Profis 18.02.2024 - 16:05 Uhr
Auftakt für den "richtigen Abstiegskampf"
Emotional, willensstark, mit den Fans im Rücken und drei lang ersehnten Punkten aus dem Augsburg-Spiel im Sack: Die 05ER um ihren neuen Chefcoach Bo Henriksen wollen im Kampf um den Klassenerhalt ihr wiedergewonnenes Selbstvertrauen nutzen und eine Aufholjagd starten
Solche Bilder hat es in der MEWA ARENA lange nicht mehr gegeben. Die Mannschaft nach dem Abpfiff komplett aufgereiht vor den Fans, dahinter der neue Trainer mitsamt Staff, klatschend, feiernd und mitsingend im grenzenlosen Jubel von den Rängen, dazu Siegtorschütze Sepp van den Berg auf dem Zaun und die Humba anstimmend. Bo Henriksen, dem seit Fastnachtsdienstag neuen dänischen Cheftrainer, ist mit seinem Team ein perfekter Einstand in der Bundesliga gelungen. Der Däne hat mit dem 1. FSV Mainz 05 das geschafft, auf das die Anhänger so lange schon gewartet haben. Den ersten Sieg im neuen Jahr, drei wichtige Punkte gegen den FC Augsburg, die den FSV bis auf einen Punkt heranbringen an den Relegationsplatz. Ein wichtiges Signal im Kampf um den Verbleib in dieser Liga.
"Das war heute Abstiegskampf. Am Schluss liegen die Nerven ein bisschen blank. Dann musst du verteidigen, mit allem, was du hast. Das war das, was wir heute gebraucht haben, genau wie das gute Publikum. Mit den Zuschauern im Rücken haben wir den Sieg verdient geholt. Das ist Mainz 05, und ab jetzt müssen wir uns einfach wehren ohne Ende“, sagte Christian Heidel nach dem Abpfiff.
Heidel: "Das ist Mainz 05, und ab jetzt müssen wir uns einfach wehren ohne Ende“
"Wir haben vorher bei unseren fünf Niederlagen viermal 0:1 verloren. Das waren ähnliche Spiele. Da hatten wir nicht dieses Glück, vielleicht auch nicht die allerletzte Power. Diese Power ist das, was du brauchst. Mit Jan Siewert haben wir Spiele verloren, in denen wir es nicht verdient hatten. Heute haben wir es verdient gewonnen. Was wir gebraucht haben, ist, dass der Schalter umgelegt wird. Das ist zum Glück jetzt erst einmal gelungen. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, zu was das führt. Es ist ein Auftakt. Der Auftakt für den richtigen Abstiegskampf“, fügte der Sportvorstand hinzu.
Glauben auf Mannschaft übertragen
Er wolle es sich nicht so einfach machen und sagen, vorher sei alles schlecht gewesen, so Heidel weiter. "Es kann aber sein, dass die Spieler heute etwas mehr getan haben.“ Das Team wirkte fanatischer als zuletzt, willensstärker. Nicht zuletzt dank Bo Henriksen. "Der Trainer ist natürlich ein Emotionsmensch. Er hat das in den wenigen Tagen super gemacht. Genau das war die Idee, dass wir irgendetwas tun, damit die Köpfe frei werden. Er ist ein so positiver Typ. Ich weiß nicht, woher er die Energie hat, aber die hat sich übertragen auf die Mannschaft. Er gibt den Jungs den Glauben. Wir gehen da raus und gewinnen gegen Augsburg. Das hat er die ganze Woche erzählt. Er war davon überzeugt und war dann so überzeugend, dass es alle glauben. Das ist das, was wir brauchen."
Der Sieg sei für das Selbstvertrauen der Profis unfassbar wichtig. "Wir haben jetzt 15 Punkte. Um drin zu bleiben, brauchst du für die Relegation so etwa 30, 32 Punkte. Weil die oben so viele Punkte haben, brauchst du für den Nichtabstiegsplatz wahrscheinlich 36. Also können wir uns selbst ausrechnen, was wir noch holen müssen. Das ist viel und eine Quote ähnlich der wie 2021. Es gibt noch 36 Zähler zu holen. Die drei Punkte heute tun gut dabei." Der 1:0-Erfolg gegen den FC Augsburg hat die Stimmung in Mainz deutlich verbessert. Nicht zuletzt, weil Henriksen mit seiner Art Mannschaft und Publikum mitgenommen hat. Der Däne vermittelte vom ersten Tag an am Bruchweg eine positive Ausstrahlung, die sich überträgt. "Im Endeffekt war es heute so etwas wie ein Schulterschluss zwischen Trainer, Mannschaft und Fans im Abstiegskampf“, betonte der Sportvorstand.
Henriksen: "Es geht nicht um mich"
"Ich weiß, wenn ich Energie und Leidenschaft an die Spieler weitergebe, tun sie ihr Bestes. Das ist das, was wir heute gesehen haben. Es geht nicht um mich“, erklärte der neue Cheftrainer. Die Spieler sind mutig genug. Wenn sie merken, was passiert, wenn sie das tun, was sie heute getan haben, dann haben wir Möglichkeiten, Spiele zu gewinnen. Natürlich waren auch die Fans wunderbar, sie haben von der ersten Minute an alles für uns gegeben. Die Spieler haben das sofort gespürt. Ich denke, dass wir erste Halbzeit sehr gut gespielt haben. Ich bin stolz auf die Spieler. Sie haben alles gemacht, was wir uns vorgenommen haben. Alle haben mit Vollgas gespielt, mit Energie, Leidenschaft, Emotionen gespielt und ohne Angst. Das ist für mich das Wichtigste. Der nächste Schritt muss sein, dass wir das jedesmal tun. Und wenn wir 1:0 führen, müssen wir jedesmal weiter attackieren und versuchen, ein zweites Tor nachzulegen“, sagte der Däne.
Powerfußball auf Mainzer Art
Der Mainzer Auftritt im eigenen Stadion entsprach dem, was Henriksen angekündigt hatte: Powerfußball. Quasi zum Kopf des Erfolgs wurde van den Berg, der nach einem von Nadiem Amiri von links getretenen Freistoß höher sprang als Finn Dahmen und den Ball mit der Stirn ins Netz bugsierte. Der im Sommer von Mainz nach Augsburg gewechselte Keeper hätte noch in der ersten Halbzeit fast für einen zweiten Treffer gesorgt: In der Nachspielzeit erwischte er den nach einer schönen Kombination vor ihm auftauchenden Phillipp Mwene am Fuß, doch Amiri schoss den Ball an den linken Pfosten.
Die Mainzer dominierten mit zahlreichen Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte, mit vielen gewonnenen zweiten Bällen. Der FCA hatte große Mühe, sein Spiel von hinten heraus aufzubauen. Die 05ER suchten immer den möglichst schnellen Weg in den gegnerischen Strafraum, kombinierten gut, probierten es auch aus der Distanz und hatten Pech, dass Jae-sung Lee nach einem Konter über Brajan Gruda nur die Latte traf.
Wieder lernen, zu gewinnen
Auf der anderen Seite wurde Robin Zentner in der ersten Hälfte nur einmal bei einem Kopfball von Ruben Vargas geprüft. Die Mainzer machten auch im zweiten Durchgang Druck, suchten Abschlüsse und hielten den Ball möglichst weit vom eigenen Tor weg. Bis die Nachspielzeit begann und es wacklig wurde. "Auch das ist Abstiegskampf“, sagte Heidel. "Natürlich wird es wacklig, weil jeder etwas nervös wird. Wir müssen wieder lernen, zu gewinnen“, sagte der Cheftrainer. Wir müssen attackieren und versuchen, Tore zu schießen. Heute hatten wir die Möglichkeit, in der ersten Hälfte drei Tore zu machen. Das brauchen wir in jeder Partie.“
Auch am Freitagabend in Leverkusen. "Wir müssen es versuchen“, so Henriksen. "Ich weiß, dass es ein schwieriges Spiel wird. Das weiß jeder. Doch es ist auch schwierig gegen Augsburg. Es ist unheimlich schwer gegen sie zu spielen. "Wir sind total happy damit, was wir heute gezeigt haben. Die Spieler, die heute auf dem Platz waren, haben viel Power, sie wollen nach vorne gehen, sie wollen hoch pressen, Ballgewinne haben, die zweiten Bälle, Druck aufbauen. Das ist unser Plan. Wir werden trainieren und hoffen, dass wir dadurch besser werden.“ Heidel hatte zuvor schon vermutet, dass Henriksen so etwas sagen würde. "Wir fahren da jetzt nicht hin, um dort möglichst niedrig zu verlieren. Das kann nicht sein. Das wäre dann kein Abstiegskampf. So, wie ich den Trainer jetzt kennengelernt habe, wird er das die ganze Woche der Mannschaft erklären.“
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