Profis 07.01.2017 - 08:15 Uhr

Hoffen auf Langeweile

05-Mannschaftsärzte im Trainingslager

Ihre Arbeit geht erst dann los, wenn andere Schmerzen haben: Die Mannschaftsärzte Dr. Alexander Tamm und Dr. Stefan Mattyasovszky begleiten den 1. FSV Mainz 05 regelmäßig ins Trainingslager, um im Falle von Verletzungen und Erkrankungen vor Ort eine optimale medizinische Erstversorgung zu gewährleisten. Bislang mussten sie in Marbella noch nicht schwer tätig werden – zum Glück. Warum mehr schwere Verletzungen in Spielsituationen entstehen als im Training und wieso ihre Arbeit nah am Profisport ein Traumjob ist, erzählen Tamm und Mattyasovszky im Interview.

In der Rubrik „Trainingslager hinter den Kulissen“ stellen wir ja ein bisschen die Arbeit derer vor, die im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf arbeiten. Aber am besten läuft es im Trainingslager doch, wenn ihr beide gar nichts zu tun habt, oder?

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Ja. Also ich hoffe immer ein bisschen, dass wir nichts zu tun haben. Nicht, weil wir die Arbeit scheuen. Sondern weil es immer dann am schönsten im Trainingslager ist, wenn wir keine verletzten Spieler haben.“

Bislang sind es also Gott sei Dank entspannte Tage für euch hier in Marbella?

Dr. Alexander Tamm: „Wir haben schon ein bisschen was zu tun, allerdings nur kleinere Sachen. Wenn es so bleibt, wäre es tatsächlich schön für die Mannschaft.“

Was sind denn so diese kleineren Sachen?

Dr. Alexander Tamm: „Was wir immer haben, sind Erkältungen oder kleinere Magen-Darm-Erkrankungen, die man recht schnell und gut behandeln kann.“

Aber auch im Training gibt es Situationen, wo ihr eingreifen müsst. So zum Beispiel am Donnerstag im Fall von Jairo, der nach einem Zweikampf mit Schmerzen im Fuß vom Platz musste.

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Die Jungs schenken sich im Training halt nichts, gehen in die Zweikämpfe rein. Man merkt, dass es eben um etwas geht. Aber für einen solchen Fall sind wir gut ausgestattet. Die Physiotherapeuten und wir haben auch im Trainingslager Hightech-Equipment dabei. Ihr habt ja gesehen, dass wir schon am Feld direkt die Akuttherapie mit Kühlung, Kompression und Hochlagerung einleiten. Im Hotel verschaffen wir uns dann ein genaueres Bild von der Verletzung (u.a. mit dem tragbaren Ultraschallgerät, welches wir mit nach Spanien genommen haben). Und heute (Freitag, Anm. d. Red.) sind wir zur Sicherheit noch mal ins Krankenhaus gefahren, um vor Ort ein Röntgenbild zu machen. So konnten wir eine Knochenverletzung ausschließen. In Jairos Fall sind lediglich die Weichteile im Fuß in Mitleidenschaft gezogen worden. Er wird also bald wieder auf die Beine kommen.“

Hört sich ja doch nach viel Arbeit an.

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Die meiste Arbeit hier haben die Physios. Wir stellen die Diagnosen und erstellen den Therapieplan. Die Physiotherapeuten sind diejenigen, die dann morgens, mittags und abends mit ihrer Arbeit zur Heilung beitragen, zum Beispiel mit abschwellenden Maßnahmen, damit die Jungs möglichst schnell wieder schmerzfrei sind und ins Training zurückkehren können.“

Ihr seid beide ja schon ein paar Jahre dabei – aber richtig schwere Verletzungen musstet ihr seither im Trainingslager noch nicht behandeln, oder?

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Richtig schlimme Verletzungen blieben für uns in den Trainingslagern bislang zum Glück aus. Die passieren meistens im Wettkampf, in der Bundesliga. Aber wir hatten zum Beispiel auch schon Innenbandverletzungen am Knie in Freundschaftsspielen, denn da wird sich auch nichts geschenkt. Sowas passiert eher unter Spielbelastung und kommt im Training seltener vor. Bislang hatten wir – und toi toi toi, dass das so bleibt – im Trainingslager noch nichts Extremes zu behandeln.“

Dr. Alexander  Tamm: „Meine internistische Kollegin Dr. Kathrin Stelzer und ich agieren ja auch als Notärzte am Spielfeldrand. Da wünscht man sich natürlich nicht, dass man im Training oder Spiel mal notfallmäßig eingreifen muss. Und glücklicherweise mussten wir das im Trainingslager noch nicht.“

Ihr seid angestellt bei unserem medizinischen Partner, der Unimedizin Mainz. Wie seid ihr denn eigentlich dazu gekommen, Mannschaftsärzte bei den Profispielern der 05er zu werden?

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Gemeinsam mit Dr. Tobias Nowak und Dr. Patrick Ingelfinger haben wir 2009 angefangen, die U23 als Nachfolger von Dr. Ihm zu betreuen. Als die Kooperation der Unimedizin mit Mainz 05 auch für den Profibereich geschlossen worden ist, sind wir quasi in diese Funktion gekommen. Wir sind gefragt worden, ob wir den Job übernehmen wollen und das wollten wir natürlich gern. Mittlerweile betreut Dr. Philipp Appelmann mit mir die Profimannschaft orthopädisch-unfallchirurgisch.“

Dr. Alexander Tamm: „Ich habe meine Facharztausbildung in Halle gemacht und bin erst danach an die Unimedizin Mainz gewechselt. In Halle habe ich schon Erfahrungen sammeln können in der Betreuung von Sportmannschaften aus dem Bereich Handball und Basketball. Schon kurz nach dem Einstellungsgespräch bin ich gefragt worden, ob ich mir vorstellen kann, auch eine medizinische Mannschaftsbetreuung bei Mainz 05 zu machen. Ich habe selbst immer Fußball gespielt und bin ein Riesenfan dieser Sportart, deshalb war ich natürlich begeistert. Da musste ich nicht lange nachdenken und habe sofort ja gesagt.“

Also ein Traumjob von Anfang an!

Dr. Stefan Mattyasovszky: „Also bei mir nicht, eher ein Traumjob auf Umwegen. Ich habe in der Jugend selber hochklassig Fußball und in verschiedenen Auswahlmannschaften gespielt. Die Bayernliga war in meiner Heimat damals die höchste Spielklasse für Jugendliche, da gab es noch keine Junioren-Bundesligen. Ausgerechnet Verletzungen haben mir was meine Karriere als Profifußballer angeht einen Strich durch die Rechnung gemacht – da habe ich mich dann irgendwann entschieden, vernünftig zu sein und mich aufs Abi und aufs Studium zu konzentrieren. Das war am Ende die richtige Entscheidung für mich – aber den Weg in den Profisport habe ich über viele glückliche Fügungen dann trotzdem gefunden. Jetzt sitze ich halt nicht als Spieler sondern als Arzt in der Bundesliga auf der Bank (lacht).“