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Nachwuchs 26.04.2020 - 19:30 Uhr

Hohes Gut im "eigenen Stall"

Erinnerungen an in Mainz ausgebildete A-Nationalspieler und ein Blick auf die aktuellen Talente

Sternstunde des NLZ am Bruchweg: André Schürrle führte die 05ER 2009 zur bislang einzigen Deutschen Meisterschaft der U19-Junioren.

Mainz bleibt weiterhin zu Hause. Die Corona-Krise bietet uns die Zeit, mal wieder an wichtige und emotionale Ereignisse aus der Klub-Vergangenheit zu erinnern. Zum Beispiel an die am Bruchweg ausgebildeten deutschen Nationalspieler, von denen es zwei sogar bis zum Weltmeistertitel schafften.

Es war ein Sonntagvormittag Ende Juni 2009, da kreuzten sich im Bruchwegstadion die Wege zweier Fußballer, die sechs Jahre später vor 75.000 Zuschauern im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro maßgeblich an einem der größten Triumphe der deutschen Nationalmannschaft beteiligt waren: dem Gewinn des vierten WM-Titels, dem ersten einer europäischen Nationalmannschaft auf dem amerikanischen Kontinent. Als André Schürrle im Finale gegen Argentinien in der Verlängerung über die linke Seite dribbelte und im Strafraum Mario Götze fand, der den Angriff vollendete. Eine Szene, die ARD-Reporter Tom Bartels mit den legendären Worten "Schürrle. Er kommt an! Mach ihn! Mach ihn! Er macht ihn!", emotional kommentierte.

Debüt zweier 05-Spieler

Schürrle und Götze standen sich an jenem Junimorgen am Bruchweg im Endspiel um die deutsche A-Junioren-Meisterschaft, das die 05ER mit 2:1 gegen Borussia Dortmund gewannen, gegenüber. Ein Jahr später feierte Schürrle sein Länderspieldebüt im Team von Joachim Löw, ersetzte beim 0:0 in Schweden seinen 05-Mannschaftskollegen Lewis Holtby, ebenfalls Debütant wie auch Götze, der für Kevin Großkreuz eingewechselt wurde.

Insgesamt vier Profis sind als 05ER Nationalspieler geworden. Zwei davon, Holtby und Nicolai Müller, kamen aus anderen Klubs. Schürrle und Manuel Friedrich, der erste 05-Profi in der DFB-Auswahl, entstammen dem 05-Nachwuchsbereich. Natürlich gehört auch Suat Serdar in diese Aufzählung, der aber erst nach seinem Wechsel zu Schalke 04 Nationalspieler wurde. Nimmt man auch Erik Durm hinzu, der ebenfalls in Löws Weltmeisterkader stand, der in der U19 und im Regionalligateam des FSV spielte, erhöht sich die Zahl der am Bruchweg ausgebildeten A-Nationalspieler weiter.

Aus der B2 ins Nationalteam

Friedrich, eine der bedeutendsten Figuren des Aufschwungs bei Mainz 05 zum Bundesligisten und Sohn des ehemaligen Jugendleiters Hubert Friedrich, wäre fast kein Profi geworden, weil ihn die 05ER zunächst nicht von den B- zu den A-Junioren übernehmen wollten. Friedrich spielte B2, dann doch in der A1, im Verbandsligateam und debütierte Anfang 2000 in der 2. Bundesliga, wurde Stammspieler unter Trainer René Vandereycken. Unter Jürgen Klopp entwickelte er sich dann zum überragenden Zweitligaspieler, war nicht nur ein stellungssicherer, zweikampf- und kopfballstarker Verteidiger, sondern gleichzeitig eine Art Spielmacher, der bei jeder Gelegenheit im Mittelfeld oder noch weiter vorne auftauchte, acht Saisontore schoss.

05-Eigengewächs & Nationalspieler

Der Abwehrchef wechselte für viel Geld nach Bremen, wo er zwei Kreuzbandrisse erlitt. Nach seiner Rückkehr im Winter 2003/04 absolvierte der aus Guldental stammende Profi noch 99 Bundesligaspiele für die 05ER, weitere 157 für Bremen, Leverkusen und Dortmund. Friedrich gab 2005 sein Nationalelf-Debüt.

Schürrle kam einst vom Ludwigshafener SC als 15-Jähriger 2006 in die Mainzer U17. Als Profi unter seinem U19-Meistertrainer Thomas Tuchel wurde der Torjäger mit 15 Toren und fünf Vorlagen in seiner zweiten Erstligasaison Mainzer Bundesliga-Rekordhalter, gleichauf mit Shinji Okazaki. Schürrles typisches Tor war der schnelle Sololauf über die linke Seite mit einem Haken am Strafraum, um den entgegenkommenden Verteidiger loszuwerden, und dem Schuss ins lange Eck. Inzwischen ist der Weltmeister häufig gewechselt: Noch nie zuvor hat ein einzelner deutscher Profi bei seinen Vereinswechseln solche Summen bewegt. Von bis zu 95 Millionen Euro ist die Rede.

Rouven Schröder kam nach dieser Zeit nach Mainz. Der 05-Sportvorstand hat die Entwicklung von Suat Serdar begleitet und aktuell den Aufstieg von Leandro Barreiro zum Stammspieler, der mit seinen 20 Jahren zudem schon 18 A-Länderspiele für Luxemburg bestritten hat. "Man sieht und spürt, was für ein Profil samt Charakter und welche Möglichkeiten ein Spieler hat", erklärt der 44-Jährige. "Bei Suat war auch die demütige Art sich zu integrieren auffallend, immer zu wissen, dass er hart arbeiten musste. Man hat gemerkt, dass noch z.B. einiges fehlte in puncto Athletik, Robustheit, aber er hat sich wirklich kontinuierlich gesteigert. Mit seiner Empathie und Bodenständigkeit macht er seinen Weg. Das macht uns natürlich auch stolz, dass wir diesen Weg begleiten durften."

Barreiro habe als Luxemburger Nationalspieler schon frühzeitig internationale Erfahrungen sammeln dürfen gegen Top-Auswahlteams. "Das war für ihn ein Faustpfand. Er ist geduldig geblieben, hat immer hart an sich gearbeitet und an seine Chance geglaubt. Leo ist auch durch seine Mehrsprachigkeit dauerhaft einer, der die Gruppe zusammenführt", sagt Schröder.

Aus dem NLZ in die Bundesliga

Wie durchlässig die Nachwuchsarbeit bei Mainz 05 tatsächlich ist, zeigt eine aktuelle Einsatzstatistik der im Verein ausgebildeten Spieler. Florian Müller, Robin Zentner, Ridle Baku, Jonathan Burkardt und Barreiro kommen in dieser Saison auf 63 Bundesliga-Einsätze. Nur der SC Freiburg steht mit 65 noch besser da. "Das ist eine Bestätigung der guten Arbeit aller Beteiligten im Verein. Es fängt bei der Rekrutierung und beim Scouting an, das NLZ macht insgesamt einen herausragenden Job. Die Zusammenarbeit mit dem Lizenzbereich läuft sehr gut. Wir begreifen uns als ein Team, das Hand in Hand arbeitet", sagt der Sportvorstand. "Wichtig ist, immer den Übergang zu schaffen. Die Grundqualität bringen die Spieler selber mit, dann kommt die Ausbildung, aber dann muss man auch das Zutrauen haben, sie im Profibereich einzusetzen und sie zu integrieren. Bei dem einen klappt es direkt, bei dem anderen dauert es ein bisschen. Trotzdem darf man die Geduld und das Grundvertrauen nicht verlieren. Die Spieler müssen aber diese Eigenschaften ebenfalls berücksichtigen, verstehen und leben. Über allem steht die harte Arbeit für beide Seiten."

Von Eyibil bis Nebel: Die nächste Generation

Der Verein habe aktuell mit Merveille Papela, Niklas Tauer und Erkan Eyibil drei U19-Spieler mit Profiverträgen ausgestattet, die den nächsten Schritt machen könnten. Außerdem hat mit Paul Nebel ein weiteres Talent längst auf sich aufmerksam gemacht. "Man sieht", sagt Schröder, "es wächst etwas nach. Es ist ein hohes Gut, dass wir in Mainz unsere Jungs aus dem so genannten eigenen Stall integrieren. Wenn in Zukunft das Budget nicht mehr so ist, wie in der Vergangenheit, ist es besonders wichtig, dass man weiß, die Jungs aus dem eigenen Verein können es schaffen."