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Verein 28.05.2021 - 16:00 Uhr

"Die Stimmung hat sich komplett gedreht"

Interview mit dem Vereinsvorsitzenden Stefan Hofmann

Seit Januar 2018 ist Hofmann Vereinsvorsitzender des FSV.

Dies war das wohl extremste Jahr der Mainzer Bundesliga-Geschichte. Nach der einmaligen Aufholjagd steht für die 05ER die Qualifikation für eine weitere Saison in der höchsten deutschen Spielklasse, der dreizehnten in Serie. Damit gehören die 05ER zu nur noch sieben (!) Teams, die seit 2009 ununterbrochen dem Oberhaus angehören. Auch beim Vereinsvorsitzenden Stefan Hofmann verdrängt die innere Zufriedenheit über das Erreichte inzwischen die lange währende Anspannung.

Nach vielen Wochen Abstiegskampf: Wie hast du den letzten Spieltag erlebt?

Hofmann: "Wie fast jedes Spiel in dieser Saison: in einem leeren Stadion auf der Haupttribüne, gemeinsam  mit den Kollegen aus der Vereinsführung. Allerdings tatsächlich ohne größere Anspannung, wir konnten das wirklich gute  Spiel unserer Jungs fast entspannt genießen. Dass das so kommt, davon konnten wir im Winter definitiv nicht ausgehen. Ich habe auf einen Kampf bis zum letzten Spieltag gehofft, dass wir allerdings bereits vor dem vorletzten Spiel gerettet sind, das ist eine Sensation. Und entspannt auf der Tribüne zu sitzen, war uns natürlich tausend Mal lieber."

Rettung am vorletzten Spieltag - liest sich fast wie eine ganz normale Mainzer Bundesliga-Saison …

Hofmann: "Die Saison war alles andere als normal … Zudem ist es schon eine beachtliche Leistung an sich, dass wir seit 2009 ununterbrochen der Bundesliga angehören. In dieser Saison waren allerdings die Schwankungen sehr extrem, wir haben den Abstiegskampf mit zwei ganz unterschiedlichen Saisonhälften maximal ausgereizt. An Weihnachten, nach dem Pokalaus gegen den VfL Bochum und den zuvor gezeigten Leistungen, waren wir abgeschrieben. Dass wir uns am Ende sogar souverän gerettet haben, mit einer Rekord-Rückrunde, dass wir nach dem großen Rückstand noch fünf Teams überholt und dabei mindestens 14 Punkte gegenüber den Konkurrenten aufgeholt haben – das ist unglaublich und verursacht bei mir ein Dauerlächeln. Ich kann vor der Leistung der Mannschaft, des Trainerteams und der sportlichen Führung nur den Hut ziehen. Christian Heidel im Winter ins Boot zu holen, war der Schlüssel für den Umschwung. Die Kurskorrektur, die er dann mit Bo Svensson und Martin Schmidt vorgenommen hat, hat komplett gegriffen und direkt auf die Leistungen der Mannschaft durchgeschlagen. Dass dann auch noch die Ergebnisse gekommen sind, hat alles bestärkt. Die Stimmung hat sich so in kurzer Zeit komplett gedreht."

Gibt es eine zentrale Erkenntnis aus diesem krassen Umschwung?

Hofmann: "Die Leistung im Jahr 2020 können wir nicht verleugnen, sie muss uns eine Warnung sein. Für mich war die vergangene Saison mit allen Facetten vor allem lehrreich. Zusammenfassend würde ich sagen: Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir auf unserem Weg klar und konsequent sind, auch in Details. Im Zentrum von allem steht dabei immer das Team. Wir haben in Mainz nur eine Chance im Konzert der Besten mitzuspielen, wenn das Team gemeinsam agiert. Damit können wir auch gegen individuell stärkere Teams mithalten und punkten. Die Potenziale der einzelnen Spieler sind nicht entscheidend, sondern wie die Puzzleteile zusammenpassen und ein Großes und Ganzes ergeben. Zudem steht Mainz 05 für einen bestimmten Fußball mit hoher Intensität, großer Disziplin, einem klaren Plan gegen den Ball und für große Leidenschaft. Das muss immer die Basis sein. Im Winter haben wir einen starken Impuls benötigt, um auf den eigenen Weg zurückzufinden. Diesen sollten wir nicht mehr verlassen, das ist unser Maßstab für die Zukunft."

Was heißt das für die kommende Saison?

Hofmann: "Das sagt natürlich nichts darüber aus, wie viele Punkte wir holen werden, aber es ist dann trotzdem der Schlüssel zu unseren sportlichen Zielen. Die sportliche Leitung arbeitet mit Hochdruck an unserem Kader, der diesen intensiven, leidenschaftlichen und mutigen Stil weiter spielen wird, der uns alle in den vergangenen Wochen so beeindruckt hat. Das wird unsere Fans wieder begeistern, da bin ich mir sicher. Und da sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt: den Fans. Ich habe oft daran gedacht, wie es gewesen wäre, den erzwungenen Sieg gegen RB Leipzig, das späte Siegtor gegen den SC Freiburg, den Erfolg gegen den FC Bayern oder den feststehenden Klassenerhalt beim Heimspiel gegen den BVB mit unseren Fans zu feiern. Wir alle haben uns so sehr nach diesen gemeinsamen emotionalen Erlebnissen gesehnt, jetzt haben wir diese Sensation geschafft und kein Fan war im Stadion, das ist schon bitter. Die Rückkehr der Fans steht ganz groß auf meiner Wunschliste für die kommende Saison."

Im Rahmen der Mitgliederversammlung am 29. Juni stehen unter anderem die Wahlen zum Vereinsvorsitz und Aufsichtsrat auf der Tagesordnung. Die Bewerbungsfrist endet am 01. Juni.

Wie sehen da die Perspektiven aus?

Hofmann: "Wir gehen fest davon aus, dass wir mit Beginn der neuen Saison wieder Zuschauer im Stadion begrüßen können. In welchem Umfang und nach welchen Regeln, das können wir heute noch nicht sagen, weil niemand weiß, welche Entwicklung die Corona-Pandemie noch nimmt. Aber wir werden darauf vorbereitet sein. Ich wünsche mir, dass wir uns bei der Verkündung des neuen Spielplans durch die DFL alle das Datum des ersten Heimspiels fett im Kalender markieren, egal wie der Gegner auch heißt. Unsere Heimspiele sollen wieder mehr bedeuten, als nur 90 Minuten Fußball. Wir werden auch den Sommer nutzen, das wieder entstandene Wir-Gefühl in Mannschaft und Verein zu stärken und zu transportieren."

Einen möglichen persönlichen Kontakt zu den Fans könnte es bei der Mitgliederversammlung am 29. Juni geben …

Hofmann: "Auch da werden wir uns nach den dann geltenden Bestimmungen richten müssen. Wir wünschen uns sehr, dass wir die Mitgliederversammlung als eine Präsenzveranstaltung durchführen können. Falls es dann doch eine virtuelle Veranstaltung werden muss, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das wie schon beim vergangenen Mal wieder gut und der Bedeutung der Versammlung angemessen abwickeln werden. Der Weg ist bereitet. Das Amtsgericht hat unsere Satzungsänderungen aus der Mitgliederversammlung Ende März ins Vereinsregister eingetragen, jetzt kommen die Wahlen zum Vereinsvorsitz und zum Aufsichtsrat. Es ist für den Verein wichtig, dass wir in den Führungspositionen Klarheit für die nächste Amtsperiode schaffen. Diese Weichenstellung können wir als Bundesligist vollziehen, das ist überragend."