Profis 15.05.2024 - 18:45 Uhr
Brajan Gruda: Der unbekümmerte Straßenkicker
Ein Bolzplatz in Speyer-West ist der Ursprung des begnadeten Dribblers, der als Jungprofi in seiner ersten Saison als fester Teil des Mainzer Profikaders begeistert und gemeinsam mit seinen Teamkollegen in Wolfsburg den entscheidenden Schritt in Richtung Klassenerhalt gehen möchte
Speyer-West dürfte Mateu Morey wohl kein Begriff sein. Die Erinnerungen an einen, der dort aufgewachsen ist, sind aber höchstwahrscheinlich noch frisch beim spanischen Außenverteidiger von Borussia Dortmund. Brajan Gruda, der das Fußballspielen auf Asche, in einem Bolzplatzkäfig des Stadtteils der der südpfälzischen Kleinstadt lernte, spielte Morey mit seinen Dribblings in der ersten Halbzeit beim 3:0-Sieg der 05ER gegen den BVB fast Knoten in die Beine und war mit einer seiner stärksten Leistungen im 05-Trikot ein wichtiger Teil des FSV beim Ausrufezeichen im Abstiegskampf. Jetzt will der 19-Jährige am Samstag (15:30 Uhr, live auf SKY und 05ER.fm) beim VfL Wolfsburg mit seinem Team auch den letzten Schritt zum Klassenerhalt gehen.
Ein paar Wohnblocks, viele Kinder und Jugendliche, die Bock hatten zu kicken, ein Ball und zwei Handballtore. Mehr war nicht nötig für eine gute Zeit erinnert sich Gruda an seine Jugend in einer der ältesten Städte Deutschlands. "Die Jungs waren größtenteils älter als ich, teilweise über 20 Jahre alt. Ich durfte als einziger mitspielen, auch mein Vater hat manchmal mitgespielt. Im Sommer waren wir jeden Tag dort, auch bei 30 Grad haben wir den ganzen Tag gekickt", erzählt der Mainzer Jungprofi. Weil er der kleinste war, musste er den Ball aus dem neben dem Fußballkäfig fließenden Bach holen, wenn er mal wieder reingeflogen. "Das war eine geile Zeit und auch eine gute Schule für mich. Man kann schon sagen, dass meine Dribbel-Stärke aus dieser Zeit stammt." Ein echter Straßenkicker, der nach drei Jahren beim Karlsruher SC ab der U15 den Feinschliff im Nachwuchsleistungszentrum der 05ER am Bruchweg bekam und seinen Weg bis zu den Profis ging.
"Ich gehe raus und mache mein Ding"
Egal, ob auf dem Bolzplatz oder in den Stadien der Bundesliga: Angst vor älteren Gegenspielern oder den großen Namen des Profifußballs hat Gruda nicht, sondern geht mutig und unbekümmert immer wieder in Eins-gegen-Eins-Situationen, sucht sie auf der rechten Außenbahn förmlich. Sein Geheimrezept hat auch etwas mit seinem Vater zu tun. "Er hat immer zu mir gesagt, dass ich mich auf meine Stärken konzentrieren und mein Ding machen soll. Deswegen gehe ich einfach raus auf den Platz, habe Lust zu spielen und mache mein Ding, ohne mir selbst zu viel Druck zu machen."
Harte Arbeit gegen den Ball und Freiheiten in der Offensive
In seiner ersten Saison als fester Bestandteil des Profi-Kaders gab es aber auch Zeiten, in denen der stets unbeschwerte Gruda nochmal neu lernen musste, das harte Arbeit ein ebenso wichtiger Teil des Spiels der 05ER ist. Bo Henriksen setzte das Mainzer Eigengewächs beim Heimsieg gegen Bochum 90 Minuten auf die Bank, nachdem die Trainingsleistungen zu wünschen übrig ließen. "Es gab ein paar Situationen, in denen ich nicht konsequent nach hinten gelaufen bin", gesteht der 19-Jährige selbstkritisch. Es sei ihm klar geworden, wie wichtig für Henriksen die Defensivarbeit seiner Offensivspieler sei. Ein Verhaltensmuster, das jeder Spieler aus dem NLZ sowieso schon eingeimpft wurde, setzte er ab diesem Zeitpunkt wieder zur Zufriedenheit seines Trainers um. "Es geht immer darum, den Ball direkt wieder haben zu wollen, aggressiv zu sein, vor allem, wenn man ihn selbst verloren hat." Hart zu arbeiten und viel zu laufen seien die klaren Vorgaben für die Arbeit gegen den Ball.
Im Offensivspiel kann sich Gruda dagegen austoben im Zusammenspiel mit seinen Teamkollegen. "Das ist ein geiles Gefühl, wenn man in der Offensive frei sein kann." Wenn er den Ball auf der rechten Außenbahn erhalte, wisse er oft schon bevor der Ball kommt, was er machen werde. Das sei auch ein Verdienst seiner Trainer aus dem NLZ. Besonders sein damaliger U16-Trainer Patrick Kaniuth habe erkannt, welche Stärken er auf dieser Position entfalten könne. "Dafür kann ich mich bei ihm nur bedanken." Verbesserungspotenzial sieht er bei sich vor allem im Bereich der Effektivität und Entscheidungsfindung. "Daran arbeite ich. Ich muss noch mehr Abschlüsse suchen, den letzten Pass und das letzte Dribbling besser gestalten."
"Das war ein überragendes Gefühl"
Zu seinem aktuellen Trainer hat Gruda so wie das gesamte Team ebenfalls "eine besondere Verbindung". "Das sieht man auch auf dem Platz, wir spielen mit Herz und das schlägt sich in den letzten Wochen auch in den Ergebnissen nieder." Die Stimmung sei nicht nur in der Kabine gut, die Energie übertrage sich auch auf den Platz und die Fans. "Als ich gegen Dortmund zum Aufwärmen auf den Platz kam, war die Stimmung schon überragend – mal wieder! Es war so laut, das war ein überragendes Gefühl. Wir waren total heiß. Jeder hatte Bock, zu kicken und das Spiel zu gewinnen."
Ein Schritt ist es nun noch, die 05ER haben den Klassenerhalt in Wolfsburg wieder in der eigenen Hand und wollen die Energie aus dem Dortmund-Spiel gemeinsam mit tausenden Fans mit nach Niedersachsen nehmen: "Wir wollen ein noch besseres Spiel als gegen Dortmund abliefern, noch aggressiver sein, die drei Punkte mit nach Hause nehmen und mit unseren Fans feiern", so Gruda. Seine Unbekümmertheit und die Freude am Spiel, die einst auf einem Bolzplatz in Speyer-West heranwuchs, werden ihm und dem FSV sicherlich auch in der VW-Arena helfen.