Profis 05.01.2017 - 15:09 Uhr
Der Herr der Leibchen
Trainingslager hinter den Kulissen: Ein Blick ins Reich des 05-Zeugwarts Walter Notter
Mehr als ein Vierteljahrhundert ist Walter Notter schon Zeugwart beim 1. FSV Mainz 05 – und hat dabei wahrscheinlich mehr Trainingslager absolviert als die Profis bei Mainz 05 zusammen. In seiner Position kommen für den 55-Jährigen was die reine Arbeitszeit im Trainingslager angeht sicherlich die meisten Stunden auf die Uhr. Wir haben Notter in der Kleiderkammer der 05er in Marbella besucht und mit ihm über die Herausforderungen jedes Trainingslagers für einen Zeugwart gesprochen und darüber, was sich seit seinem Dienstantritt 1988 alles geändert hat.
Walter, dein wievieltes Trainingslager ist das jetzt? Sind wir noch im zweistelligen Bereich?
Walter Notter (lacht): „Puh, gute Frage, ich denke schon. Aber die genaue Zahl kann ich tatsächlich nicht mehr nennen. Habe schon einige hinter mir und aufgehört zu zählen.“
Erinnerst du dich denn noch an dein allererstes Trainingslager?
Walter Notter: „Mein allererstes Trainingslager … ja … das war meine ich in Calla Millor auf Mallorca. Damals war Robert Jung noch Trainer von Mainz 05 in seinem ersten Jahr. Aber das damals war mit dem Aufwand eines Trainingslagers heutzutage gar nicht vergleichbar.“
Inwiefern?
Walter Notter: „Damals bist du mit fast gar nichts weggefahren oder geflogen. Da hatte die Mannschaft viele der Utensilien noch selbst am Mann, sprich in ihrem Koffer. Die Schuhe, das Equipment – heute verschiffen wir das alles.“
Wurdest du damals von deinem Vorgänger Willi Schenk eigentlich eingearbeitet?
Walter Notter (lacht): „Nicht so wirklich, er hat mich ziemlich ins kalte Wasser geworfen! Klar hat man das eine oder andere schon erklärt bekommen, aber am Ende kam das doch sehr überraschend. Wir sind immer zusammen zu den Spielen gefahren und haben die Vorbereitung zusammen gemacht, die damals bei weitem nicht so umfangreich war wie heute. Irgendwann vor einem Spiel bei Borussia Neunkirchen in der Oberliga stand ich auf einmal alleine da – er ist einfach nicht gekommen zur Abfahrt und dann stand ich da (lacht). Das war auch Absicht von ihm, er wollte schauen, wie ich das alleine hinbekomme. Da war ich natürlich gefordert, dann heißt es nämlich „mach mal“.“
Jetzt bist du wahrscheinlich der routinierteste Zeugwart der Liga – und die Entwicklung deines Verantwortungsbereichs war immens in den Jahrzehnten, die du nun schon bei Mainz 05 tätig ist, oder?
Walter Notter: „Ja, als Zeugwart bist du nicht mehr nur allein für die Trainings- und Spielbekleidung zuständig, sondern in Trainingslagern auch für den Transport des Trainingsequipments.“
Deshalb fährst du auch immer mit einem großen Transporter vor, weil alles und besonders die sperrigen Teile kaum in den Flieger passen. Wie viel Zeug muss der Zeugwart denn heutzutage mitnehmen ins Trainingslager?
Walter Notter: „Rein an Gewicht bringen wir ca. 1,5 bis 2 Tonnen Material mit. Das beinhaltet neben den Trainings- und Spielklamotten auch Pullis, Aufwärmshirts, Schuhe, Leibchen, Bälle, Massageliegen, Stepper, Hürden, und und und. Alles, was das Team und die Trainer brauchen, haben wir dabei.“
Lediglich deine Waschmaschinen bleiben zu Hause.
Walter Notter (lacht): „Richtig! Da nutzen wir die des jeweiligen Hotels. Die Zusammenarbeit da ist wirklich super. Auch in diesem Jahr hier im Hotel, wo wir nun ja schon zum dritten Mal sind. Als ich hier reinkam, wurden wir von den Mitarbeitern schon begrüßt wie alte Freunde. Das ist schön und auch wichtig. Trotzdem muss man immer hinterher sein – die schnelle deutsche Zeittaktung in der Erledigung von Arbeiten ist nicht immer in jedem Land selbstverständlich, ohne despektierlich klingen zu wollen (lacht). In anderen Ländern geht man an viele Dinge etwas relaxter ran. Aber die Zusammenarbeit hier im Hotel ist optimal und klappt wirklich super.“
Dein Arbeitstag ist sicherlich einer der längsten im Trainingslager von Mainz 05. Wie sehen denn 24 Stunden im Leben von Walter Notter in Marbella aus?
Walter Notter: „Ich stehe um sechs auf und mache schon vor dem Frühstück die ersten Sachen im Kleiderraum fertig. Ich kontrolliere, ob genug Material da ist und bereite alles vor, damit die Spieler sich vor dem Training einkleiden können. Ich bin eigentlich fast immer im Raum, damit die Jungs direkt einen Ansprechpartner haben, wenn sie was suchen oder etwas brauchen. Das ist mir wichtig, denn alles soll reibungslos laufen und alle gut ausgestattet sein. Dann geht es auch schon zum Training, wo ich auch immer ein paar Shirts extra einpacke. Nach dem Training geht es sofort wieder in den Arbeitsraum, damit die Spieler nach den Eisbädern gleich frische Klamotten haben. Nach dem Mittagessen kommt schon die Wäsche, die wird dann kontrolliert, einsortiert, fürs nächste Training vorbereitet und es wird Ordnung gemacht. Danach habe ich meist mal eine Stunde Luft, um mal 5 Minuten runterzufahren. Nach dem zweiten Training und nach dem Abendessen geht es dann im selben Ablauf weiter. Arbeitsende ist meist so 22 Uhr, 22:30 Uhr.“
Ist es im Trainingslager für dich eigentlich stressiger, weil die Taktung so eng ist oder etwas entspannter, weil zumindest das Waschen der Trainingskleidung für dich wegfällt?
Walter Notter: „Es hält sich wirklich die Waage – sowohl als auch. Was das Waschen angeht ist es zwar entspannter, aber dafür musst du immer kontrollieren und bist abhängig davon, dass alles pünktlich geliefert wird. Aber bislang hat immer alles geklappt – es musste bei mir noch nie jemand nackt trainieren.“