Profis 09.01.2017 - 09:35 Uhr

Das Glück erzwingen

Jonas Lössl will Fortuna mit harter Arbeit überlisten

„Fünf“, das ist Jonas Lössls Antwort auf die Frage, wie er seine Leistung in der Hinrunde der Bundesligasaison 2016/2017 auf einer Skala von eins bis zehn einschätzt. Fünf, die goldene Mitte. Ausschläge, so sagt er, gab es nach unten und nach oben, und zufrieden sei er mit der fünf nicht. Aber er hat eine weitere Halbserie vor sich, die er nutzen will für eine höhere Zahl auf der Skala.

Lössl ist nicht zufrieden mit sich. Als er im Sommer vom französischen Erstligisten EA Guingamp zu Mainz 05 in die Bundesliga gewechselt ist, trat er in große Fußstapfen. Loris Karius hielt den Kasten der 05er so sauber, dass man sogar in der Premier League auf ihn aufmerksam wurde. Der junge Keeper folgte dem Ruf des großen FC Liverpool und Lössl folgte auf Karius. Und der Däne hatte sich viel vorgenommen. „Ich hatte gehofft nach Deutschland zu kommen und gleich eine Superrunde hinzulegen, aber das hat nur teilweise geklappt. Ich habe in einigen Spielen richtig gut gehalten und in anderen Fehler gemacht“, so Lössl, „darüber war ich sehr enttäuscht. Aber die Entwicklung läuft in die richtige Richtung.“

In der Tat ist die erste Bundesliga-Saison des zweiten dänischen Nationaltorhüters ein Auf und Ab. Sicher gab es den einen oder anderen Patzer, aber dafür auch große Paraden und gehaltene Elfmeter in wichtigen Situationen, so zum Beispiel im Pokalkrimi gegen Unterhaching. Die Gründe dafür, dass nicht alles geklappt hat, was sich Lössl vorgenommen hatte, sind vielschichtig. „Es gibt nicht den einen Grund dafür, vielmehr ist es eine Kombination aus vielen Dingen. Generell bin ich in einer neuen Mannschaft in einer neuen Liga, es dauert einfach seine Zeit, bis man sich an alles gewöhnt hat“, sagt Lössl, „die Bundesliga ist eine bessere Liga, hier ist das Tempo höher, die Taktik und die Technik besser.“

Eine normale Entwicklungskurve für einen Spieler, der erstmals in der Bundesliga zwischen den Pfosten steht. Und als letzter Mann in der Abwehrreihe oft den undankbarsten Job auf dem Platz hat. Auch für Loris Karius war aller Anfang schwer. Der einstige Mainzer Keeper wirkte in seinen ersten Bundesligapartien zuweilen orientierungslos im eigenen Strafraum. Doch der deutsche U-21-Nationalkeeper hatte einen Vorteil – er hatte in den entscheidenden Situationen Fortune. Eine Sache, die Jonas Lössl in seinen ersten sechs Monaten in Mainz so nicht beschieden war: „Das nötige Quäntchen Glück ist etwas, das mir in dieser Saison bislang definitiv gefehlt hat.“

Doch wenn Fortuna einem schon nicht wohlgesonnen scheint, dann muss man das Glück eben erzwingen. Jonas Lössl will genau dies tun, und zwar mit harter Arbeit. Das Selbstbewusstsein, das andere aus einer glücklichen Null hinten ziehen, zieht Lössl aus seiner Erfahrung und dem Wissen um seine Stärken. „Ich fühle mich wohl auf dem Platz und bin selbstbewusst. Ich kenne meine Stärken und weiß, dass ich dem Team auch oft helfen konnte. Aber ich will besser werden und hätte gerne mindestens fünf Klasseparaden mehr gezeigt. Dann hätten wir auch mehr Punkte auf dem Konto und meine persönliche Saison wäre auch besser.“ Der Keeper hatte zuweilen einen schweren Stand in der Öffentlichkeit. Er solle doch dies besser machen und jenes, lauteten die guten Ratschläge in den sozialen Netzwerken. 

„Jeder hat irgendeine Erklärung dafür, warum wir so viele Gegentore bekommen haben, oder eine Meinung dazu, ob unser Stil zu offensiv ist. Das ist auch legitim. Ich jedoch muss für mich meine Fehler analysieren und Schlüsse daraus ziehen, was ich besser machen kann. Und weiterhin hart an mir arbeiten.“ Seinem eigenen Stil will Lössl dabei treu bleiben, jetzt vogelwild mit neuen Techniken herumzuexperimentieren, kommt für den Dänen nicht in Frage. „Wenn ich jetzt anfange, einen Weg zu gehen, der nicht meiner ist und der nicht darüber geht, sich selbst und seine Stärken durch harte Arbeit zu verbessern, wird das nicht in Erfolg, sondern fehlender Stabilität enden. Man muss als Torwart nicht immer das Rad neu erfinden, sondern an das glauben, was man kann und das Bewährte richtig machen. Am wichtigsten ist der Fokus aufs Ziel – die Null hinten“, so Lössl.

Zweimal ist das dem Keeper in dieser Halbserie gelungen, und diese Zahl soll sich deutlich erhöhen. Bei Flanken und hohen Bällen strahlt Lössl Sicherheit aus, aber auf der Linie müsse er noch zulegen sagt der Keeper von sich selbst. Gemeinsam mit Torwarttrainer Stephan Kuhnert legt er den Fokus auf Paraden vor der Box, Athletik und neuen Ideen mit Lössls Handschrift im Torwartspiel. „Es gibt nichts was ich mehr will, als ein perfektes Spiel abzuliefern. Deshalb gebe ich jeden Tag im Training alles und werde dies auch in Zukunft tun. Denn harte Arbeit im Training ist der Grundstein für ein gutes Spiel.“

Und der Grundstein dafür, sich als Nummer eins fest zwischen den Pfosten zu etablieren. Auch wenn das Rennen immer offen ist und niemand absolut gesetzt, geht Lössl selbstbewusst in die Rückrunde. „Dieser Konkurrenzkampf gehört dazu, und deshalb habe ich mir für die Zeit nach der Winterpause vorgenommen, dem Trainer durch gute Leistungen meinerseits keine andere Wahl zu lassen als mich aufstellen zu müssen.“ Seine harte Arbeit wird sich auszahlen, davon ist Lössl überzeugt. Als er nach dem 2:1 gegen den SV Darmstadt 98 und einer bockstarken Partie von den Fans nach 90 Minuten auf den Zaun gerufen wurde, war Lössl überglücklich: „Das war der bislang schönste Moment für mich in Mainz.“