Profis 21.06.2020 - 14:00 Uhr
"Darauf können wir stolz sein"
Rouven Schröder hält höchst emotionale Ansprache nach dem 3:1 gegen Bremen und vorzeitig gesichertem Ligaverbleib
Der 1. FSV Mainz 05 kann nach dieser leidenschaftlichen und mitreißenden Vorstellung in der OPEL ARENA für seine zwölfte Bundesligasaison in Serie planen. Die Mannschaft von Achim Beierlorzer gewann nach der Partie in Dortmund auch das letzte Heimspiel dieser Runde und sicherte sich damit die nötigen Punkte für den vorzeitigen Klassenverbleib. "Deckel drauf, Sack zu", sagte der Cheftrainer nach dem 3:1-Erfolg gegen den SV Werder Bremen, mit dem die 05ER auf Platz 13 kletterten.
Als Schiri Manuel Gräfe dieses aufregende Duell abpfiff, waren die Mainzer schnell ganz unter sich. Die Bremer, die felsenfest von einem Auswärtssieg überzeugt gewesen waren, schlichen geschlagen und konsterniert in die Kabine. Die Mainzer lagen sich kollektiv in den Armen und feierten diesen Moment, auf den seit dem Neu-Start der Liga alles ausgerichtet war, eher still. Ohne Zuschauer, ohne die eigenen Fans, die ein Stadion in solchen Momenten normalerweise vor Begeisterung zum Beben bringen, waren die Beteiligten mit sich und ihrem aufgewühlten Innenleben mehr oder weniger alleine.
Die aufgestaute Anspannung, die wochenlange Achterbahnfahrt der Gefühle, entlud sich in purer Emotion. Vor allem bei Rouven Schröder, der alle in einem Kreis versammelte und eine Rede hielt, die ein wenig an die Gefühlswelt vor 16 Jahren unter Jürgen Klopp erinnerte, als das große Abenteuer Bundesliga in Mainz begann.
T-Shirts dokumentieren Gefühlswelt
"Heute haben wir eins gezeigt: Wer wir sind", brüllte der Sportvorstand in die Runde. "Die Identifikation. Wir sind eine Mannschaft. Wir allein haben es geschafft auf dem Platz. Jeder für jeden. Wir sind in der Liga geblieben. Alle haben gesagt, wir sind schon weg. Gar nix sind wir. Wir sind weiter in der Bundesliga, weil wir gut sind, weil wir Talente sind, weil wir ältere Spieler sind, weil wir ein Team sind. Scheißegal. Mainz 05, das alleine zählt. Ich bin stolz auf euch." Der Rest ging unter im Jubel von Spielern, Trainern, Funktionsteam und Vereinsmitarbeitern auf der Tribüne.
"Ich bin total emotional gewesen, weil wir was erreicht haben", erklärte Schröder später. "Das war einfach ein super Gefühl. Wir sind durch so viele Täler gegangen Wir mussten uns so viel anhören. Sicher, auch berechtigte Kritik. Aber wir haben den Glauben nicht verloren. Alle Menschen, die hier für diesen Verein arbeiten, machen das mit 100 Prozent Herzblut, das lasse ich mir nicht kaputtreden. Darauf können wir stolz sein. Andere werden am Stück Meister, wir bleiben am Stück in der Liga." Die weißen T-Shirts, die Teammanager Darius Salbert verteilte, dokumentierten dies: "8x Meister? Langweilig! 11x drinbleiben? Mainzer Weltklasse. 1x nicht mit euch feiern? Unendlich schmerzhaft!", lautete die Aufschrift.
Das souverän klingende 3:1 hatte es jedoch in sich und Phasen, in denen das Team etwas Glück und vor allem zu Beginn einen hellwachen Torhüter benötigte. "Es ging nicht optimal los", sagte Beierlorzer. Florian Müller musste zwei richtig gute Chancen der Bremer vereiteln, ehe die 05-Profis aufwachten, mit viel Laufarbeit und intensiver Zweikampfführung mehr und mehr das Geschehen übernahmen, den Spielverlauf auf ihre Seite zogen.
Beierlorzer: "Wir haben es geschafft"
Das Kopfballtor von Robin Quaison (Beierlorzer: "brutal hilfreich") brachte die Partie in die richtige Bahn. Das 2:0 von Jean-Paul Boëtius ("sensationell herausgespielt") traf die Bremer empfindlich. Danny Latza bereitete den Treffer mit seinem beherzten Solo und einem künstlerisch wertvollen Hackenvorleger auf den Torschützen perfekt vor. Nach dem Wechsel gaben die Mainzer die Kontrolle etwas aus der Hand, die Bremer warfen alles rein, kämpften und schafften den Anschlusstreffer. Doch nach einem perfekten Angriff mit dem überragenden Tiefenpass von Ridle Baku erzielte Edimilson Fernandes, der aus dem Mittelfeld bis in die Spitze durchgesprintet war, den Endstand. Hinten brannte nichts mehr an, weil der eingewechselte Alexander Hack als zusätzlicher Innenverteidiger alles abräumte. Insgesamt hatten die 05ER auch mehr und bessere Chancen als der Gegner, um sich diesen Erfolg zu verdienen.
"Wir haben einen Matchball gehabt. Den haben wir verwandelt. Nicht wie beim Tennis: Aufschlag, volley, fertig, sondern mit 97 Minuten viel Arbeit. Großes Lob für diese Mentalität, großes Lob auch für die Identifikation, die das Team gezeigt hat. Wir haben es geschafft", sagte der 05-Trainer, der eingestand, dass dieser vorzeitige Abschied aus einem knallharten Abstiegskampf für ihn und alle Beteiligten eine anstrengende Geschichte gewesen sei. "Ich fühle mich müde, das muss ich wirklich sagen. Ich bin aber überglücklich und freue mich wahnsinnig darüber, dass wir nicht bis zum letzten Spieltag diesem Psychoterror unterliegen, gucken zu müssen, was wo passiert", erklärte der 52-Jährige.