zum 3:1, das den Willen des Gegners endgültig brach, wie es Mitspieler Stefan Bell später ausdrückte

Für den 05-Profi war es im 29. Saisonspiel das erste Tor der laufenden Runde. "Dass es mir dann gut und auch viel besser geht als letzte Woche, ist auf jeden Fall klar", sagt er. "Es ist mein erster Treffer diese Saison, und ein Bundesligator ist immer etwas Besonderes. Klar, es hätte früher passieren können, aber ich habe weiter dran gearbeitet, bin geduldig geblieben und war mir sicher, dass es früher oder später passieren wird. Gegen Bayern und dann noch zu Hause, das ist nochmal mehr besonders."

04.05.2022

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"Und auf einmal war er drin"

Er habe den Ball bekommen in dieser 57. Minute und in die lange Ecke schießen wollen, schildert er die Szene. "Ich sehe nur, dass der Ball an die Schulter oder den Rücken des Abwehrspielers kommt und ganz komisch noch oben ansetzt. Ich war erst einmal in einer Starre, es war nicht genau zu erkennen, was passiert. Dieser Moment dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Ich habe gar nicht wahrgenommen, dass er an die Latte ging. Was ich gesehen habe, war, dass der Ball aufdotzte und hinter der Linie war. Ich habe mich einfach gefreut und gejubelt. Erst später in der Kabine konnte ich sehen, dass er noch an der Unterkante der Latte war. Aus meinem Winkel, ich stand ja frontal davor, war eigentlich nur erkennbar, dass der Ball hoch ging, sich drehte, wieder senkte. Und auf einmal war er drin."

Barreiros erstes Bundesligator vor Zuschauern. "Meine beiden anderen fielen vor leeren Rängen. Jetzt war es auch deshalb so besonders, weil meine Familie erstmals ein Tor von mir in der Bundesliga live erleben konnte. Die Emotionen mit ihnen zu teilen, war etwas sehr Wertvolles für mich. Eine zusätzliche Bestätigung", erklärt er. "Ich sehe es so, wenn ich gute Leistungen bringe, ist das auch Bestätigung. Ein Treffer ist aber ein Bonus obendrauf. Ich bin ja kein Stürmer, der an Toren gemessen wird. Wie jeder andere auch, schieße ich aber gerne Tore. Und dann freut es mich, dass sich die harte Arbeit, die ich investiere, mit einem wichtigen Tor gegen Bayern lohnt."

In der vergangenen Saison erzielte Barreiro beim 3:2-Heimsieg über RB Leipzig sein erstes Bundesliga-Tor für den FSV.

Die eigene Leistung im Blick

Dass viele Medien, wie fast immer, reflexartig ihr Mantra herunterleiern: 'Bayern verliert in Mainz, also war Bayern schlecht', daran hat sich Barreiro gewöhnt. So etwas stört ihn kaum noch. "Ich gucke immer auf unsere Leistung und ich habe unsere Mannschaft gesehen, die ein überragendes Spiel, eines der besten dieser Saison gemacht hat. Wir haben verdient gewonnen. Aus dieser Perspektive heraus sage ich: Es war eine super Leistung von uns. Die Bayern hatten an diesem Tag nicht das Niveau, das wir hatten. Ganz einfach."

Taktisch und fußballerisch stellten die Mainzer als Gruppe und individuell dem Favoriten Aufgaben, für die der Gegner im Ganzen keine Lösung fand. Es hänge auch immer davon ab, wie man ins Spiel komme. "Wir sind großartig gestartet, voller Selbstvertrauen. Dann lief es auf einmal", so der Mittelfeldspieler. So, wie das Bayern-Spiel, sind in dieser Saison schon einige Begegnungen in der MEWA ARENA gelaufen. Gegen unterschiedlichste Gegner, mit anderen Ergebnissen, aber mit hohem Wiedererkennungswert und so, dass der Funke von der Mannschaft auf die Ränge sprang. Der zweite Heimsieg gegen den Rekordmeister in Folge dürfte nun sehr nahe an Bo Svenssons Idealvorstellung herangereicht haben. 

"Wir als Team wissen, welche Leistungen wir abrufen können", sagt Barreiro. "Das sieht man in der Heimtabelle. Die Auswärtstabelle lasse ich jetzt mal lieber weg. Es war nicht jedes Spiel überragend, aber die Konstanz im eigenen Stadion spricht für die Leistung und dass wir uns als Mannschaft dabei sehr wohl fühlen." Nur neun kassierte Gegentore bis jetzt, viele Spiele überzeugend gewonnen, häufig dem Publikum ein Spektakel geboten. Braucht es das nach Corona in den wieder gut besetzten Stadien, um die Fans für Mainz 05 zu begeistern, um neue Fans zu gewinnen? "Auf jeden Fall. Es war schon schade, dass die Fans letzte Rückrunde nicht dabei sein konnten. Umso schöner, dass wir das jetzt mit ihnen teilen können, die uns zu Hause ja auch stark pushen und in engen Spielen dazu beitragen, dass wir die Partien oft auf unsere Seite ziehen", erklärt der 22-Jährige.

Nach dem Sieg gegen due Bayern stimmten Barreiro (M.) und Niakhaté (l.) mit den 05-Fans die Humba an.

Selten so eine Woche erlebt

Wie hat Barreiro das, was nach der 0:5-Schlappe in Wolfsburg folgte, erlebt? "Das war eine spezielle Woche, wie ich sie selten erlebt habe", erzählt er. "Der Trainer war stinksauer. Es gab eine Video-Sitzung, in der alles deutlich angesprochen wurde, wo uns klar gezeigt wurde, dass es so einfach nicht geht, dass wir uns so nicht präsentieren dürfen. Wir haben alles klar aufgearbeitet. Der freie Tag, den wir Anfang der Woche haben sollten, wurde nach hinten verlegt. So haben wir in den ersten Tagen im Training schon intensiv an den Problemen gearbeitet. Wir haben uns zudem klar auf die Bayern fokussiert. Es war harte Arbeit, aber das Heimspiel hat gezeigt, dass es genau das richtige war, genau das, was wir gebraucht haben." Dann bedürfe es auch keiner Extra-Ansprache mehr, um so loszulegen, wie in der Anfangsphase gegen die Bayern.  

"An und für sich braucht man als Fußballer sowieso keine Extra-Motivation für ein Bundesligaspiel", betont Barreiro. "Bei dem Beruf, den wir ausüben dürfen, sollte das nie notwendig sein." Für das Spiel gegen den Meister seien alle Sachen klar gewesen, der Kader habe die ganze Woche hart darauf hingearbeitet. "Es gab keine Fragezeichen. Jeder wusste um seine Aufgabe und was auf ihn zukommt. Die Bayern haben es dann auch so gespielt, wie wir es erwartet haben. Zu Hause haben wir halt die Energie und das Selbstbewusstsein, dass wir hier zu den Top-Mannschaften gehören. So sind wir aufgetreten."

"Mit neuen Herausforderungen und Widerständen umzugehen, bringt einen als Mensch und Fußballer weiter", so Barreiro über den Konkurrenzkampf im Mainzer Mittelfeld.

Mit gutem Gefühl nach Berlin

Diese Woche vor dem Hertha-Spiel laufe ähnlich. Die Mannschaft habe vom ersten Training an damit begonnen, taktisch gezielt auf das Berlin-Spiel hinzuarbeiten. "Dass die Aufgaben klar sind, dass sich jeder nochmal bewusst macht, dass es in dieser Saison auswärts nichts war, dass wir aber noch dieses eine Spiel haben und da reingehen, um das zu gewinnen. Das wird sich in allen Trainingseinheiten festsetzen, dann fahren wir mit Selbstvertrauen und einem guten Gefühl nach Berlin."

Danach kommt noch Frankfurt. Dafür, so der 05-Profi, benötige es keinen Extra-Push. Die Mainzer haben aktuell 42 Punkte, 48 sind möglich. Eine Zahl, die nicht explizit als Ziel ausgesprochen sei, "aber wir gehen sowieso in jedes Spiel rein, um zu punkten und im besten Fall zu gewinnen. Bei Hertha müssen wir gewinnen, weil wir die ganze Saison auswärts nicht gezeigt haben, wozu wir in der Lage sind. Und Eintracht ist das letzte Heimspiel der Saison, in dem wir den Fans noch einmal was bieten, ein ordentliches Spiel machen, gewinnen und uns bei unseren Anhängern bedanken wollen. Das liegt auf der Hand."

Jammern bringt selten etwas

Barreiro hat in dieser Runde 29 Spiele absolviert. Er habe viel gelernt. Der Konkurrenzkampf im Mittelfeld sei nochmal anders als im Vorjahr gewesen. "In den Momenten, in denen ich nicht gespielt habe, habe ich weitergearbeitet, versucht, mich weiterzuentwickeln. Darum geht es, immer weiter an sich zu arbeiten. Es kommen Phasen, in denen man viel spielt, dann wieder Phasen, in denen man wenig spielt. Dranbleiben ist wichtig. Wissen, dass es nur mit harter Arbeit geht. Jammern bringt da selten etwas. So bin ich durch die Saison gegangen. 29 von 34 Spielen sind schon mehr als okay", sagt er. "Ich will besser werden, da gehören alle Phasen dazu. Mit neuen Herausforderungen und Widerständen umzugehen, bringt einen als Mensch und Fußballer weiter."

Das sei auch sein Anspruch an die folgende Saison. Der Mittelfeldspieler ist inzwischen ein gestandener Profi. "Begriffe, wie Führungsspieler oder Stammspieler mag ich nicht. Seit ich bei den Profis bin, bin ich einer, der immer versucht, mit allen, ob jünger oder älter, zu reden. Ich bin gerne Ansprechperson, höre gerne viel, gebe gerne viel weiter, unabhängig vom Alter. Klar, ich habe jetzt mehr Erfahrung, die ich weitergeben kann und die ich gerne teile. Ich bin ich und hoffe nicht, dass sich das verändert."