Profis 27.02.2022 - 16:30 Uhr
Strittige Szenen & Selbstkritik
Nach der Auswärtsniederlage beim 1. FC Union Berlin hadern die 05ER mit einigen Entscheidungen der Unparteiischen, aber vor allem mit der eigenen Leistung - Svensson: "In der zweiten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt"
Es bleibt dabei, das Stadion an der Alten Försterei im Berliner Stadtteil Köpenick ist für den 1. FSV Mainz kein guter Ort. Mittlerweile ist es 20 Jahre her, dass ein 05-Team dort beim FC Union Berlin das erste und einzige Mal gewonnen hat. Das war noch zu Zweitligazeiten. In der Bundesliga gab es einmal in der Saison19/20 unter dem damaligen Trainer Achim Beierlorzer ein 1:1. Durch einen Treffer von Ridle Baku, der jetzt beim VfL Wolfsburg aktiv ist. In der Vorrunde der vergangenen Spielzeit gingen die 05ER dort mit 0:4 unter. Das 1:3, das Bo Svensson am Fastnachtsamstag vom besten Klub in der Hauptstadt mit nach Hause nahm, war erneut nichts, mit dem man am Bruchweg zufrieden sein könnte. "Insgesamt war das von uns zu wenig, um hier etwas mitnehmen zu können. Das muss man klar sagen", erklärte Martin Schmidt nach der nunmehr neunten Auswärtsniederlage dieser Saison.
Mit neun Niederlagen in zwölf Begegnungen in fremden Stadien finden sich die Mainzer in der Auswärtstabelle der Bundesliga punktgleich mit den abstiegsgefährdeten Klubs aus Stuttgart und Augsburg ganz weit unten wieder und damit weiterhin unterhalb ihrer eigenen Ansprüche. Auch die Vorstellung in Berlin war wieder weit entfernt von dem, was Svenssons Mannschaft auf dem eigenen Rasen zu leisten imstande ist. Auch wenn die Umstände für die Gäste von Beginn an unglücklich waren, die Mannschaft zudem die letzte halbe Stunde der Partie in Unterzahl dem Rückstand hinterherlaufen musste, nachdem Dominik Kohr von Schiedsrichter Bastian Dankert die Gelb-Rote Karte gesehen hatte. Der Mittelfeld-Motor wird dem Team im Heimspiel am Sonntag gegen Borussia Dortmund nun ebenso fehlen wie Alexander Hack, der die fünfte Gelbe Karte kassierte und im Top-Spiel deshalb gesperrt ist.
Ein Tor mit Diskussionspotenzial
Mit beiden Entscheidungen waren die Mainzer nicht einverstanden. Genauso wie mit der 1:0-Führung der Berliner durch Genki Haraguchi, die Dankert erst mit Unterstützung aus dem Kölner Video-Keller und nach Betrachten der Bilder anerkannte. Eine Aktion, die dem 05-Trainer die fünfte Gelbe Karte einbrachte, was für den Dänen allerdings folgenlos blieb. Warum er sich so aufgeregt hatte, begründete der 42-Jährige später in der Pressekonferenz so: "Wir haben ein bisschen Erfahrung mit dem Video-Schiedsrichter in den letzten Wochen. Es ist schwer, da eine Linie zu erkennen. Mir hat da auch etwas das Fingerspitzengefühl gefehlt." Die Frage, ob er denn den Berliner Führungstreffer als irregulär bezeichnen würde, wollte Svensson jedoch nicht beantworten. "Da fragen Sie den Falschen. Die Schiris entscheiden diese Szenen. Nicht ich."
Martin Schmidt positionierte sich da deutlicher, bezeichnete das Tor des Japaners nach sieben Minuten als nicht regulär, weil bei Haraguchis Schuss ein Berliner Spieler (Prömel) im Abseits vor Robin Zentner gelegen und dem 05-Tohüter die Sicht versperrt habe. Es sei egal, ob der Spieler liege oder stehe und dem Keeper so die Sicht nehme. "Wir waren alle davon überzeugt, dass er den Treffer zurücknimmt", erklärte Schmidt, der sich in der Pause die fragliche Szene noch einmal zeigen ließ. "Wenn Moussa Niakhaté vor einer Woche gegen Bayer Leverkusen bei dem zurückgenommenen Tor von Karim Onisiwo im passiven Abseits eingegriffen haben soll", so der 05-Sportdirektor, "dann hat aber der Union-Spieler hier mehr zum Treffer beigetragen." Zu diesem Ergebnis kam auch der 05-Torhüter. "Im Moment des Schusses sehe ich den Ball und auch wieder nicht, weil der Gegenspieler vor mir ist", sagte Robin Zentner, der auch allen Experten- und TV-Reporter-Meinungen widersprach. "Für mich ist es egal, wann er mir die Sicht wegnimmt. Wenn er beim Schuss im Abseits ist, dann ist es für mich Abseits."
"Eine sehr ärgerliche Niederlage"
Doch alle Beteiligten auf Mainzer Seite mussten zugeben, dass es so weit gar nicht hätte kommen, dass Haraguchi überhaupt nicht hätte schießen dürfen. "Nach dem Einwurf verteidigen wir die Flanke nicht gut und lassen Schüsse aus dem Rückraum zu", kritisierte der Sportdirektor. Das Team sei nicht gut reingekommen ins Spiel, habe sich wohl etwas überraschen und auch beeindrucken lassen von der Stimmung und der Emotionalität der Berliner, die insgesamt in dieser Partie mehr den Sieg gewollt hätten. Nach 15 Minuten sei es besser geworden. Der Trainer bescheinigte seinen Leuten von da an auch ein ordentliches Spiel mit Offensivansätzen und Standardsituationen, in denen man nahe dran gewesen sei. Aber die Mainzer spielte ihre Angriffe nicht sauber aus, sie gestatteten zwar dem Gegner bis zu Pause auch keine weitere gefährliche Aktion mehr, "aber es ist nicht optimal, eine Mannschaft, die nach drei Niederlagen verunsichert war, in Führung gehen zu lassen. Und in der zweiten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt", sagte der 05-Trainer. "Sie haben besser gespielt, und nach dem Platzverweis war das Kind in den Brunnen gefallen", so Schmidt. Dominik Kohr sah zunächst gelb nach einer Ecke. Der Mittelfeldmann habe sich Luft verschaffen wollen, sagte Schmidt, habe den Arm oben gehabt, "und der Schiri taxiert das als Ellenbogenschlag". Wenig später reichte dann ein Foul von Kohr zum Platzverweis.
Dass neben dem Mittelfeldspieler auch Alexander Hack gegen Dortmund fehlen wird, kreideten die Mainzer ebenfalls dem Unparteiischen an. Die Karte nach einem nicht eindeutigen Foulspiel nannte der Sportdirektor eine "Heim-Schiri-Entscheidung". Zwei weitere Angriffe reichten den Berlinern, um aus der 1:0-Führung die Entscheidung herbeizuführen. Becker, den die 05-Defensive nie in den Griff bekam, zog von links nach innen, Burkardt störte den Stürmer nur unwesentlich, und der zirkelte den Ball brillant mit rechts oben rechts in den Winkel. Das 0:3 leitete Kevin Stöger mit einem Fehlpass im Mittelfeld auf Taiwo Awoniyi ein. Delano Burgzorg, dem in der Winterpause verpflichteten Stürmer, gelang am Ende bei seinem dritten Kurzeinsatz das erste Bundesligator. Burgzorgs Treffer zum 1:3 war der einzige von vier Mainzer Schüssen aufs Union-Gehäuse. Auch das erklärte zum Teil die Niederlage, mit der die Serie von drei ungeschlagenen Spielen endete.
"Das ist eine sehr ärgerliche Niederlage", sagte Robin Zentner später. "Weil wir kein gutes Auswärtsspiel gemacht haben. Wir haben dem Gegner zu viel Platz gelassen und waren nicht hart genug in den Zweikämpfen drin." Jetzt gehe es darum, sich wieder aufzurichten. "Es war ein sehr schwieriges Spiel für uns" sagte Martin Schmidt. "Wir müssen jetzt wieder unsere Heimstärke auspacken. Am Sonntag gegen Dortmund können wir viel wieder gut machen."