Profis 13.07.2018 - 17:30 Uhr
Steter Begleiter & wichtige Schnittstelle
Juniorencheftrainer Thomas Krücken ist mit den 05-Profis ins Trainingslager gereist, auch um seine eigenen Schützlinge zu beobachten
Beobachtern des Trainingslagers des 1. FSV Mainz 05 dürfte in den ersten Tagen in Venlo ein im Umfeld der Bundesliga-Profis bislang noch gänzlich unbekanntes Gesicht auf dem Trainingsplatz aufgefallen sein. Thomas Krücken, Juniorencheftrainer im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FSV, begleitet das Trainerteam in dieser Woche auf und neben dem Platz. Der Grund liegt auf der Hand, nehmen doch in dieser Sommervorbereitung insgesamt neun Spieler am Training des Bundesliga-Teams teil, die im NLZ ausgebildet wurden – oder gar noch mitten in der Ausbildung stecken. Krücken fungiert dabei als wichtige kommunikative Schnittstelle im Übergangsbereich zwischen Junioren und Senioren, und verspricht sich durch die Teilnahme am Trainingslager Rückschlüsse für die Ausbildungsarbeit der kommenden Jahre.
"Es ist ganz wichtig, dass Thomas mit dabei ist", bestätigt Sandro Schwarz. "Und gleichzeitig auch ein Signal für alle jungen Spieler. Er ist hier ganz nah dran, auch inhaltlich in jeder Sitzung des Trainerteams und der Mannschaft. Er gibt gerade den Jungen Spielern wie Ahmet Gürleyen, Leandro Barreiro, Ridle Baku oder Jonathan Burkhardt auf dem Platz immer wieder Feedback und soll unsere Spielprinzipien nach unten hin weiter transportieren", so der Profi-Cheftrainer. Die angesprochenen Prinzipien des 05-Spiels, sie sollen sich wie ein roter Faden durch die Ausbildung der jungen Talente am Bruchweg ziehen. Grundsätzlich geht es in der Mainzer Nachwuchsschmiede dabei, im Rahmen eines allumfassenden detaillierten Konzepts, um drei Komponenten. Zunächst um die Tradition und Basis: Dieser Punkt umfasst in erster Linie die Arbeit gegen den Ball. Da geht es schon in den jüngeren Jahrgängen um das Vorwärtsverteidigen, um Pressingsignale oder auch um das bewusste Arbeiten mit Deckungsschatten. Zudem geht es um Gradlinigkeit und Variabilität, beispielsweise im Ballbesitzspiel gegen tief stehende Gegner. Hier spielen Technik oder auch Passgeschwindigkeit bei der Lösungssuche auf engem Raum eine große Rolle, wie Krücken erklärt. Die dritte Komponente ist die Entscheidungsfindung nach Ballgewinn- oder Ballverlust, das für Mainz 05 so typische Umschaltspiel.
"Es ist einfach wichtig, dass die Jungs nach der Ausbildung gut vorbereitet sind auf das, was ihnen bei den Profis abverlangt wird", sagt Krücken, der den "bestehenden, nachgewiesenermaßen bereits hervorragenden Ausbildungsplan" zuletzt weiterentwickelt hat. "Wir sind das Thema gemeinsam angegangen, und haben von innen heraus mit allen an der Ausbildung beteiligten Mitarbeitern des NLZ daran gearbeitet, Optimierungspotenzial zu identifizieren", erklärt Krücken. "Der Plan soll letztendlich progressiv darauf hinarbeiten, dass die von Sandro erwähnten Spielprinzipien schon frühzeitig im Rahmen der Ausbildung gelernt und verinnerlicht werden."
Erkenntnisse gewinnen für die Ausbildung
Unter besonderer Beobachtung bei Krücken stehen in Venlo nun naturgemäß Gürleyen, Barreiro und Burkhardt, die erstmals über mehrere Wochen am Teamtraining der Profis teilnehmen dürfen. "Sie haben es sich durch gute Leistungen und ihre Entwicklung verdient, hier dabei zu sein. Sie machen es sehr gut, treten selbstbewusst auf, bringen die gelernten und über Jahre angeeigneten Spielprinzipien auf den Platz." Natürlich, unterstreicht Krücken, sei das eine Herausforderung für die jungen Spieler. Nicht zuletzt, da das Tempo wesentlich höher als im Nachwuchsbereich sei und daher die Anforderungen technisch-taktischer Natur noch einmal deutlich steigen. Das Spiel wie auch das Training im Seniorenbereich sei körperbetonter, noch mehr Handlungsschnelligkeit gefordert. Gerade deshalb aber verspricht er sich neben der sich bietenden Chance für die Spieler wertvolle Erkenntnisse, die er im Anschluss in seine Arbeit am Bruchweg mit den Junioren-Trainern einfließen lassen kann. "Ich werde meine gesammelten Eindrücke aus dem Training unseren Junioren-Trainern präsentieren und Rückschlüsse in unsere Arbeit zuhause einfließen lassen. Es gibt immer etwas zu optimieren, was unser Anspruch sein muss."
Und noch etwas, so Krücken, sei ganz wichtig: "Wir zeigen hier auch anderen jungen Spielern, dass eine hohe Durchlässigkeit gegeben ist bei Mainz 05." Das sei ein Faustpfand für den Verein und ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb um neue, talentierte Spieler auf einem hart umkämpften Markt im Juniorenfußball. "Die bei uns gelebte enge Verzahnung ist keinesfalls selbstverständlich", lobt der 40-Jährige Fußballlehrer, der seine eigene Karriere als Spieler zwangsweise schon in jungen Jahren zugunsten einer Trainerlaufbahn hatte beenden müssen.
Über Köln, Manchester & Berlin nach Mainz
Drei schwere Knieverletzungen hatten eine Fortsetzung seiner Spielerkarriere schon vor der Aufnahme seines Sportstudiums unmöglich gemacht, so dass er schon parallel zum Studiums beim 1. FC Köln erste Erfahrungen auf dem Trainingsplatz sammeln durfte und viel erlebt hat seither. Über Stationen bei Manchester City, wo er im Jahr 2001 acht Monate lang die U11 des Klubs mit dem heutigen englischen Nationalspieler Kieran Trippier im Kader trainierte, Köln, Hertha BSC, Arminia Bielefeld und 1899 Hoffenheim landete der zweifache Familienvater schließlich vor fast genau vier Jahren am Bruchweg, wo er die U19 in der Junioren-Bundesliga-Süd/Südwest, und in der vergangenen Saison interimsweise die U23, trainierte. "Volker Kersting hat mich damals von Mainz 05 und seiner Philosophie überzeugt. Die Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut, weil mich die Arbeit hier vollkommen erfüllt."
Dass er seit dem vergangen Sommer nicht mehr für ein eigenes Team verantwortlich ist, stört Krücken dabei nicht. Vielmehr schätzt er den ganzheitlichen Blick, den er nun in neuer Position auf das Geschehen am Bruchweg werfen kann. "Meine Arbeit ist jetzt natürlich sehr strategisch ausgelegt. Kurz gesagt initiiere, entwickle und begleite ich hier Prozesse von Top-Talenten, Trainern und Training auf Basis einer funktionierenden Mannschaft und den bestehenden Strukturen. Für uns geht es darum, Entwicklungen stetig voranzutreiben, auch mal über den Tellerrand zu schauen. Man darf auch querdenken, das hat Tradition bei Mainz 05", betont Krücken. "Ideen kosten kein Geld. Deswegen denken wir interdisziplinär, beschäftigen uns auf nationaler und internationaler Ebene mit anderen Sportarten und tauschen uns aus. Ich habe mich beispielsweise mit Holger Geschwindner, Mentor und Trainer von Dirk Nowitzki, zusammengesetzt.
Individualisierung der Spieler vorantreiben
Wir können von anderen Sportarten - beispielsweise Basketball, Hockey oder olympischen Disziplinen - und anderen Trainingsmethoden nur profitieren, müssen offen sein für Neues und unsere Arbeitsweise immer wieder überdenken und optimieren. Gegebenenfalls integrieren wir gewonnene Erkenntnisse aus anderen Bereichen in den Ausbildungsplan", sagt Krücken, dem bewusst ist, dass die hohe Durchlässigkeit, die sich derzeit auf dem Trainingsplatz der Profis widerspiegelt, auch in Zukunft nur dank akribischer Arbeit auf wie auch abseits des Rasens ermöglicht werden kann.
Ermöglicht werden soll dies nicht zuletzt durch den eingangs erwähnten, und Cheftrainer Schwarz während des Trainingslagers vorgestellten, weiterentwickelten Ausbildungsplans. "Wir streben zukünftig eine noch engere Verzahnung der Fußballausbildung mit der altersspezifischen, athletischen sowie sportpsychologischen Komponente an." Hinzu kommt das Thema Individualisierung, beispielsweise im Sinne von positionsspezifischem Training. "Wir wollen hier sehr detailliert auf die Bedürfnisse einzelner Talente eingehen. Das betrifft aber nicht nur den fußballspezifischen Bereich, sondern auch die schulische Ausbildung", erläutert der Juniorencheftrainer. All dies natürlich im Sinne der ganzheitlichen Förderung der 05-Talente, und in der Hoffnung, Geschichten wie die von Ridle Baku immer wieder neu zu schreiben zu dürfen. Krücken steht dafür im Nachwuchsbereich gemeinsam mit NLZ-Leiter Volker Kersting sowie allen an der Ausbildung am Bruchweg Beteiligten, federführend für die Weiterentwicklung und als steter Begleiter im Rahmen der Vorbereitung junger Spieler auf die Karriere im Senioren-Bereich – und im Trainingslager in Holland stellvertretend für die Philosophie des FSV, den eigenen Nachwuchs zu fördern und zu fordern.