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Profis 31.03.2022 - 09:30 Uhr

"Er sagte, ich sei so gut wie Wolfgang Kleff"

Der Zornheimer Wolfgang Kneib stand Anfang der Siebziger schon in ganz jungen Jahren für Mainz 05 zwischen den Pfosten und legte später bei Borussia Mönchengladbach und Arminia Bielefeld eine beachtliche, titelreiche Karriere hin

Wolfgang Kneib (re.) im Einsatz für die 05ER: Auswärtsspiel bei den Stuttgarter Kickers im November 1974 (Foto: IMAGO/ Baumann).

Spieler, deren Profi-Karriere beim 1. FSV Mainz 05 begann und die später um die ganz großen Titel mitspielten, sind rar gesät. André Schürrle ist einer, der nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft mit der U19 der 05ER als Profi in der Bundesliga durchstartete, mit dem FC Chelsea Englischer Meister wurde, mit dem VfL Wolfsburg DFB-Pokalsieger und natürlich Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. Jan Kirchhoff kann man nennen, der aus derselben A-Jugend kam wie Schürrle und mit dem FC Bayern den Titel in der Bundesliga gewann. Jürgen Klopp natürlich, der am Bruchweg als Zweitliga-Profi anfing und inzwischen als Trainer die nationalen Titel in Deutschland und England sowie die Champions League gewonnen hat. Wir wollen heute an Wolfgang Kneib erinnern, den gebürtigen Zornheimer, der bereits als 17-Jähriger in der ersten Mannschaft des FSV im Tor stand, mit den Mainzern Südwest-Meister und -Pokalsieger wurde, Zweite Liga spielte, später mit Mönchengladbach Deutscher Meister wurde, den UEFA-Pokal gewann und im Europapokalfinale der Landesmeister in Rom dem FC Liverpool unterlag. Kneib, der im November 70 Jahre alt wird, hat insgesamt in 183 Spielen das Mainzer Tor gehütet, der fast zwei Meter lange Keeper spielte 155-mal für die Gladbacher und wurde anschließend zum Rekord-Spieler für Arminia Bielefeld, für die er 406 Begegnungen bestritt.

Kneib lebt mit seiner Ehefrau immer noch in Ostwestfalen, wo der gelernte Versicherungskaufmann bis zu seinem Ruhestand angestellt arbeitete. "Die sportlichen Höhepunkte meiner Karriere waren alle in Mönchengladbach, aber ich war auch 13 Jahre lang bei der Arminia. Das heißt natürlich, dass ich alle Höhen und alles Schwere hier mitgemacht habe", sagt Kneib im Gespräch, dessen Schwerpunkt vor dem Bundesligaduell am Sonntag (17:30 Uhr, live auf DAZN und 05ER.fm) zwischen den Gladbachern und Mainz 05 natürlich eher auf den Erinnerungen des Torhüters an diese beiden Klubs liegt.

Kneib kam als Jugendspieler vom TSV Zornheim zum Bruchweg. "Ich bin im jüngeren A-Jugend-Jahrgang in Mainz in den Kader der ersten Mannschaft eingestuft worden", erzählt er. Die Regionalliga Südwest war damals die höchste Klasse unter der Bundesliga, und die Mainzer präsentierten eine außergewöhnliche Lösung auf der Torhüter-Position. Der 17-jährige wechselte sich mit dem um ein Jahr älteren Wolfgang Orben im Gehäuse ab. Dauerhaft Stammtorwart wurde Kneib in der Saison 1973/74. Im Sommer 1973 wurde er mit den Mainzern Südwestmeister, scheiterte aber in der Bundesliga-Aufstiegsrunde. Als die 05ER 1975 nach einem sportlich guten Jahr in der neuen, zweigeteilten Zweiten Liga ihre Lizenz zurückgaben, wechselte Kneib auf die andere Rheinseite zum SV Wiesbaden in die Oberliga Hessen.

Von der Oberliga Hessen in die Bundesliga

"Ich wollte eigentlich gerne in der Zweiten Liga bleiben. Es gab ein kurzes Gespräch mit Darmstadt 98, dann hat sich das aber nicht ergeben, denn damals wollte keiner Ablösesummen bezahlen, keiner hatte mit den Erfahrungen des ersten Zweitligajahres Geld, alle haben mehr oder weniger rumgekrebst", sagt der Keeper rückblickend. "Ich bin schließlich mit Gerd Schmidt, der in Mainz im Mittelfeld gespielt hat und aus Wiesbaden stammte, zum SV Wiesbaden gewechselt. Ich musste mich reamateurisieren lassen und war aufgrund der Statuten für ein halbes Jahr auf Eis gelegt. Ich habe nur trainiert und in der zweiten Mannschaft im Feld mitgespielt, weil ich mich fit halten wollte. Im zweiten halben Jahr habe ich dann in der ersten Mannschaft unter anderem mit Bernd Rupp gespielt, der aus Gladbach gekommen war, auch mit Bubi Hönig, der beim HSV Mittelstürmer gewesen war", so Kneib. Der SVW hatte mit einem Sponsor und dem Einkauf von alternden Bundesligastars einen Angriff auf die Zweite Liga nehmen wollen, scheiterte aber. "Rupp hat mich immer animiert, nochmal zu wechseln. Ich hatte gedacht, ich mache mit meinen 23 Jahren in meinem Beruf weiter und spiele Amateur-Oberliga, das reicht mir. Doch Bernd sagte, er kenne die Verhältnisse in Gladbach gut. Ich sei doch genauso gut wie der Wolfgang Kleff. Nach mehrmaligem Abwimmeln habe ich gesagt, dann mach mal. Und es hat sich so entwickelt", erinnert sich Kneib.

Und es lohnte sich. "Es begann eine super Zeit, natürlich auch wegen der sportlichen Erfolge. Das hat man ja nie so gedacht. Ich bin von null auf hundert da reingekommen.“ Kleff, Stammtorhüter in Gladbach und Nationalspieler, musste sich operieren lassen und war zu Saisonbeginn nicht fit. "Ich bin reingekommen und habe meine Sache anscheinend ganz gut gemacht. Und ich hatte einen Trainer, der nach zehn oder zwölf Spieltagen, nachdem Kleff wieder fit geworden war, nicht den Wechsel vorgenommen hat, sondern sagte: 'Der Kneib spielt gut und bleibt drin!'“ Der Trainer hieß Udo Lattek. "Und dann werden wir im ersten Jahr direkt Deutscher Meister und stehen im Finale des Europapokals der Landesmeister“, sagt Kneib. "Das zeigt, du brauchst auch Glück, dass der Trainer auf dich steht, und du unerwartet in eine Top-Mannschaft reinkommst durch das Verletzungspech eines Kollegen."

Später, als  Jupp Heynckes die Regie übernahm und seinen alten Teamkollegen Kleff wieder zur Nummer eins machte, wechselte der Ex-Mainzer nach Bielefeld, wo er 13 Jahre lang bis zum Karriereende und zuletzt sogar in der Oberliga spielte.

Saison 1972/73: Torhüter Wolfgang Kneib (untere Reihe, 2. v. li.) im Kreise seiner Mannschaftskollegen von Mainz 05.

Regelmäßige Treffen mit den ehemaligen Mitspielern

Wie ist sein heutiges Verhältnis zur Borussia? Dort gebe es eine Abteilung, die sich Traditionspflege nenne, erzählt Kneib, "wo man sich auch um die älteren, ehemaligen Spieler kümmert. Das gab es am alten Bökelberg noch nicht. Erst, seit es das neue Stadion gibt, wird man angesprochen, wenn man längere Zeit nicht im Stadion aufgetaucht ist und wird gefragt, ob man nicht wieder mal vorbeikommen will. Ich muss wirklich sagen, die Tradition wird da sehr gepflegt. Das ist schön und wirklich super organisiert. Im großen VIP-Raum gibt es einen abgesperrten Bereich, wo sich vor und nach dem Spiel die aktuellen Spieler, die Verwandten und Bekannten, die die Spieler eingeladen haben, treffen. Da kommt der Vorstand hin, die ehemaligen Spieler, das ist wie eine große Familie, so kann man es sagen. Die Borussen-Familie sitzt da mittendrin. Wenn du ein Spiel gucken willst, rufst du eine bestimmte Nummer an und kriegst gesagt, wann Platz ist. Dann kriegst du zwei Karten, einen Parkschein, kannst dich verpflegen lassen und sowas alles." Drei- oder viermal im Jahr nehme er mit seiner Frau das Angebot an. Ebenso oft gehe er in Bielefeld ins Stadion. "Es ist nicht mehr so,  dass ich alle 14 Tage zum Spiel will."

Die ehemalige Mainzer Mannschaft, mit der Kneib Südwestmeister geworden ist und in der Aufstiegsrunde gespielt hat, treffe sich regelmäßig. "Viele davon sind ja noch in der Region, die sehen sich sowieso öfter. Willi Löhr als ehemaliger Kapitän versucht, alle zwei, drei Jahre einen größeren Treff über drei Tage zu organisieren.  Dadurch ist der Kontakt zum Verein immer noch etwas da.“ Der Kontakt in seine Heimat Zornheim sei mit der Zeit etwas weniger geworden. Die Eltern leben nicht mehr. Kneibs Bruder Robert, der lange im Ort wohnte und der früher bei Kastel 06 als Vorstopper spielte, lebt in der Nähe von Siegen. "Und das mit den alten Schulfreunden verliert sich irgendwann, wenn man so lange weg ist. Die einzige Verbindung sind noch zwei befreundete Paare“, so der frühere Torhüter-Hüne. "Am Anfang waren die Zornheimer und die beim TSV furchtbar stolz auf mich, weil einer aus dem Ort so etwas geschafft hat. Meine Mutter war im Verein eingebunden. Ich bin Ehrenmitglied bis heute. Früher sind wir öfter in Zornheim gewesen und ich habe mich im Verein blicken lassen. Das geht im Laufe der Zeit leider etwas verloren."

Wie sieht er heute seine Ex-Vereine Mainz 05 und Mönchengladbach? "Ich muss sagen, man hat das Gefühl, dass in Mainz, Verein, Mannschaft und Bo Svensson irgendwie prima zusammenpassen. In Gladbach haben sie mit Adi Hütter sicherlich keinen schlechten Trainer geholt, aber ich habe immer das Gefühl, dass es, aus welchen Gründen auch immer, nicht so richtig passt. Mein Gefühl sagt mir auch, dass die Tendenz am Sonntag im Bundesligaduell eher Richtung Mainz als Richtung Gladbach geht", sagt Kneib, der selbst allerdings nicht im Stadion dabei sein kann.