Profis 03.11.2023 - 21:15 Uhr
Heidel: "Bo wird immer ein besonderer Trainer in der Historie von Mainz 05 bleiben"
Der 05-Sportvorstand gab am Freitag Einblicke zur Trennung von Bo Svensson, welches Abschiedsgeschenk sich der Ex-Coach von seinem Team wünscht und welche Stimmung jetzt nötig ist beim FSV
Hinter dem 1. FSV Mainz 05 liegen emotionale Stunden. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, nach der ernüchternden Pokalniederlage bei Hertha BSC, war gegen halb vier in der Früh klar, dass die Zeit von Bo Svensson als Cheftrainer der 05ER ein vorzeitiges Ende nimmt. Eineinhalb Stunden hatten sich Heidel und Sportdirektor Martin Schmidt zuvor in Svenssons Hotelzimmer ausgetauscht, bis sie gemeinsam mit dem Dänen zu einer Entscheidung kamen. Svensson, sein Co-Trainer Babak Keyhanfar (Heidel: "Ein großes Dankeschön, er war ebenfalls ein wichtiger Teil") und der FSV gehen ab sofort getrennte Wege, der bisherige U23-Trainer Jan Siewert übernimmt bis auf Weiteres den Trainerposten beim FSV. "Wir haben uns dann umarmt, es war ein komisches Gefühl", gab der Sportvorstand auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Leipzig am Samstag (15:30 Uhr, live auf SKY & 05ER.fm) einen Einblick in die Hintergründe der "Trennung auf hohem Niveau und Augenhöhe".
Bereits kurz nach dem 0:3 im Berliner Olympiastadion verspürte Heidel eine Vorahnung. Kurz danach kam die Bitte von Svensson um ein Gespräch per SMS beim Mainzer Sportvorstand an. "Er war sehr klar und wollte uns mitteilen, dass er das Gefühl hatte, dass etwas passieren muss und dass er, im Gegensatz zur Zeit davor, nicht mehr der richtige Trainer für die Mannschaft ist, weil ihm die Spiele und Ergebnisse das deutlich gemacht haben", erzählte Heidel, der gemeinsam mit Schmidt feststellen musste: "Wir hatten das Gefühl, dass leider der Tag gekommen ist, an dem irgendetwas passieren muss. Die Spiele zeigen nicht das, was wir uns erhoffen, wofür wir arbeiten und was Bo in die Sache investiert. Wir haben dann gemeinsam beschlossen, dass das der beste Weg. Das war Lichtjahre entfernt von einer Entlassung oder Kündigung", betonte Heidel. "Es wäre mein Wunsch gewesen, dass es länger geht. Das hat mir wehgetan, weil ich die Hoffnung hatte, dass es eine Ära geben kann. Aber es ist wie es ist. Der Tag gestern hat mich bewegt und vielleicht auch verändert." Erst gegen vier Uhr ging es für Heidel ins Bett, wirklich zur Ruhe kam er in der kurzen Nacht nicht mehr.
Erinnerung an die Verabschiedung von Jürgen Klopp
Am nächsten Vormittag flogen die 05ER zurück nach Mainz. Noch im Flieger schickte Heidel eine Nachricht an Siewert, zurück am Bruchweg weihte er den bisherigen U23-Cheftrainer in die weiteren Pläne ein. Svensson verabschiedete sich im Anschluss in der Kabine von seiner Mannschaft und dem Staff. "Das war auch für Bo alles andere als einfach." Etwa 45 Personen versammelten sich bei der bewegenden Rede in den Katakomben des Bruchwegstadions. "Es ging uns allen sehr nah, weil wir gespürt haben, dass er ein Teil von Mainz 05 ist", so Heidel. Auch das Video, dass die 05ER anschließend in den sozialen Netzwerken veröffentlichten, sei eine Idee Svenssons gewesen, um sich von allen Mainzerinnen und Mainzern zu verabschieden. "Ich habe einige Trennungen von Trainern erlebt, angenehm war es nie. Es hat allen wehgetan und hat mich ein bisschen an die Verabschiedung von Kloppo erinnert. Wir hatten alle einen Kloß im Hals und wissen, was wir Bo zu verdanken haben. Von mir nochmal ein großes Dankeschön. Bo wird hier immer willkommen sein. Er wird immer ein besonderer Trainer in der Historie von Mainz 05 bleiben."
Einen Wunsch äußerte Svensson noch in seiner Rede an die Spieler, berichtete Heidel: "Er hat der Mannschaft gesagt, dass sie ihm das größte Abschiedsgeschenk machen würden, wenn sie am Samstag ein besonderes Spiel auf den Platz bringen." Heidel, der eine Mannschaft nach eigener Aussage selten so niedergeschlagen erlebt hat, wünscht sich ab sofort ebenfalls eine außergewöhnliche Stimmung, nicht nur gegen Leipzig. "Wir müssen den Bock umstoßen, das muss am Samstag losgehen. Es muss Abstiegskampf pur sein. Wir brauchen die Zuschauer, eine besondere Atmosphäre." Solche Aufgaben habe man bei Mainz 05 immer gelöst, abgesehen von 2007. "Uns hat immer stark gemacht, dass wir in Mainz zusammengerückt sind: Stadt, Verein und Mannschaft. Dann werden wir den Gegnern wieder Probleme bereiten können. Wenn wir das Mainzer Gefühl hinbekommen, haben wir eine Chance. Wenn nicht, wird es ganz schwer."
"Die Spieler sind in der Pflicht"
An eine Situation wie die jetzige könne er sich nur schwer erinnern, gibt der Sportvorstand zu. "Wir fragen uns, wie so eine Mannschaft so wenig Punkte holen kann. Die Antwort ist sehr schwer." Es sei eine Entwicklung gewesen, die nach dem Auftakt bei Union Berlin eingesetzt hätte, "die man vielleicht nicht direkt ganz ernst genommen hat. In den Köpfen war drin: eigentlich sind wir ganz gut. Dann fehlen vielleicht ein paar Prozent. Die Tabelle lügt nicht", so Heidel, der betont: "Den Spielern wurde gestern endgültig klar, dass die Uhr geschlagen hat. Sie sind in der Pflicht."
Auch sich selbst und alle weiteren sportlich Verantwortlichen bei Mainz 05 nimmt Heidel damit nicht aus. "Wenn wir eine solche Saison spielen, muss sich jeder hinterfragen. Ich habe die Gesamtverantwortung. Drei Punkte sind erheblich zu wenig, deshalb bin auch ich in der Pflicht. Man muss selbstkritisch sein. Aber wir haben einen Verein, der jetzt durch diese schlechte Situation muss", so Heidel, der trotz der Ereignisse nun wieder in den Abstiegskampfmodus umschaltet: "Wir müssen und werden die Klasse halten. Das ist immer noch möglich. Wir gehen dieses Thema an. Das betrifft Spieler, Fans, uns alle. Ab heute müssen wir die Uhren wieder umstellen."