Profis 19.04.2020 - 19:30 Uhr
Ein Kolumbianer wird zum Mainzer
Erinnerungen an Elkin Soto: Nach schwierigem Start entwickelte sich der Kampftechniker zu einem der beliebtesten 05-Spieler überhaupt
Mainz bleibt zu Hause. Die Corona-Krise bietet uns die Zeit, mal wieder an wichtige und emotionale Ereignisse aus der Klub-Vergangenheit zu erinnern. Zum Beispiel an die Karriere von Elkin Soto, der fast zehn Jahre lang beim 1. FSV Mainz eine wichtige Rolle spielte, der aufgrund seiner fußballerischen und menschlichen Eigenschaften zum absoluten Publikumsliebling, zu einem Idol für die Fans wurde und der 2019 in seiner Heimat im Alter von 39 Jahren seine große Karriere beendete.
Im Mai 2016 gab es am Bruchweg ein Pressegespräch. Eigentlich sollte es um Sotos Comeback gehen nach seiner schlimmen Verletzung. Doch schnell wurde deutlich: Der Mainzer Volksheld wollte nach Hause. Soto sprach über seine Eltern und seine Schwiegereltern, deren Enkelkinder über die halbe Welt verstreut seien. Die Familie spiele eine Hauptrolle in Kolumbien, erklärte er, und er vermisse sie.
Horrorverletzung statt Umzug
Doch die knapp zehn Jahre in Mainz haben auch ihre Spuren hinterlassen. "Ich werde das Stadion vermissen, die Atmosphäre bei den Heimspielen mit Fans und Einlaufkindern. Auch das deutsche Essen. Auch die Kälte. Im Winter und bei Regen zu spielen, das hat mir immer Spaß gemacht."
Ein Jahr zuvor war für die Rückkehr zum Heimatklub Once Caldas schon alles vereinbart, der Umzug vorbereitet. Doch es war bekanntlich anders gekommen. Soto hatte sich am viertletzten Spieltag im Heimspiel gegen den Hamburger SV, nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Rafael van der Vaart einen Totalschaden am linken Knie zugezogen. Die niederschmetternde Diagnose: Das Gelenk des linken Knies vollständig ausgerenkt, sowohl das vordere Kreuzband als auch das Innenband sowie der Meniskus aus der Kapsel gerissen. Ganz Deutschland war betroffen. In den sozialen Netzwerken schickten etliche Bundesligisten und Kollegen Genesungswünsche, sprachen Soto Mut zu. So, wie der frühere Nationalmannschaftskollege Randamel Falcao. "Elkin, du bist nicht allein, ganz Kolumbien ist bei dir und wünscht dir, dass du diesen schlimmen Vorfall überwindest. Wir mögen dich sehr!!!", twitterte der damalige Top-Star von Manchester United. Auch die 05-Kollegen, die Fans in Mainz schickten Trost und Genesungswünsche, der Verein verlängerte spontan den Vertrag.
Elkin Soto Jaramillo, wie der Profi mit vollem Namen heißt, absolvierte 256 Spiele bei Once Caldas, gewann 2004 die Copa Libertadores, war Nationalspieler Kolumbiens, wurde 2006 nach Ecuador zum Barcelona Sporting Club ausgeliehen. Kurz vor Weihnachten 2006 holte der damalige Manager Christian Heidel den Techniker ablösefrei nach Mainz. Damit begann aber ein Rechtsstreit, der sich über fast zwei Spielzeiten hinzog. Once Caldas verweigerte die Freigabe, berief sich auf eine schriftliche Absichtserklärung Sotos, nach dem Ende der Ausleihe von Barcelona nach Caldas zurückzukehren und wertete die als vertragliche Verpflichtung.
Zunächst entschied die FIFA im Februar 2007 für die 05ER. Soto durfte am dritten Rückrunden-Spieltag im Mainzer Trikot debütieren, hatte beim 4:1-Sieg gegen Energie Cottbus einen überragenden Auftritt und spielte sich sofort in die Herzen der Mainzer. Er habe einen neuen Aspekt in das Spiel seiner Mannschaft reinbringen wollen, sagte er anschließend der Mainzer Rhein-Zeitung. "Das erledigte er sogar sehr diszipliniert und mit einem beeindruckenden defensivtaktischen Geschick. Besonders wertvoll wird Soto aber mit seiner Ruhe am Ball, mit seiner brillanten Technik auch in den ganz engen Situationen, mit seinen öffnenden Pässen in die Tiefe", schrieb das Blatt. Dazu entwickelte der Südamerikaner eine große kämpferische Leidenschaft. Mit seiner Bescheidenheit, Kollegialität und seiner gelebten Identifikation mit Stadt und Verein wurde Soto so zu einem der beliebtesten Spieler aller Zeiten.
Unvergessener Freistoß gegen FCK
Doch in seinem dritten Spiel für die 05ER zog sich der Mittelfeldmann einen Innenbandabriss im Knie zu, fehlte im Bundesliga-Abstiegskampf. Gerade wieder fit, erwischte es Soto im Training im August, kurz vor dem Zweitligastart. Kreuzbandriss im Knie. Comeback am 23. Spieltag. Und im Sommer sperrte der Sportgerichtshof CAS Soto bis Mitte September. Erst danach war Soto unumstrittener Stammspieler, spielte über 200 Mal für den FSV.
Soto selbst zählte drei Spiele auf, die ihm in diesen Jahren besonders wichtig waren. Das 4:3 nach 0:3 in Wolfsburg, im August 2010. "Es war ein besonderes Spiel", sagte er, "ich habe auch ein Tor geschossen". Das 2:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, "auch wieder in der Comeback-Phase nach einer langen Verletzung, und ich habe kurz vor Schluss dieses Freistoßtor geschossen", das Siegtor in der 89. Minute, das den Bruchweg zum Beben brachte. Einen Tag nach dem bitteren CAS-Urteil. "Er war der gefeierte Mann, weil er da war, als er gebraucht wurde. Weil er sich die Kugel schnappte, als jedem im Stadion klar war: Das wird die letzte Schusschance in dieser leidenschaftlich umkämpften Partie. In diesem Moment schoss Soto sein erstes Tor im 05-Trikot", schrieb die Rhein-Zeitung damals. Und schließlich das "4:1 gegen Cottbus. Ich habe zwei Vorlagen gegeben."
Der letzte Akt
Vergessen wird wohl niemand jenen 15. Mai 2016. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Verletzung gab Soto sein Comeback und seinen endgültigen Abschied. In den letzten Sekunden dieses Saisonfinales um den Einzug in die Gruppenphase der Europa League gegen Hertha BSC (0:0) übergab Julian Baumgartlinger noch einmal die Kapitänsbinde an den Kolumbianer. "Das war ein Zeichen an Elkin für seine Top-Jahre hier, in denen er vom Kolumbianer zum Mainzer geworden ist", sagte Heidel nachher. Und am Tag des größten Erfolges sagte der Verein Servus zu einem Spieler, "den wir immer in unseren Herzen behalten werden", wie der damalige Vorsitzende Harald Strutz anschließend bei der Verabschiedung erklärte: "Dankeschön Elkin".