Verein 18.09.2013 - 14:52 Uhr

Plötzlich Präsident

Harald Strutz feiert 25-jähriges Jubiläum an der Spitze des 1. FSV Mainz 05

Auf den Zeitpunkt der diesjährigen Mitgliederversammlung vor 25 Jahren hat sich das Leben von Harald Strutz fundamental verändert. Die Wahl zum Präsidenten des 1. FSV Mainz 05 prägte nicht nur die folgenden zweieinhalb Jahrzehnte des heute 62-Jährigen, es war auch der Startschuss in eine damals nicht zu erahnende Erfolgsgeschichte von Mainz 05, die bis heute andauert. Mit Strutz begehen auch die damals berufenen Vizepräsidenten Jürgen Doetz und Karl-Heinz Elsäßer ihr Jubiläum.

Stell dir vor, du gehst zu einer Veranstaltung, ein harmloser Termin, eine Vereinsversammlung. Und diese ändert alles. Du kommst später wieder nach Hause und dein Leben ist für Jahrzehnte auf den Kopf gestellt. Das ahnte Harald Strutz am 19. September 1988 natürlich noch nicht, als er sich an jenem Montagabend ohne Ambitionen auf den Weg in den Eltzer Hof machte, um als Mitglied und stellvertretender Leiter des Förderkreises an der Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 teilzunehmen. Der war damals im Sommer nach zwölf Jahren Abstinenz gerade in die Zweite Bundesliga zurückgekehrt.

Doch im Verein rumorte es. Wenige Stunden und eine turbulente Mitgliederversammlung später war Harald Strutz plötzlich oberster Repräsentant eines Klubs der zweiten deutschen Profiliga. Weil der eigentlich zur Wiederwahl angetretene Präsident Bodo Hertlein sich während der Versammlung mit den Mitgliedern verwarf und Harald Strutz von diesen spontan in eine Kampfabstimmung geschickt wurde, die er prompt gewann. Der Chefjustiziar des Landessportbundes Rheinland-Pfalz hatte als Sohn des früheren Präsidenten Walter Strutz zwar Stallgeruch und war dem Verein verbunden, aber als international erfolgreicher Dreispringer selbst eher sportartfremd unterwegs gewesen.

„Ich hatte nur wenige Sekunden mich zu entscheiden, ob ich das mache, habe spontan zugesagt“, erinnert sich Strutz. Unterstützung erhielt er von dem in jener Mitgliederversammlung ebenfalls ins Präsidium gewählten Jürgen Doetz, damals Geschäftsführer des potenziellen Sponsors SAT.1. „Aber ich hatte direkt in der Mitgliederversammlung natürlich noch überhaupt kein Konzept, ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, dafür kam alles viel zu spontan und überraschend. Entsprechend skeptisch waren auch viele Mitglieder im Saal.“

Der sportliche Start in seine Karriere als Sportfunktionär ging daneben. 1:6 verloren die Nullfünfer ihr Heimspiel gegen den SV Meppen einen Tag nach der Mitgliederversammlung. Beim Blick in die Vereinsbücher dürfte Strutz seine Wahl dann fast schon bereut haben, denn den Verein drückte eine erhebliche Schuldenlast. Die finanziellen Kennzahlen dieser Zweitligasaison sind heute ein weit entfernter und doch beeindruckender Beleg, auf welch schwachen Füßen der Verein damals stand. Der Etatansatz für die Saison 1988/89 lag bei 1,5 Millionen Mark, 800.000 Mark davon stammten aus dem TV-Topf, knapp 150.000 Mark kamen von Hauptsponsor Abtei. Geplanter Zuschauerschnitt: 3.500. Das taugte nicht für ein Abenteuer im Profifußball ohne Berufsfußballer, nur mit Feierabendprofis. Die Nullfünfer stiegen prompt wieder ab.

Und dennoch war unbemerkt das Fundament gelegt für eine neue Entwicklung von Mainz 05. „Am Anfang stand uns das Wasser bis zum Hals, erst einmal ging es für uns nur ums Überleben. Das war ein steiniger Weg, oft eine Sisyphusarbeit, bei der wir um jede Unterstützung gekämpft haben, die wir bekommen konnten“, sagt Strutz. „Aber mit der Zeit haben wir es geschafft uns zu konsolidieren und den Verein in ruhigere Gewässer zu bringen.“

Und sportlich bekam er den nötigen Rückenwind. Die Nullfünfer schafften 1990 direkt den Wiederaufstieg und bissen sich fortan Jahr um Jahr in der Zweiten Bundesliga fest. Die 1990er Jahre sind auch die Geburtsstunde eines modernen, aggressiven Mainzer Fußball-Stils, der im Wirken von Trainer Wolfgang Frank seinen Ursprung hatte und später unter Jürgen Klopp mit dem ersten Bundesliga-Aufstieg 2004 einen phänomenalen Aufschwung erlebte.

Dass sportliche und wirtschaftliche Entwicklung in Mainz immer Hand in Hand gingen, ist kein Zufall. Den Verein zu führen, die internen Strukturen auszubauen, Visionen zu verfolgen, aber dennoch die Entwicklung behutsam und Schritt für Schritt voranzutreiben, dies ist das Erfolgsrezept des Vereins.

Christian Heidel zu Harald Strutz:

„Das Geheimnis des Erfolgs von Mainz 05 ist die Kontinuität im Verein. Harald Strutz ist der Startpunkt und die Konstante dieser Entwicklung. Er ist ein totaler Teamplayer, der seinen Mitstreitern immer den nötigen Freiraum gibt. Wir ergänzen uns sehr gut in unserer Arbeit, die von großem Vertrauen und gegenseitiger Akzeptanz geprägt ist.“

Christian Heidel 1992 als Manager in den Vorstand integriert zu haben, bezeichnet Strutz heute als die wichtigste Entscheidung in 25 Jahren Amtszeit. „Er hat mit seinem kaufmännischen Geschick und herausragender Transferpolitik die sportliche und wirtschaftliche Entwicklung von Mainz 05 entscheidend geprägt“, sagt Strutz und holt seine Vorstandskollegen gleich mit ins Boot. „Wie auf dem Platz auch ist Vorstandsarbeit bei Mainz 05 Teamwork. Wir haben schwere Zeiten gemeinsam durchstanden, haben in der Frühzeit einen Lizenzentzug und eine Insolvenz abgewendet. Und trotzdem haben immer nach vorne geschaut und uns nie den Optimismus nehmen lassen. Diese gesamte Entwicklung konnte nur auf Basis großen gegenseitigen Vertrauens entstehen.“

Die mit Strutz an jenem Montagabend im September 1988 in den Vorstand gewählten Jürgen Doetz und Karl-Heinz Elsäßer sind aktuell noch Vizepräsidenten des Vereins. Peter Arens ist bereits seit 31 Jahren Präsidiumsmitglied und damit sogar noch vor seinen Kollegen dienstältester Nullfünfer im Vorstand.

Jürgen Doetz zu Harald Strutz:

„Mut, Vertrauen, Leidenschaft und unbändiges Engagement, Gradlinigkeit, Fairness und Emotionalität – das ist Harald Strutz. Er war bei Amtsantritt kein fertiger Präsident, er verkörperte den Willen zum Neuanfang und rechtfertigte dieses Vertrauen durch seinen Charakter und sein Handeln über alle Jahre hinweg.“

Heute ist Harald Strutz sogar dienstältester Vereinspräsident der Bundesliga. Unter ihm und seinen Präsidiumskollegen hat Mainz 05 zwei Stadien gebaut, ist zweimal in die Bundesliga aufgestiegen, hat sich zweimal für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert, sich nun auch dank Thomas Tuchel, dem nächsten vielbeachteten Mainzer Trainer, im fünften Jahr in der Bundesliga eingenistet, dort zu einem beachteten Farbtupf er gemausert und nebenbei zu einem wirtschaftlich topseriös geführten Unternehmen. Für die aktuelle Saison plant der Verein mit einem Gesamtetat von 72 Mio. Euro. Das ist beinahe das 100-fache des Etats, den der Verein vor 25 Jahren anführte. Das ist fürwahr eine andere Welt als an jenem Tag, an dem Harald Strutz plötzlich Präsident wurde.